Mangos, Bananen, Lilly und Co.

Gambia River, 31.3.2008

Janna und Len bitten zum Sundowner auf die Present, und wir lassen die Sonne ganz schön weit hinter den Horizont sinken, bevor wir zurück zur AKKA tuckern. Bei Wasser und Bissapsaft und in der zweiten Stufe dann einem Glas Wein, wahlweise einer kühlen Büchse Bier, lassen wir einen ereignisreichen Tag Revue passieren. Erst einmal ging es im Slalom zwischen den Treibnetzen von 4, 5 Fischerpirogen nach Kuntaur. Klingt nach „Traffic Jam“ – aber es ist immer noch relativ leer, obwohl sich die Nähe des Ortes – Kuntaur war mal Gambias zweitgrößter Hafen! – bemerkbar macht. Hier pulst das afrikanische Leben – eine kleine Fähre schaufelt Marktbesucher vom Westufer hinüber, Jungs kommen schon während unseres ersten Ankermanövers herübergeschwommen, das Übliche: „What’s your name?“… Im zweiten Versuch hält der Anker, aber wir trauen dem Braten nicht so recht – solange der Strom aufwärts läuft, gehen wir ins Dorf, aber sobald er zu kentern droht hauen wir wieder ab. Unter den Bäumen an Land sammelt sich schon die gespannte Dorfgemeinschaft – ältere Männer, vor allem aber die Kinder nehmen unsere Dinghyleinen an und die Karawane zieht los. Wir suchen Zwiebeln und Tomaten, Bananen, Mangos. „Oh, yes, we have a big market where you can get everything…“. Besser wäre der Zusatz gewesen: „… but not today“, denn heute ist Loma, Wochenmarkt außerhalb des Ortes, nur mit dem Eselskarren zu erreichen, und wegen des Tidenzeitplanes für uns ein bisschen knapp. Aber da gibt es Abhilfe – wir werden in
Haus 1 geleitet und kriegen eine Handvoll sehr reifer Bananen und ein paar kleine Mangos. Sehnsüchtig denkt man an die Europaoasen in Dakar zurück, an mediokre „Supermärkte“ in Banjul oder Saly, aber wir freuen uns über unsere Schätze. Und im Gehöft 2 stehen wir schon vor einer großen Schüssel voller grüner Bananen, genug für alle Boote, und dann steigt einer der Jungs in einen der Mangobäume, die den Gartenhof beschatten, und wir bestellen eine Wurfsendung Mangos. Mit 15 Früchten – und der Kinderkarawane im Schlepptau – ziehen wir zurück zum Fluss, kriegen unterwegs noch eine dörfliche Wohnung gezeigt, mit TIEFKÜHLTRUHE, die die Hausfrau stolz öffnet und schließt, öffnet und schließt. Hier gibt es nämlich a. Wasser aus ein paar über den Ort verteilten Wasserhähnen, b. ein paar Motorräder und c. STROM… Und einen Laden der Fußbälle anbietet – wir werden ziemlich unmissverständlich dorthin geleitet, und während eingekauft wird, tausche ich mit den gespannten Kickerkandidaten Fussballernamen aus. Ballack ist da, und Miroslav Klose. Die Brasilianer natürlich und die Stars von Arsenal, Chelsea und Manchester United. Hier gibt es halt Strom und damit auch Fernsehen…
Len liefert zum Schluss noch unseren Müll aus – ein bisschen Gegenleistung haben wir Toubabs uns mit den Bällen und dem Schulmaterial von der PRESENT verdient.

Anker auf! Nur ein paar Meilen sind es bis zu den Baboon Islands, auf die wir alle schon so lange warten, obwohl doch zwei Segelführer von wenig Glück berichten, was die Beobachtung von Hippos und/oder gar Schimpansen berichten. AKKA fährt voraus,, hinein in den Kanal zwischen den Nationalparkinseln. Was für ein Schauspiel für die anderen. Petite Fleur und Present dürfen zuschauen, wie wir stecken bleiben und versuchen, aus dem weichen Grund wieder loszukommen… Ranger aus dem National Park versuchen uns eher ungeschickt zu helfen, aber nach langen 30 Minuten sind wir wieder frei. Als wir gegen 16 Uhr am Südende der großen Baboon-Insel Anker werfen, kommt schon das nächste Rangerboot, wir reichen kaltes Wasser mit Zitronensirup über die Reling, bekommen Anweisungen. „We’ll go and have a look where the chimps are…“ – kurz biegen die beiden um die Ecke und kommen stante pede zurück“… they are at their feeding place!“ Das können wir uns nicht entgehen lassen. Wir entern die Rangerpiroge, die anderen tuckern in Presents Beibötchen hinterher, und wir sind kaum in den Kanal eingebogen, da präsentieren sich zur Linken die ersten Hippos, obwohl ein heißer Wind weht und Flusspferde dann gern lange unter Wasser bleiben. Und zur Rechten… – ein Pavian. Und?! Lilly, die 31-jährige Schimpansenenahnin guckt SEHR interessiert aus dem Unterholz. Ein 3-jähriger Affenknabe klettert in einen Baum und übt ein bisschen Imponiergehabe, das ist „Delaware“. Einer etwas jüngere Dame mit Kind schaut aus dem
Hintergrund. Das hatten wir nicht zu hoffen gewagt… Schimpansen. Und dass ringsum noch Kingfisher und Flussadler, Reiher, Hornbills und afrikanische Gänse sich an/im/über einem dichten Wald tummeln, macht den Eindruck perfekt.
So sitzen wir dann auf der PRESENT, nippen am Bissapsaft und horchen in die Zikaden- und Vogelgesänge hinaus. Dies ist der lauteste Platz seit Tagen – wir sind im Süßwassserbereich angekommen, mit allem, was die reiche Vegetation so mit sich bringt. Palmen, Organ-Trees, Baobabs – und Schimpansen.

Still und leer…

Bird Island / Gambia River, 30.3.2008

Nicht mühsam, aber langsam bewegen wir uns den Gambia River hinauf. Hatten wir in Bombale auf einem engen Seitenarm des Gambia geankert, erweiterte sich der Fluss gleich hinter Elephant Island auf „friesische“ Weiten, es fehlten lediglich die Schwarzbunten. Nun gut, es waren auch keine Weiden hinter den etwas spärlicher werdenden Mangroven,, sondern Reisfelder, aber die Fliegen ähneln sich verblüffend: dort Bremsen, hier Tsetse… Das Wetter ist zunehmend windstill und diesig, das Licht entsprechend gebrochen, die großen Wasserflächen liegen spiegelglatt im heißen Dunst. In den Morgenstunden fahren wir jeweils ein Stückchen weiter, bis zum Kentern der Tide, und ankern dann. Dinghytour an den Mangroven entlang, Flussadler und Kingfisher bestaunen, und ab und zu mal in einen kleinen Seitencreek hineinsteuern. Es ist gespenstisch still, nicht nur in den heißen Stunden, sondern den ganzen Tag über. Und es ist leer – nur ab und zu quert mal eine Piroge mit einem Fischer unseren Weg und lässt ein Treibnetz stromabwärts driften. Schall trägt meilenweit – wenn es denn Schallquellen gibt. Die Stille ist ohrenbetäubend und man mag gar nicht seinen Außenborder anwerfen. So staken wir denn mit den Paddeln durchs knietiefe Wasser oder lassen uns mit der Strömung um Bird Island treiben. Auf dem Nordufer erheben sich schon den ganzen Tag Rauchschwaden hinter der Uferböschung – Bauern brennen den Unterwuchs ab, um ein neues Reisfeld anzulegen.
Zurück an Bord lassen wir uns ermattet im Cockpit nieder und üben „Schwitzen“… Sehr erfolgreich! Dann ein leiser Funkspruch, Urs: „PETITE FLEUR hat gerade ein Hippo gesichtet!“ Tatsächlich – alle paar Minuten taucht 200 m vor den Schweizern ein Kopf aus dem Wasser, ein Flusspferd auf dem Weg vom Südufer zur Insel. Das hätten wir nicht gedacht, dass die solche Strecken zurücklegen… Wenn wir hier baden, dann paddeln wir im Bereich der Heckplattform gegen den Strom. Richtiges Schwimmen fällt aus – man kühlt zwar ein bisschen ab im 30 Grad warmen Fluss, aber der Strom ist stark und jede Anstrengung lässt einen nachher umso mehr schwitzen. Also starren wir vom Vorschiff in den Dunst und schauen dem Hippo zu, dass auch zu „baden“ scheint: mal hin, mal her. Dann geht die Sonne unter, wir ziehen uns zurück und das Moskitonetz über das Cockpit. Ein paar Mücken sirren, in der Ferne ein paar Zikaden, und ab und zu plätschert es… Ein Fisch? Ein Hippo, das mit dem Schwanz wirbelt? Es schnauft. Ganz klar – ganz kurz füllt dieses laute, heisere abgehackte Hippogeräusch – so eine Art Schnarch-Bellen – die Luft. Gleich ist es wieder still, aber leer ist es gewiss nicht. Irgendwo da draußen im Dunkeln ist ein Flusspferd…

Bombale

Gambia River, 26.3.2008
…. tja, so ist das nun. Wenn schon in Banjul das Internet nicht ausreichte, um die Website upzudaten, dann ist es hier mitten auf dem Gambia River endgültig vorbei mit Bildern. Und die wären nun endgültig notwendig, denn heute haben wir einen Landausflug gemacht. Wir liegen nördlich von Elephant Island vor dem Dorf Bombale und lassen uns außer von einigen gelegentlich wettstreitenden Moscheen sonst nur von Vögeln und Wasserplätschern beschallen. Alle 6 Stunden drehen die drei Yachten sich um 180° um die Ankerkette, wenn der Tidenstrom, der hier noch läuft, kentert, aber das Wasser ist schon so brackig, dass wir unser Trinkwasser nur noch mit ganz geringem Druck machen, und demnächst ist dann Schicht mit „Wassermachen“.
Vom Pirogenanleger – „… hello, what is your name?!“ – spazieren wir ins Dorf. Zunächst kommen uns drei freundliche junge Männer entgegen, man tauscht die üblichen Höflichkeitsformeln („…where are you from“ etc.) aus, Kabira stellt sich bald als der Hilfslehrer heraus. Und dann rollt die Lawine. Aus allen Ecken des Dorfes kommen sie, Mandinkakinder aller Altersklassen, und Caroline wird irgendwann fragen, ob ich vielleicht noch ein paar Finger für weitere klebrige, kleine Afrikanerhände frei hätte, aber meine zehn waren alle besetzt, mehrfach. Wir haben den Eindruck, dass jeder mal anfassen und testen will, ob wir abfärben oder nicht, zumindest macht es richtig was her, wenn man so einen weißen Finger erwischt hat und die anderen nicht, und je klebriger die Pfoten, umso anhänglicher sind deren Besitzer. Wie ein Karnevalsumzug ziehen wir durch’s Dorf, ein Riesen-Gequackel und -Gelache, vorbei an der Mühlstation (Rotary International), der nur monatlich mal besetzten Krankenstation (UNICEF), am gruseligen Dorfbrunnen
(Gambia River pur, grrr…); unter einem Zelt hat ein Schmied ein Feuer entfacht, das ein Gehilfe mit einem Ziegenleder-Blasebalg in Gang hält, und treibt das glühende Ende einer Grabaxt in den Axtstiel. Frauen stampfen Kassava, und der „Headmaster“ – heute ist keine Schule – liegt wie manch anderer Mann im Schatten und döst. Nein, es ist keine Afrikaausstellung in einem Museum, und die bestaunten Zootiere sind wir. Das ist das ganz normale Leben in Bombale. Unter viel Geschrei wird fotografiert, haufenweise Kinder, einzeln und gern auch gruppenweise, mit Faxenmachen oder ganz ernsthaft, und dann unter Gekicher und Gekreische das Ergebnis auf dem Display der Digitalkameras angeguckt – da muss man dann natürlich mit den Fingern (Zustand siehe oben) drauf tippen… Ah, je…
Natürlich gucken wir die Schule an, die Kinder schleifen uns durch die Gegend, jeder will uns einen Mangobaum, einen Silk-Cotton-Tree, einen Cashewbaum zeigen. Aus der bereits bekannten Gebraucht-T-Shirtsammlung – bei Mädchen sieht man das nicht so, weil sie meist ein Mini-Geschwister im Tuch auf dem Rücken tragen! – sind bei den Jungs die Fußballershirts besonders beliebt, es kommen auch zaghafte Wunschäußerungen nach vielleicht einem Fussball?!… Etoo gibt es gleich mehrfach und „Robinho“ und „Rooney“ (was für ein zarter Rooney ! ) schleppen mich vorab zum Schulgarten, wo ich schon mal über den Zaun gucken kann, während der Rest der Seglerfamiiie sich noch in das Besucherbuch einträgt. Im Schulzimmer der „grade3“, äußerst bescheiden, hängt ein großer Gießplan, morgens und abends wird reihum gegossen, und was gut gedeiht, geht in den Schulspeisungstopf bzw. wird im Dorf verkauft, so dass bare Münze wieder Schulmaterial ergeben kann. Das erklärt uns Kabira, als er mit dem Schlüssel – mehr eine psychologische Sperre! – das Gartentor für uns aufschließt. Kassava, Zwiebeln, Tomaten, Süßkartoffel, eine Kohlart in einer Abgrenzung ais Agaven – viel gibt es nicht, aber dass liebevoll gewässert wird, sieht man und es wird auch gleich noch vorgeführt. Das Wasser -natürlich aus dem Fluss – kommt aus einer Pumpe von Pumpen-Boese in Peine. Wir leeren lieber unsere mitgebrachte Flasche mit AKKA-Wasser und kriegen gleich einen Mandinka-Sprachkurs: Jio, Wasser! Sehr wichtig, für alle hier. Für
uns besonders, die wir das gerade hineingekippte Wasser gleich wieder durch die Poren nach drau?en schicken.
Auf dem Rückweg wieder vorbei an den Tischen unter großen Bäumen, wo Dorffrauen Tomaten, Zwiebeln und Erdn?sse aus eigener Produktion feilbieten. Die Zwiebeln sind mir hochwillkommen. Urs erwirbt noch ein großes Bündel Blattgemüse – in Serakunda wurde uns das als „Süßkartoffelblätter“ beschrieben, und nach einer Probesuppe auf der Petite Fleur werden die Restbestände brüderlich auf den anderen Schiffen verteilt. Und da der Fischer, den Len uns nachmittags mit einem Grouper vorbeischicken will, unser Schiff irgendwie verpasst, gibt es zum Abendbrot Rührei mit Blattgemüse mit Erdnuss, Chili, Zwiebeln und Knoblauch zubereitet – Süßkartoffelspinat „Bombale“.

Ceesay say: you come…

oder: Afrikanischer Rhythmus.

Ist ja alles nicht immer so einfach von Bord aus. Das letzte Stück Brot verschimmelt, es ist brütend heiß und da will noch wer backen? Fleisch gab es aus eher hygienischen Gründen schon seit Tagen nicht mehr, und einkaufen, tjaaa, es ist doch ziemlich heiß… Die Fische, die wollen trotz gleichmäßiger Wassertemperatur zumindest bei uns nicht beißen. PETITE FLEUR hat heute eine Languste gefangen, aufgespießt mit einem normalen Grundhaken. Das hätten wir auch gern, wir würden auch einen Grouper nehmen, so einen wie Len ihn hat(te), wenn er denn bei uns vorbeikäme. Der Grouper, nicht Len. Eine Gasbuddel ist leer. Ein echtes Projekt – mit Adaptern und viel hin und her. Aber wir tragen es mit Fassung, denn es ist wie gesagt heiß, und dagegen hilft nur reduzierte Geschwindigkeit, wir lernen jetzt afrikanischen Rhythmus. Das Lernprogramm beinhaltet zum Beispiel die Contenance zu bewahren , wenn das Gegenüber manchmal gedanklich etwas abschweift und nur still vor sich hin schaut; es ist halt heiß, aber da wiederhole ich mich wohl. Dinge dauern einfach. So war ich mir mit Ceesay und der Gasflaschen-Füllaktion nicht ganz so sicher – wohl, DASS es klappen würde, aber WANN? Gambian time ist nämlich irgendwann – gern auch als GMT bezeichnet, Gambian Maybe Time. Meine Wäsche ist schließlich auch noch nicht zurück, das prägt die Erwartungen. Zur Intensität all der Geduldsspiele trägt bei, dass auch die Wege, die jeweils nach Rom führen, sich uns immer noch hektisch-pragmatisch agierenden Europäern nicht immer selbst erklären. Ich nehme also all meine Geduld und die Gasflaschen und bringe beides hinüber zum Steg und palavere ein bisschen mit Ibrahim, wie das nun vor sich gehen soll. Ein paar leere Gedankenblasen beiderseits eingeschlossen, es ist schließlich heiß, und meine nächste Flasche ist ja erst in 3 Monaten leer – Gelegenheit, sich mit Geduld zu wappnen. Na, dann. Einen ungefähren Preis kann Ceesay nicht nennen, will auch keine Vorschusszahlung, nein, er trägt eine holländische und eine deutsche Flasche zur Befüllstation, off the beaten track. Nach einer Weile kommt Len mit der ersten „Ceesay says“-Nachricht, dass 1100 Dalasi zu entrichten seien, für 2 Flaschen. Also fahre ich hinüber, gebe Ibrahim das Geld und mache auf Afrikanischen Rhythmus – jetzt ist er wieder dran, zurück zum Befüller, zahlen, befüllen. Und noch einmal das gleiche Spiel, Flaschen abholen … Es ist kompliziert, aber es ist eben auch heiß und Dinge dauern, oder hatte ich das schon mal gesagt? Die Hitze zeigt übrigens nicht nur in Gambia ihre Wirkung – die Dakar-Variante des Problems war: „I have 3 bottles and 2 arms only“ – Urs‘ Blick auf diese Reaktion werde ich nicht vergessen.  Wir richten uns auf 1, 2 Tage Wartezeit ein.
Wie auch immer: gestern, noch am gleichen Nachmittag, kommt ein Bötchen vorbei, wir greifen schon zur Geldbörse um Geld für einen schönen, frisch geangelten Fisch locker zu machen, den man uns gleich anbieten wird, da tönt es: „Ceesay say: You come!“ Ha, die Flaschen sind da? Das ging ja fixer als gedacht…

Und eben kommt Roy, der Langfahrer vom Nachbarkatamaran gefahren: “ Ceesay say…“ Nein. Roy ist Brite. „Mr. Ceesay says he’s got something for you and asks you to come over…“ Der Benzinkanister ist voll. Es geht Schlag auf Schlag. Man kann sich hier auf nichts verlassen – nicht einmal darauf, dass gut Ding Weile haben will. Afrikanischer Rhythmus. Es haut einen um.

Mangos und lila Eier

Es ist Montag, heute geht der Alltag wieder richtig los – gestern bestand das Programm ausschließlich aus Grillen in der Fishing Lodge, gleich gegenüber vom Anleger; fast ausschließlich – ich habe Till Schürmanns beinahe-Gesellenstück abgeschliffen, unseren Spruce-Bootshaken. Die UV-Strahlung tut ihre Wirkung auf dem Arnisser Bootslack. Aber von 2 bis 5 saß der ganze Seglerhaufen beim BBQ, und es gab, außer gegrillten Hühnerspießchen, Frikadellen, Heilbutt und Grouper, auch all die gefährlichen
Sachen wie Krabben und Salate, Eiscreme und Obst. Lecker und völlig folgenfrei – wir sind höchstens mal wieder ein bisschen voller als sonst. Heute ist aber wieder Traffic Jam auf der Denton Bridge – nun ja, was man hier so traffic jam nennt, vielleicht sind wir auch nur zu spät aufgestanden… . Ich packe gleich den Sack mit der Schmutzwäsche und drücke sie drüben am Anleger Fatima in die Hand. Mir ist es mehr als recht, die Wäsche wegzugeben: Wir sparen unser mühsam erzeugtes Wasser, und ich bin den Druck los, so gar kein Gesch?ft mit den beiden netten Schwestern zu machen. Jedes Mal, wenn wir am „Shop“ entlanggehen, kommt die Einladung, doch zu schauen und zu kaufen. Interessiere ich mich für einen Batikstoff, kommt unweigerlich die Frage: „… how many do you want?“, nicht etwa ein Preisangebot für ein Stück. Da habe ich es wirklich schwer mit meiner Kaufhemmung.
Ibrahim Ceesay kriegt morgen seinen Auftrag, er wird unsere Propangasflasche nachfüllen. Ceesay ist so etwas wie der „Hafenmeister“ hier – wir wollten kaum glauben, dass er noch hier ist, wird er doch schon in der Reisebeschreibung von vor 18 Jahren erwähnt, als ordnendes und wachendes Zentrum dieser kleinen Ansammlung von Hütten und Containern rund um den Pirogenanleger. Aber heute hat er seinen „freien Tag“. Verdientermaßen.

Tja, die Mangos – der Sonnabendausflug führt uns mit Len und Janna nach Serrakunda, wir suchen unter anderem immer noch nach einem Supermarkt, in dem man sich für die Kapverden und darüber hinaus verproviantieren kann. Der Taxifahrer wirft uns mitten im Marktgewühl raus. Es scheint ein bisschen geordneter zuzugehen als in Dakar, alles sehr geschäftig, und entweder ist es sauberer, oder wir nehmen das nun anders wahr… Je tiefer wir in den Markt eindringen, umso mehr überwiegt bei mir der Eindruck, dass Mangobäume hier wachsen wie Unkraut, und unser Guide, den wir nicht gerade ermutigen, der sich aber doch beharrlich und letztendlich erfolgreich anhängt, erklärt, dass wir bald für 10 Dalasi so viele Mangos kaufen können, wie wir gar nicht essen können, im Gegenteil, wenn wir erst einmal weiter oben auf dem Gambia sind, werden uns die Mangos geschenkt werden. Schon jetzt sieht man in den Bäumen, die den ganzen Serrakunda-Markt überragen, (außer Kuhrreihern) viele dicke, grüne Früchte hängen.

„Mango-Chutney“ schießt mir durch den Kopf und „Mango-Marmelade“, „Mango-Mus“, vielleicht zu Süßkartoffel-Reibekuchen? Derzeit kaufen wir noch „teure“ Früchte. 30-40 Dalasi das Kilo, Toubab-Preis. Das ist +/- ein Euro, für drei frühstücksfertige Mangos – wir wollen nicht meckern. Wir meckern überhaupt nicht über den Markt: ziemlich bunt, mit einem endlosen Gewirr kleiner, tief beschatteter Stände, gerade so weit auseinander, dass sich zwei Leute aneinander vorbeischieben können. Gängiges Transportmittel ist die Schubkarre, und die wird reichlich durch die engen Wege geschoben, gehäuft mit geräuchertem oder frischem Fisch, Gemüse, Broten oder gar Windeln – alles geht… Wir kaufen Pfefferschoten, die bekannten kleinen roten und grünen, und dann welche, vor denen gewarnt wird, geformt wie kleine, kugelige Paprikaschoten mit tiefen Einkerbungen. Unsere Premiere dafür kommt noch, aber Caroline sagt dazu, dass die nicht essbar seien, und Janna berichtet, dass sie eine geschmort hat und den ganzen Abend die Feuerwehr rufen wollte; sie hatte sich beim Kochen mit der Hand über den Mund gewischt… Lebende Hühner sitzen in Käfigen, sicher die hygienischste Methode frisches Fleisch zu erwerben, aber schlecht sieht das Fleisch von Rind, Schaf oder Ziege auch nicht aus, wir haben schon viel mehr Fliegen gesehen – ich bin nahe daran, einen Fleischwolf zu kaufen und einen kleinen Vorrat an Hackfleisch zu bereiten. Der Fisch macht auch keinen wirklich schlechten Eindruck, man müsste halt hingucken, aber im Creek sitzen wir ja an der Quelle. Trotzdem ist nicht alles „Deutschboot“-fähig: Die vorgefertigte Erdnusssoße aus dem Plastiksäckchen zum Beispiel. Geschöpft wird sie aus einem mehr als obskuren Eimer, und das Produkt selbst hat eine ebenso merkwürdige Farbe wie Konsistenz. Diarrhöe??  Dann lieber zum Leckeren: gibt Kartoffeln, Yams, Süßkartoffeln, Berge von Reis, große Blechteller mit Couscous. Dicke Bündel Süßkartoffelblätter, die wie Gemüse geschmort werden – all das verrät uns unser freundlicherGuide. Wir kaufen Okras, die gibt es ganz oder küchenfertig geschnippelt, Auberginen. Endlich weiß ich, warum letztere „eggplant“ genannt werden: In der bei uns üblichen Größe mögen das merkwürdige Vögel sein, die solche Eier legen – aber hier liegen ausser den bekannten länglichen – und echten Riesenbiestern – auch kleine, perfekt violett gefärbte „Eier“ auf den Tischen.
Was es nicht gibt, ist das, was wir die ganze Zeit erwarten – dass wir nun endlich zur Batikfabrikation, dem Schuh-, Stoff- oder Schmuckladen unseres Führers geschleust werden. Mitnichten. Stattdessen bietet er uns an, uns in seinem Auto nach Bakau zu fahren. Für einen „good price“… – und der fällt dann so aus, dass wir uns fragen, was das wohl für eine Karre sein wird. Kurze Zeit später steigen wir beschämt in einen älteren, aber sehr gepflegten, silberfarbenen Mercedes 200. „In style“ in die
Touristenenklave. Zum Einkaufen im Supermarkt (den wir dann doch nicht finden). Ostereinkauf dann demnächst wieder in Serrakunda – Mangos und lila Eier…

Bolonfahrt

Nein, kein Tippfehler…
„Bolon“ nennen sich hier die Seitenarme der Flüsse in den Mangroven. Und da man in Half Die die Schiffe nicht „without constant anxiety“, wie der Segelführer sagt, allein hätte liegen lassen können, und wir doch noch ein paar Besorgungen in Banjul machen wollen, haben wir uns nach Oyster Creek verlegt. Wir liegen in einem mangrovenumgebenen Ententeich und drehen mit einigen großen Pirogen Pirouetten im Tidenstrom. Ein britischer Langfahrt-Katamaran ist noch da und drei, vier ortsansässige Yachten.
In der Ferne rauscht ein bisschen Verkehr über die Denton Bridge nach Banjul hinein und unter der Brücke, hinter der Sandbank, die Atlantikbrandung. Sehr friedlich.
Die Nacht nach dem Einklarieren vor Half Die verbrachte die halbe Crew selig schlummernd unter dem Mosktionetz und die andere Hälfte… Naja, die funkte ein bisschen rum, schrieb Blogbeiträge, verrammelte den Niedergang mit dem Luftschott und die Decksluken von innen… Glücklicherweise gab es auch auf der PETITE FLEUR eine Phase der Aufrüstung, ich war also nicht allein. Dennoch – eigentlich habe ich bis 5 Uhr morgens auf „Besuch“ gewartet, hieß es doch, dass „…boats have been robbed while the owners were asleep on board…“ Den Eigner kümmerte das gar nicht, während ich Pfefferspray, Presslufthupe und Funkgerät bereithielt. Half Die, Half sleep…
Am Morgen ein etwas verkatert klingender Urs an der Funke, die Heiserkeit wohl weniger einem Alkoholgenuss geschuldet als dem schlechten Schlaf und der senegalesischen Yachtiepest, die mittlerweile dort angekommen ist. Im Gegensatz zur PRESENT (Janna), WANDERER (Reinhard), AKKA (ich) und PANTHERA (Holger) leisten sich aber die Blümchen alle beide eine kleine Infektion. Dennoch: eine weitere Nacht wollten wir hier nicht bleiben, und es geht los, zum Turnbull Bolon, der nicht einmal in den elektronischen Seekarten verzeichnet ist. Taktisch machen wir aus, dass die AKKA mit dem größeren Tiefgang hinter der kleinen PETITE FLEUR herfährt, und diese uns kritische Wasserstände herüberfunkt. Wir fummeln uns bis zur Einfahrt des Chitabong-Bolons vor – schon mal nicht so einfach, die Lücke auszumachen. Ich schaue angestrengt auf die Horizontlinie des Mangrovengürtels, bis ich in der Wasserlinie die Einkerbung entdecke. In der Einfahrt soll es dann „tricky“ sein, weil die Sände sich verschieben. Vor uns schlägt die Petite Fleur merkwürdige Haken – wir haben Springzeit und sind mit auflaufendem Wasser und 3 Stunden zum Hochwasser losgefahren, das sollte doch eigentlich passen. Passt auch – kurz nachdem wir ein „… nur noch 1,80 m…“ hören, saugt sich die AKKA schon im Mud fest. Während wir noch überlegen, drücken uns Strom und Wind wieder raus, und ein freundlicher Engländer, der mit einem Speedbötchen aus dem Bolon kommt, bedeutet uns, dass wir noch dichter an der Mangrovenkante entlang fahren sollen.
Kurzer Bedenkzeitkringel, Ruder mitschiffs, ein bisschen Gas und … durch. Vieleicht waren 3 Stunden zum Hochwasser doch noch ein bisschen früh, denn knapp war es, auch im zweiten Anlauf. Danach tasten wir uns nach Anleitung von Herrn Jones aus dem Jahre 1996 und mit Funkansage von Caroline durch die Mangroven. Touristenboote kommen uns aus Oyster Creek entgegen, einer winkt ab, dass wir da nicht durch können, aber wir sind sicher: steigendes Wasser – es muss; so tief gehen wir ja nun doch nicht!
Ein Auge auf dem Tiefenmesser festgenagelt, das andere starrt auf die Wasseroberfläche: nach einer Weile gewöhnt man sich ans Schielen, wir schlängeln uns voran. Nicht gerade Rekordzeit, als wir nach 1 Stunde und 45 Minuten in Oyster Creek den Anker fallen lassen – Herr Jones braust hier in einer dreiviertel Stunde durch, aber Spaß gemacht hat es schon.
Jetzt ist erst einmal aufräumen, AKKA säubern (unglaublich! Sahara allenthalben!), Brotbacken angesagt. Und Auskurieren auf Petite Fleur, natürlich. Und so ganz lange werden wir nicht allein bleiben – PRESENT und WANDERER machen sich morgen auf den Weg. Tipps für die Bolonfahrt sind schon gemailt… Und dann warten erst richtig viele Bolons auf uns, flussauf Richtung Mother Africa.

The Gambia

…. the Smiling Coast!

10. März, Banjul

Wie oft haben wir das heute gehört? Besonders von denen, die sich mit uns gern anfreunden wollten. Immigrationbeamte, die gern mal nach Deutschland möchten. Der Port Authority-Mitarbeiter im Schweizer Post-Hemd. Oder auch der schlichte Passant, der sich mal schnell als Customs Agent ein paar Dalasi verdienen will… Welcome to Gambia, the Smiling Coast. Schade, dass wir nicht „fussball“ sprechen – das scheint hier immer ein Thema zu sein.
Wir sind also ein Land weiter. Auch ein ganz schön schwarzes Stück Afrika. Soll ich loslegen? Alle Vorurteile belegen, die man so haben kann? Aber so isses nun mal:
Die Seaport Immigration. Kleines Kämmerchen in einer Lagerhalle. Dunkelweiße Wände mit braunem Absatz in Hand- bzw. Specknackenhöhe. Zwei Schreibtische, 3 Stühle, auf denen (auch auf den Tischen) sitzen 4 Immigration-Beamte. Und eine Lady in einer anderen Uniform. Die kriegt gerade von einem der Beamten eine Fußmassage verabreicht. Ich bin begeistert – das will ich auch, und es wird mir auch versprochen: „… my mother cried last sunday when the effect of the massage set in…“ Gelächter. Wir kriegen unsere Stempel und die Immigrationleute 15 $ pro Nase. Dafür machen sie nun eine schicke Tour zu den Yachten – 3 Mann hoch, abgeholt von meinem Schipper, der wie Caroline an Bord geblieben war. Schließlich liegen wir vor „Half Die“, einem der schlimmsten Viertel von Banjul, wie der Segelführer zu berichten weiß. Half Die heißt übrigens nicht wegen halbtot geschlagener Yachties so, sondern weil bei einer Choleraepidemie die Hälfte der Bevölkerung…
Während sich – wir hören es später – die Immigration jeweils an Bord ein paar vergnügliche Minuten bei kühlen Getränken macht, warten Urs und ich an der Mole geduldig auf unserer Dinghy-Umsteigestation, einem Schwimmbagger, und schäkern mit dem verbliebenen Beamten und der Besatzung. Siehe oben – Fußball und Smiling Coast. Es geht gegen Mittag, als Andreas die Fuhre zurück an Land bringt (eine verdächtige schwarze Plastiktüte wird wohl die Restposten an kühlen Getränken enthalten ?!). Auf zum Zoll.
10 Minuten Fu?marsch durch Half Die, nicht ohne vorher einmal missgeleitet beim Port Captain gelandet zu sein (kompliziertes Einchecken beim Pförtner inklusive), aber dann ein echt afrikanischer Zoll. Gibt es eigentlich auch Alt-Möbel-Sammlungen für Afrika? Nicht nur scheint ein Großteil der Bevölkerung meine abgelegten T-Shirts zu tragen (besonders sexy: der knackige Schlepperfahrer im schwarzen, durchbrochenen Häkelhemdchen!), nein, man sitzt auch auf einer wilden Mischung von Hockern und Wohnzimmersesseln und 4- bis 5-rolligen Bürostühlen. Die eine oder andere Beamtin hat sich schon der Wirkung der Mittagshitze hingegeben und schläft mitten im Gewühle ein Mittagsschläfchen. Kopf nach hinten auf der Lehne, Kopf nach vorn auf dem Schreibtisch – gerade so, wie die Gebrauchtmöbelsammlung es erlaubt. Wir geraten via Chefbüro an einen jungen, sehr strengen Zöllner, der vom Chef mit einem „pleeeeaaase“ überhaupt erst dazu gedrängt werden muss, uns abzufertigen. Natürlich mit Inspektion. Wie, schon wieder?
Die Rückfrage führt zu einer ansatzweise angestrengten Diskussion, aber ich habe mittlerweile gelernt, wo die Grenze zwischen „klein beigeben“ und „Sachverhalt klären“ verläuft. Den Grund für den Unmut erfahren wir auch gleich: Mittagspause und Gebetszeit… Das wird KOSTEN!! Also zurück zur Mole, dem jungen Mann ist nicht recht wohl, dass es nun eine Seereise gibt, noch dazu in unserem wackeligen Dinghy. „That’s too far!“ Das wird erst recht kosten!! Egal, wir ziehen das jetzt durch. Nach ein bisschen Geplauder und mal kurz durch’s Schiff gucken – ich präsentiere unser achteres Klo als unsere „Scheune“, das muntert auf! – wechselt viel zu viel Geld den Besitzer, aber irgendwie müssen wir ja weiterkommen. Und gemessen an den 50 US-Dollar, die neulich Heather und Marc hier gelassen haben sind wir mit umgerechnet 25 $ noch gut dabei. Aber: nix zu machen bei den Schweizern. Ganz steinhart wird sich Urs kurze Zeit später nicht erweisen, aber da gibt es einfach nicht mehr als 5 Euro. Geht doch – wieder was gelernt…
Landpartie, die dritte. Letzte Station „Port Authority“, da wo wir vorhin schon mal waren (Einchecken beim Pförtner, Passvorlage, Abmalen der Namen…). Mittlerweile rückt die Uhr auf 14, und mit ihr rückt die Weiterreise nach Oyster Creek an den Rand des Unwahrscheinlichen und wird auf morgen verschoben. Auch hier wieder ein bisschen hin und her, Urs muss mit einem sehr netten Mitarbeiter raus auf den Schwarzmarkt (Auschecken/Einchecken…), Dalasi eintauschen. Wir haben keine Euro dabei, und CFA nimmt man nicht. Ich warte derweilen, lese die Wochenschrift Foroyaa (Die Freiheit). Regierungskritisch, überraschenderweise. Im Regierungsbüro. Wo die Journalisten wohl sitzen? Die Zeitung verzeichnet nämlich einen Aufruf, eine seit einem Jahr inhaftierte kritische Journalistin freizulassen.
Dann geht alles ganz fix – wir kriegen unser Permit, den Gambia aufwärts zu fahren bis Jan Jan Bureh, dem alten Georgetown, und werden mit einem Handzettel, dass wir bei der Vorbeifahrt an Baboon Island die Schimpansen nicht ärgern sollen, entlassen – die regen sich nämlich auf über gestikulierende und schreiende Gaffer und springen dann vor Wut ins Wasser. Ohne Affen-Schwimmweste ganz schlecht. Wir werden jedenfalls keinen Chimp zum Ersaufen bringen, dazu freuen wir uns zu sehr auf den oberen Gambia.
Es soll ja nicht nur die Küste lächeln – die Schimpansen am Flussufer auch.

Saly und anderes aus Schwarzafrika

Frisch in Gambia angekommen noch schnell ein Rückblick auf die Woche in Saly: Wir haben es genossen!
Schwimmen ohne Choleragefahr, tauchen um den Rumpf (und schrubben). Jus de Bissap in der Strandbar des Hotels Espadon. Nicht mal die Jetskifahrer haben uns wirklich langfristig gestört – wenn es gar zu doll kam, schwamm Janna eben nicht das „magische Dreieck“ zwischen Petite Fleur, Present und AKKA, sondern verlegte sich aufs Aquajogging. Ich auch.

Ansonsten: Gemütliche Abende mit Len und Janna, mit Caroline und Urs, Internet (zeitweise) von Bord. Und beim letzten Sundowner im Strandrestaurant dann ein Prototyp für mich: Caroline, die Tüftler- und Bastlerin hat mir eine Decksdusche gebaut! Genial… Aus einer Wasserflasche mit zwei Schraubverschlüssen – einer davon vielfach durchstochen, ein Brausedeckel. Ein Liter Süßwasser reicht! Danke, Caroline! Bild folgt.

So schlimm wie erwartet war es in Saly mit dem Tourismus nicht – es gab in der Tat das eine oder andere schwarz-weiße Pärchen, aber augenfällig war das nicht, ebensowenig die Bemerkung, dass Afrika verjagt worden sei. Die Hotelanlagen waren so afrikanisch oder europäisch wie das Interconti in Nairobi oder anderswo, klar. Afrika lag zwar nicht direkt am Strand, da grillten die Franzosen und Belgier, und nicht einmal das in Massen, aber gleich dahinter begann es, ein fast normales Afrika-Dorf mit Fischerbehausungen, Pirogen am Strand, mit Hochzeitstamtam und muridischen Gottesdiensten. Die Gemüsefrauen freuen sich, wenn man täglich wiederkommt, Brot gibt es in der großen Krimskramsbude gegenüber. Zugegeben, dass wir die Wäsche in einer französisch geleiteten Wäscherei abgeben und gegen kleines Geld waschen lassen konnten, ist sicher dem Tourismus und den vielen Hotels geschuldet. Selbst mein voll gestopfter Seesack wirkte zierlich neben den riesigen Palmblattkörben mit der Hotelwäsche, aber die Gelegenheit war günstig. Finanziell und topografisch.
Die Wäscherin hatte angedeutet, dass es außer dem Supermarché Oasis Midi, downtown Saly, auch in Mbour Supermärkte gebe. Das könnte man ja mal probieren, dachten wir und arrangierten schnell einen Sammelausflug. Taxiverhandlung „on the go“, das kennt der geneigte Leser ja nun schon. Wir nähern uns Mbour, zweitgrößter Fischerhafen des Landes. Auffällig viele Pferdekarren – Caroline tippt auf Araberpferdchen, ich finde, sie sehen ganz schön „maulig“ aus, aber es fehlen die langen Eselsohren.
Und dann trifft uns der schwarzafrikanische Schlag: Riesengewühle auf dem Markt am Fischerhafen. Im Wasser Pirogen jedweder Größe, Pferde ziehen ihre Karren mühselig bis an die Bordwände und lassen sie beladen. Sehr tapfer, die kleinen… Es stinkt streckenweise bestialisch, und so habe ich keine rechte Lust, mir auch noch die Fischräucherei zeigen zu lassen. Wir drängen uns zurück durch die Massen – Menschenmassen, Abfallmassen, Warenmassen. Gemüse wird in Qualitäten verkauft, die ich unbesehen dem Kompost überantworten würde. Hüfthoch liegt der Müll auf einem Haufen, die ortsansässigen Ziegen suchen sich noch die schönsten Leckerbissen heraus. Frauen waschen Salat in undefinierbarer brauner Brühe. In den Seitengassen wird es dank der nahenden Siesta etwas ruhiger, zumal auch das Freitagsgebet die Straßen fegt. Wir horchen eine Weile an einer katholischen Kirche einem Gottesdienst – die ehemals animistischen Sérére dieser Gegend sind christianisiert, im Gegensatz zu den anderen Volksgruppen, die fast ausschließlich islamisch sind. In den staubigen Gassen sitzen nur noch wenige Händlerinnen, wir begucken selbst gebundene Palmstrohbesen, probieren Baobabfrüchte, begucken mysteriös ausschauendes grünes „Couscous“ und kaufen einen kleinen Bissap-Vorrat. Und sind froh, als wir dann durch die Bullenhitze wieder zu unseren Schiffen gekarrt werden. Home sweet home, oder besser: boat sweet boat…

Viecher, Viecher

Wieso bloß habe ich die „Birds of East Africa“ nicht an Bord? Und alle die anderen Bestimmungsbücher??
Als wir uns nämlich von Dakar kommend der Küste wieder annäherten, hatten wir die ersten Besucher. Eine Wegwespe, Schmetterlinge, Fliegen… Meine Begeisterung nahm zwar schlagartig ab, als sich auch eine Schabe an Deck einfand, aber im Endeffekt freut es mich ja doch. Was mich nicht so freut, ist, dass ich eigentlich jegliche Art von Artenkenntnis in allertiefsten Schubladen vergraben habe. Wenn ich früher froh war, mal eine Insekten-oder Pflanzenfamilie zu erkennen, muss ich mich heute schon mit Ordnungen begnügen … So saß ich dann wie der letzte Tourist auf dem Pick-Up, der unsere Seglergemeinde vorgestern in ein kleines Reservat karrte, 15 km von hier. „Visit Bandia“ hieß es, und wir nutzten den Ausflug als Appetizer für die afrikanische Wildnis. Len meinte, sicher noch unter Dakar-Eindruck stehend, dass er „now understands that people fall in love with Africa…“ . Nicht wirklich umwerfend, dieses kleine Stück Savanne, aber doch schön anzuschauen. Leider hatte das dort wirkende Nashornpaar gerade seinen freien Tag – es hatte uns zwar ein paar dufte Kugeln auf dem Weg hinterlassen, aber auch längeres Umherrumpeln zwischen den Bäumen konnte sie nicht hervorlocken. Andere Kollegen waren aber „on duty“: Kap-Elands, Pferdeantilopen, Impalas, alles Gastarbeiter aus Südafrika, wie einiges andere, das sich hier unter Hunderte von großen, kleinen und einigen riesigen Affenbrotbäumen versammelt. Giraffen fummelten mit spitzen Lippen die Akazienblättchen zwischen den Dornen heraus. Riesenschildkröten hatten sich schattensuchend in Löcher verkrochen. Krokodile plierten auf die Touristen am anderen Ufer – ob da nicht doch ein appetitlicher Brocken zum Lunch dabei wäre? Vielleicht eine hirnlose ex-Biologin, die sich angesichts der Vogelwelt gerade mal der Hornbills entsann, der kurz- und langschwänzigen Glanzstare und nach minutenlanger Bedenkzeit beim Afrikanischen Perlhuhn auf „Guinea Fowl“ kam… Zum Insektengucken konnte es glücklicherweise nicht kommen, weil wir ja auf dem Pickup eingesperrt waren. Sehr gut, es hätte mich nur weiter desillusioniert.
Aber schön war es doch, mal wieder Viecher in halbwegs freier Wildbahn anzuschauen, und nun werde ich in Banjul mal zu „TimBookToo“ gehen. Soll ein guter Buchladen sein. Hoffentlich hat er Bestimmungsbücher vorrätig.

So ist das Leben

…. hier im Senegal: Sonntagmorgen, 10 Uhr. Es geht los. Am Strand wehen Segel auf kleinen Hobie-Kats, die bald über unsere Ankerkette stolpern werden, und die ersten Jetskifahrer sind auch schon aus den Betten gefallen – wahrscheinlich haben sie ein französisches Frühstück hinuntergeschlungen und dann ungeduldig gewartet, endlich wieder durch die Wellen knallen zu können. Muss das schön sein, das geht so richtig auf die Knochen! Wendemarke: Das Seglerdreigestirn – AKKA, PRESENT, PETITE FLEUR. Abends gibt es dann wahrscheinlich eine Portion Ibuprofen oder Diclo zum Diner…
Dakar, das sich zum Schluss schon ganz heimatlich anfühlte, liegt hinter uns. Wir sind in Saly. Der Reiseführer sagt: „Afrika scheint abwesend zu sein, man hat es verjagt. …künstliche Dörfer, antiseptisch…“ An Land waren wir noch nicht, das wird bestimmt der nächste Kulturschock nach dem Moloch: in der Geräuschkulisse überwiegen bis 10 Uhr abends noch die nahegelegenen Moscheen (extrem weit scheint Afrika also nicht gejagt worden zu sein?!), dann übernehmen für eine (überraschend kurze) Weile die Hotels mit Diskogedudel. Aber da wir sehr weit draußen liegen, stört uns das weniger als das gelegentliche Geschaukel im Schwell vor der offenen Küste. Und nun sind wir mal gespannt, wie sich das touristische Umfeld präsentiert, denn der Reiseführer schreibt auch eindrücklich von alternden Orientalen und Westler(inne)n, die sich dem Charme der jungen Senegales(inn)en hingeben. Das Zentrum des Sextourismus im Senegal, voilà . Und unser Zwischenstopp auf dem Weg nach Gambia. Dafür konnten wir am Abend nach einem halben Tag Motoren und Wassermachen ein paar Mitbringsel aus Dakar vom Rumpf ernten: eine Handvoll Entenmuscheln. Man kann nämlich schwimmen, wenn das kein Grund ist hier zu ankern.
Schwimmen konnten wir gestern auch unterwegs. IN der AKKA… Naja, jedenfalls beinahe. Die automatische Bilgepumpe hat ihren Test bestanden. Entsprechend überrascht waren wir: 30 cm hoch stand das Wasser, in der Kühlbox. Man könnte sagen: so ein Quark, denn der hat’s gemacht. Mittags gab es einen Abschiedsgruß aus Dakar, Obst mit frischem, kühlem, teurem Quark aus dem CASINO-Supermarkt; dass ich den leeren Becher auf den Spülenabfluss gestellt hatte, fiel uns erst auf, als es zu spät war. Peu à  peu hatte der Salzwasserabfluss vom Wassermacher erst das Becherchen gefüllt ( und das überlaufende Becherchen hübsch fest auf den Abfluss gedrückt), das Becken gefüllt, und dann die Arbeitsfläche, von wo es fröhlich in Kühlkiste und Bilge gluckerte. So eine Ferkelei…
Jetzt ist Sonntag angesagt. Sahara entfernen, ehe sie wieder angeflogen kommt. Und das tut sie. Unsere gestern in Salzwasser gespülte Moskito-Festung für das Cockpit nimmt schon wieder leicht bräunliche Färbung an. So ist das Leben…