Für Holger und Mitleser…
ganz schnell, weil das TO-Forum keine Bilder mehr erlaubt, ein Bild von den überschneidenden Windbarbs beim GFS-Modell.
Es geht um diesen Thread
Geradezu grotesk:
Gruß
Andrea
Für Holger und Mitleser…
ganz schnell, weil das TO-Forum keine Bilder mehr erlaubt, ein Bild von den überschneidenden Windbarbs beim GFS-Modell.
Es geht um diesen Thread
Geradezu grotesk:
Gruß
Andrea
Scarborough, 10.5.2014
Wirklich! Ganz schwierig! Die Entscheidung, wie und wohin es weitergehen soll.
Waren wir die ganze Zeit auf „Papua-Neuguinea links liegen lassen“, kam gestern eine kurze Phase von „mitten rein“ – oder vielleicht nicht mitten hinein, aber doch mitten durch die Inselwelt. Das hätte bedeutet: ein bisschen die Küste Australiens hochwurschteln und und dann – zack! – zu den Louisaden. Panasia und Co. Und dann zu den Hermit Islands. Papua Neuguinea. Das wäre ein Ziel.
„PNG links liegen lassen“ heißt: die Solomon-Islands-Variante. Nochmals – da hüpft das Herz! – Vanuatu, dann zu den Solomonen und ein bisschen Mikronesien. Pacific Islands revisited, möchte man sagen. Hat was. Ist aber die längste von allen Varianten Richtung Singapore/Malaysia.
Nun sind die Solomonen (wie, zugegebenermaßen auch Papua Neuguinea) nicht so ganz durchgehend „astrein“, hinterher geht es weiter durch das schöne, einsame, weite Mikronesien (was einen fürchterlichen Verproviantierungsmarathon nach sich zieht) und nach Palau. Von dort direkt zu Abu Sayyaf auf den Philippinen. Das wäre doch ein schönes Abenteuer (jau, ich habe mich gerade dieses Scherzes wegen vollflächig auf Holz gelegt, besser ist besser). Frage: wie viel Herzklopfen wollen wir?
Alternative: „Torres Strait“ und gleich nach Indonesien?! Heute schreibt LOP TO Grässliches vom feucht-heißen Klima in Thailand und „…wenn Ihr in unsere Richtung kommt, nehmt Euch mehr Zeit für Indonesien!“ Allerdings: kein Wind. Dafür liegen Orang Utans am Weg…
Gestern schrieb die KIRA zur der Palau/Philippinen-Strecke: „Sensationell… aber zu wenig Zeit für Mikronesien!“
Alles muss man selbst entscheiden, das ist nicht sehr kumpelig. Klar ist einzig, dass wir nicht alles haben können.
Also gehen wir am kommenden Montag aus dem Wasser, und bis dahin wissen wir hoffentlich mehr. Der Eigner strickt gerade mit Hochdruck an der Route durch’s Barrier Reef. Also doch Torres Strait?!
Ma‘ gugg’n.
Scarborough, 30.4.2014
Ehe der April zu Ende geht, soll da wenigstens noch ein zweiter Beitrag stehen. Zu bloggen gab es wenig oder viel aus Deutschland. Viele Kilometer, wenig Zeit. Zu wenig Zeit, ehrlich gesagt.
Was gab’s in den 3 Wochen nach Görlitz?! Ganz viel „ex“: Len und Janna auf ihrem Landsitz in Holland. Ex-Segler. Mit Henrik und Herbert in der Autostadt. Ex-VWler. Die Familie in Aurich. Ärzte im Ruhestand. Kaffeetrinken im Café eines ex-Kollegen in Müden/Örtze. Ein denkwürdige Runde durch die ex-Firma in Hannover und ansonsten gefühlte 1000 Umarmungen – „…was macht Ihr denn hier?“
Auffällig an all dem ge-exe: so viele der alten Kontakte orientieren sich „neu“. In Richtung barrierefreier Wohnungen und so. Das gibt zu denken…
Aber – vorbei, vobei! Jetzt kommt der Alltag wieder. AKKA muss kurz raus aus dem Wasser und dann fertig gemacht werden für die Weiterreise. Wohin? Planen wir noch dran rum!
Isernhagen, 9.4.2014
Die ersten 10 Tage des Deutschlandurlaubs sind schon um, kaum zu fassen.
Für Berlin brauchten wir schon den ersten Nachschlag, denn wir hatten kleine Großneffen und -nichten zu besichtigen, das neue Café in der Linienstraße (lohnt sich: Atelier Cacao ) , eine Pizzaschlacht in Friedrichshain war zu schlagen. Einen Nachmittag haben wir mit Shirin am Gendarmenmarkt herumgelungert und alte Rallye- und Afrikatage heraufbeschworen, Leute geguckt und Joschka Fischer vorbeischreiten sehen; zum Schluss gab es mit Shirin, der ex-Afrikanerin, deutsches Essen im Augustiner, und unser Chef hat sich tatsächlich eine Haxe angetan. Danach kamen Spreewälder Gurken in Lübben (mit Verwandtenbeilage) , aber so richtig exotisch wurde es in Görlitz: eine tolle Stadtführung durch die Renaissance- und Barockschätze der Stadt – absolut empfehlenswert! Wir hätten nicht nur die Stadtführung mit der wirklich fantastischen Monika Knechtel um Stunden verlängern können, sondern den ganzen Aufenthalt. Unser Hotel lag inmitten einer Mischung aus renovierten Häusern und unrenovierten in desolatem Zustand, aber wenn wir 3 oder auch 10 Jahre zurückdenken, hat sich Unglaubliches getan. Also schwelgten wir erfolgreich in Kaufmannsgeschichte(n) und Schwib- und Strebbögen, Renaissancedecken und napoleonischen Hinterlassenschaften. Toll – wer kann, sollte sich das mal anschauen, denn Görlitz ist eine der wenigen Städte in Deutschland, die fast völlig ohne Kriegsschäden davon gekommen ist, und was der Zahn der DDR-Zeiten abgenagt hat, wird nach und nach renoviert. Für den Rest der Exotik sorgten Moh’kucha und Umgebindehäuser im Zittauer Gebirge, wohin uns Andreas‘ Cousins für einen frühlingshaften Nachmittag entführten, toll und vielen Dank dafür!
Und dann der deutsche Einkauf beim Realkauf gestern abend… Nichts ist mehr, wie es mal war und doch alles so wie immer. Unsere Nachbarn empfingen uns mit heißen Würstchen, wir konnten Görlitzer Senf beisteuern, aus dem dortigen Senfladen.
Und jetzt – wird es ganz exotisch! Meine MIELE-Waschmaschine, ein, man stelle sich vor, Frontlader wäscht auch die dreckigste Reisewäsche sauber. So etwas gibt es eben nur in Europa. Echt exotisch…
Wir sind dann mal hier!
Großes PS:
Wen es interssiert kann ein paar Fakten zur Bahnreise nachlesen – wir haben eine neue Seite unter „Wissenswertes“ erstellt – bitte hier entlang!
Und wer mag, kann sich auch unsere GoogleMaps-Darstellung von der Bahnreise anschauen.
Zwischen Moskau und Brest, 30.3.2014
Was war das kalt in den letzten beiden Tagen! Nicht, dass wir jetzt die warme Bude im Zug so richtig angenehm empfinden würden, da ist’s dann wieder gleich ein bisschen zu trocken, aber die schönen, frühlingshaften Temperaturen vom Ankunftstag hätten ja durchaus für unseren Moskauauenthalt durchstehen können.
Dass Vladimir Iljitsch L. am Freitag frei hatte, hieß nicht, dass man nicht doch Schlange stehen musste. Und wie! Unschlagbarer Vorteil unseres Hostel in der Merzliakovsky-Straße war ja, dass man vorbei an vielen, schönen klassizistischen Gebäuden ziemlich schnell am Roten Platz war, also auch ganz schnell am Ticketschalter für die „Rüstkammer“ des Kreml, wo wir uns a. an Gold berauschen und b. ein bisschen aufwärmen wollten. Das war der Plan. Die Schlange am Kartenschalter war lang genug, um mir zu erlauben, noch einmal Geld tanken zu gehen – ATMs sind uns auf dieser Reise nie ausgegangen, so auch hier nicht, aber manchmal artet die Suche nach Bargeld doch in eine richtige Expedition aus. Und dann hat man dann auch noch so ein Dussel vor sich, das seine Karte mindestens 8 Mal wieder reinschiebt und den Automaten um immer geringer werdende Beträge anbettelt (vergeblich, übrigens). Das dauert. Also musste Andreas aus der Schlange ausscheren und bis ich wieder da war, hieß es „Njet! Keine Tickets bis 13:45“. Begeisterung allenthalben, bei uns, bei den Italienern, den Holländern wie den Russen ringsum. Also warten. Als wir die Karten endlich in der Hand hatten und ins Kremlgelände gewandert waren, warteten wir nochmals auf den Einlass ins Armoury – im eisigen Wind, aber immerhin mit Unterhaltung durch die vorbeigleitenden Regierungslimousinen. Mercedes, Mercedes, Audi. Mercedes. BMW. VWs nur für die niederen Chargen, wahrscheinlich. Man hatte wirklich den Eindruck, im Zentrum der Macht angekommen zu sein,
und diese Macht fährt „deutsch“… Um 14:30 ging’s ans Aufwärmen, endlich – und, was soll ich sagen: es ließ mich kalt. Du liebe Güte – so viele hässliche Goldpötte und Schalen und Samowars und Bernstein-Obsthalter, Zarenmitbringsel, klerikale Prachtklamotten und Fabergé-Eier. Doch, doch, das ist alles sehr prächtig, aber ich konnte mir zu keinem Zeitpunkt den Gedanken verkneifen, wer für so viel Reichtum wie lange hat als Leibeigener schuften müssen. Die Ausstellung ist für mich die Quintessenz feudaler Systeme. Interesssant, ja. Wesentlicher Tagesordnungspunkt?! Nö, nicht wirklich.
Der Rückweg führt über den Kathedralenplatz im Kremlgelände, an einer Ansammlung von gewiss berühmten Zwiebelturmkirchen und -kapellen vorbei, wo wir kurz vor Feierabend noch schnell bei der heiligen Katharina (es war wohl eher der Erzengel Michael…) vorbeischauen – eigentlich ist das alles mehr Klerikales, als meine Hutschnur halten kann * . Wir lassen uns durchpusten, weg ist die Wärme aus der Rüstkammer. Wie gut dass der Heimweg kurz ist, und auf der Bolshaya Nikitskaya ein „Schokoladen-Café“ liegt. Wie schnell man doch ein „Stammlokal“ für sich findet. Und so ganz unpolitisch…
Wirklich interessant wurde abends die Unterhaltung mit Leonid und Marina, die ihrer Tochter ebenfalls die Rüstkammer mit all ihrer Pracht vorgeführt hatten – sie hatten uns in der Schlange bibbern sehen.. „Das ist unsere Geschichte! Toll – so viel Reichtum!“ Ich bin baff – das hätte ich nicht erwartet. Und ganz ehrlich – ich hatte insgesamt ein sehr viel sowjetgeschichtslastigeres Russland erwartet; die Einlassungen von Anton in Irkutsk hatte ich als Einzelmeinung aufgefasst. Wie naiv! Was wir fanden war ein ziemlich „putinsches Dorf“, sozusagen. Zustimmung zu all diesen zentristisch-nationalen Vorstellungen, alles wunderbar – und bitte nichts hinterfragen. Erst etwas später im Gespräch, als um Demokratie geht, kriegen wir ganz langsam die Kurve. Ich kam mir ganz schön „links“ vor mit meiner grünlich-rötlich schimmernden Meinung.
Zum Ausgleich gab es am Sonnabend nochmals eine Portion Stalinismus. Noch eine Warteschlange in der Kälte, dieses Mal für Vladimir Iljitsch Lenin. Unter den Augen von Marschall Shukov, der jetzt zackig, nein, nicht nach Deutschland, sondern in Richtung Four-Seasons-Hotelklotz reitet, marschierte ein Häuflein Veteranen mit roten Fahnen und Sträußen von roten Nelken in Richtung Roter Platz. Veteranen müssen nicht anstehen, und sie müssen auch nicht eine weitere Warteschlange über sich ergehen lassen, die nämlich, wo man seine Kameras und Telefone und größere Gepäckstücke abliefern muss, drum haben wir die „Show“ nicht verfolgt – bis wir am Mausoleum angekommen waren, hatten die alten Herrschaften schon den Rückweg angetreten. Am Mausoleum selbst (dafür dass Lenin der Verwirklicher der kommunistischen Idee war, hat er ein denkbar kleines. Das können Mao und Onkel Ho besser!), am Mausoleum also herrscht strenge Ordnung: die militärischen Bewacher scheuchen einen in die richtige Richtung, treiben zur Eile an, pfeifen Andreas an, seine Mütze abzunehmen und zischen „Ruhe“, bei Bedarf. Man stolpert durch’s Stockdunkel einige Stufen hinab und wieder hinauf, so dass „er“ dann erst recht als „Lichtgestalt“ in seinem gläsernen Sarkophag liegt. Einige Zungen – von böse will ich gar nicht sprechen! – behaupten, dass es eben nicht Vladimir Iljitsch ist, der da liegt, sondern ein Stellvertreter aus dem Hause Tussaud. Auch wenn man sich rühmt, dass sowjetische Wissenschaftler für Lenin eine Balsamierungsmixtur ersonnen haben, die ihn bis auf den Tag unversehrt hier (er)scheinen lässt – mit gefällt die Idee der Wachsfigur, alles andere fände ich auch irgendwie… unwürdig. In 5 Minuten ist man wieder draußen und schreitet nun noch die Reihe der bisherigen Politpromininenz ab – schon auf dem Hinweg die Mauer entlang reihte sich eine Gedenkplatte an die andere, mit der vorwiegend russische, aber auch viele ausländische Helden der kommunistischen Revolution geehrt werden; und hier, in der Reihe der Erdgräber mit Büste, steht gleich als erstes Tchernenko. Ich trete, um den Gedenkstein lesen zu können, auf die Platte davor. Oh, nein – Anpfiff! Aber da ich den Namen vor mich hin murmele, habe ich einen Job als Führerin gewonnen: ein freundlicher, aber doch schon recht alterssichtiger Herr aus dem fernen, fernen Osten Sibiriens (sagt mir die Optik) lässt sich nun alle Namen von mir vorlesen: Frunse, Kalinin, Sverdlov, Breshnev, Andropov… Und da sind sie dann, die roten Nelken der Veteranen! Natürlich. Das einzige Grab mit Blumen ist das von Stalin. Ob die mal im Gulag-Museum waren?!
Wir fliehen den kalten, Roten Platz – dicke Schals und Mützen sind an diesem Samstagnachmittag Pflicht. Erst gibt es einen Salat unterm Glasddach des Kaufhaus Gum, durch das die Sonne wärmend fällt, und danach kommt noch ein letzter Programmpunkt: Metrostationen. Nach ein paar Suchrunden um die Station Ochotny Rjad (wer hat denn da eine solch bombige, mehrstöckige Shopping Mall unter die Erde gebastelt?!) finden wir den Weg zur Teatralskaya und von dort zur Metrostation Majakowskaya. Uns fällt der Unterkiefer runter: Art Deco-artige Säulenverkleidungen, Marmor, oben drüber Deckenkuppeln, die von Lampen und von vergoldeten Insignien der Sowjetzeit gerahmt sind: Sterne sowie Hammer und Sichel. Und in deren Mitte wunderbare Mosaike mit heroischen Motiven der Sowjetzeit. Sport, kultur, Militär. Prachtvoll – und nicht so protzig wie der Zarenkram.
Wir belassen es bei dieser Kostprobe – vielleicht wäre Stalins Lieblingsstation Krasnojarskaya noch ganz interessant gewesenund die anderen eigentlich auch, aber das wäre eine Moskau-Exkursion für sich.
Wir streben heim. Rucksack packen, denn heute ging es früh los. Wir rollen gerade durch Minsk – tschüss Rossija – moin, Belorus! Die EU rückt näher…
—————-
* eben glitten auch draußen wieder miese Wohnblocks und Garagenanhäufungen vorbei, die sich um eine frisch vergoldete Zwiebelturmkirche gruppieren. Uff… Mit Kirche hab ichs wirklich schwer und hier erst recht.
Moskau, 28.3.2014
Ein schönes Viertel haben wir wieder erwischt: Tverskaya heißt es, oder so ähnlich , richtig was für feine Leute des 19. Jahrhunderts. Und darum hat Vladimir Iljitsch L. mal in diesem Haus gewohnt, 1906.
Heute hat es eine Panzertür, ein Magnetschloss, einen Wachmann im Flur, und ganz oben, im „vierten Stock“, der nach unserer Zählung der 3. ist, wurde eine riesige gutbürgerliche Wohnung zum Hostel umgebaut. Bevölkert ist dieses zur Zeit sehr bunt, wir sind die einzig verbliebenen Nicht-Russen, ein türkisches Paar ist gestern abgereist. Der Rest sind Familien (es sind schon Frühjahrsferien), ein paar Studenten (ich vermute vorzugsweise Bewerber für’s Konservatorium), und es geht alles sehr freundlich-russisch zu, man sitzt zum Frühstück und Abendbrot in der Gemeinschaftsküche, lässt sich die Sonne auf’s Haupt scheinen und schwatzt, was die Sprachkenntnisse so hergeben. Mit Marina und Leonid – ja, ja, ein Kind der Breschnew-Zeit, aber eigentlich ist er Kubaner – geht das besonders einfach, und man erfährt auch mal ein bisschen was zur „russischen Seele“. Zum Beispiel dass es dem Standardrussen mehr als schwer fallen würde, für eine lange Zeit oder gar für immer woanders hin zu ziehen. Entwurzelungsangst ist ein echtes Problem, und darum arbeitet Leonid auch in Moskau, während Marina mit der kleinen Mania (=Maria) weiterhin in St. Petersburg lebt (und, na was wohl, Spanischunterricht gibt).
Wie entwurzelt haben sich bloß Gulag-Insassen gefühlt? Wir waren gestern im Gulag-Museum, wirklich sehr grausig und sehr sehenswert. ein bisschen Russisch müsste man sprechen, dann wäre der Besuch noch lohnender. Sehr beeindruckende Filmdokumente und Zeugenaussagen und viele, traurige Rehabilitationsbescheinigungen, die nach Stalins Zeiten auch posthum ausgestellt wurden. Erschütternd.
Überhaupt gucken wir intensiv danach, wie sich das Russlandbild unserer Jugend vom heutigen unterscheidet. Roter Platz zum Beispiel. zunächst mal ist der kleiner als gedacht (Tiananmen war’s ja auch…) – diese Paradebilder, die wir im interkopf haben sind hier aufgenommen worden?! Natürlich ist der Platz voller Touristen (von wegen: „… la place rouge etait vide…“). Die Roten Sterne sind nur noch auf dem Kreml zu sehen, der Rest ist vergoldeter Zierrat geworden, und das Kaufhaus „Gum“, tja… das ist der Konsum-Overkill. Unfassbar, und recht unbelebt. Wer allerdings oligarchenmäßig von den „Sanktionen“ betroffen ist, geht halt hierher – oder, noch besser, in die nicht touristenverseuchten kleineren Einkaufsparadiese, die sich in diversen großbürgerlichen (oder -fürstlichen?!) Häusern verbergen. Da sind die feinen Geschäfte in den Seitenstraßen der Bolshaya Dmitrovka und Ulitsa Tverkovskaya – vom Gulag zu KITON und CARTIER ist es kaum „zweimal lang hinschlagen“. Da wir den Wohlstandsstatus bekanntlich in Porschedichte messen, müssen wir dazu sagen: ein VW Touareg muss hier als popelig gelten, Porsche Cayenne ist die bessere Babykutsche und Papa fährt mit dem Panamera bei Christian Louboutin vor (jau, musste ich auch bei Wiki nachschlagen!) und holt Muttern noch 15 cm hohe Hacken mit roten Sohlen. Ich weiß, unsere Sichtweise ist ein bisschen kleingeistig, aber so isses, und die Kehrseite davon ist die – durchaus vor Louis Vuitton – hockende Rentnerin mit dem bettelnd hochgereckten Plastikbecher.
Die Kehrseite ist auch, was wir vom Zug aus sahen – zunächst mal 4 Tage viel Birken, sanft gewellte Landschaft, Schnee und Schneeschmelze – und dann prächtige Kirchen mit vergoldeten Dächern, die Orte überragten, die aus schwarzem Schlamm, zerfallenden
Holzhäusern und Industriebrachen zu bestehen schienen. Trotzdem ist die Moskwitch- und Lada-Dichte gering, man fährt japanisch, gern Rechstlenker, offensichtlich schicken die Japaner ihre abgelegten Autos auch gern nach Russland.
Die Bahnreise fanden wir toll, aber wir sind ja bekanntlich auch ein
bisschen einfach im Hirn. Das war viel Schlafen, Lesen (endlich mal Zeit für den etwas schwierig zu lesenden Richard Dawkins, The Greatest Show on Earth!), Schlafen, Essen. Highlight für Andreas war es, mal in ein „1st Class Restaurant“ , i.e. in den Resataurantwagen in (langer) Unterhose einzurücken – wir haben uns dem russischen Dresscode nur in dieser Hinsicht angenähert und Funktionshosen getragen, ansonsten T-Shirt: ein Doppelripp-Unterhemd stand leider nicht zur Verfügung, Andreas hatte statt Adiletten auch eigene FlipFlops mitgebracht (Stiefel sind hier immer und überall völlig „out“, hier herrscht ein strenges „Schuhe-aus“-Regiment). Ich habe die von der Bahn gelieferten Wegwerf-Puschen getragen. An den größeren Stopps stieg man dann mal auf den Bahnsteig, Füße vertreten, Eisenbahntechnik gucken (zum Beispiel, wenn die Eiszapfen unter dem Wagen abgeschlagen werden, wo die wohl herkommen?!), Milch am Bahnsteigkiosk kaufen. Dresscode: ja sicher! Unterwäsche mit dicker Jacke. Es waren aber außer Trainingshosen auch schöne Negligés und Morgenmäntelchen zu sehen.
Durchgehend bis Moskau waren wir mit Mikey aus London zusammen, einem 19-jährigen Schulabgänger, der seine vor-der-Uni-Reise nach Vietnam zum Kummer der Eltern mit einer Eisenbahnheimreise kombinierte; ein sehr angenehmer Reisebegleiter. Und wir hatten von Irkutsk bis Novosibirsk Simjan im Abteil, einen ziemlich umfangreichen Menschen aus dem fernen Osten, keinerlei Fremdsprachen mächtig, die er mit uns hätte teilen können. Simjan residierte über Mikey in der oberen Koje und ließ sich zum Essen aber auf des schüchternen Mikey Bett fallen. Und „essen“, das war Dauerprogramm. Dennoch war es sehr lustig, vor allem für Andreas, wenn Simjan mit dem gleich umfangreichen Abteilnachbarn den Gang verstopfte, an denen sich dann die dicke Frau Fuchs (wahlweise auch die noch dickere Zug-Köchin) vorbeiquetschen musste. Nachdem sich Simjan nachts in Novosibirsk herzlich verabschiedet hatte, sagte Mikey: „… ich habe noch nie einen zweihändigen Händedruck erhalten…“. Er war im wahrsten Sinne „beeindruckt“. Schade um unsere Sprachlosigkeit!
Rein technisch war dieser Zug, der in Irkutsk schon 3 Tage aus Vladivostok unterwegs gewesen war, der zweitbeste nach dem pfuschneuen zwischen Nanning und Beijing. Wie schon zuvor ein „Waggonbau AG Ammendorf“-Fabrikat, dieses Mal aus dem jahr 1993, aber nicht mehr mit Kohleheizung, sondern sehr modern elektrisch beheizt. Zum Frühstück und auch mittags und abends kam die Köchin mit Pirashka vorbei, die wir gern angenommen haben, und eine „Mahlzeit“ am Tag hatten wir mit dem Ticket gekauft; ein Teller Borscht und ein bisschen Fleisch und Reis oder Nudeln. „Gemüse“ gab es auch: kalte Erbsen aus der Dose, abgezählt, so zwischen 12 und 15 Stück! Dafür war die Soljanka im Zugrestaurant wirklich gut und der Salat eine echte Wohltat in diesen salzcrackerreichen Zeiten.
Natasha und Katharina lösten sich tapfer mit dem Waggonservice ab, und wandelten sich ständig von Kittel-beschürzter Mamuschka, die Klo und Abteile sauber hielt (und gern zur Unzeit die Klos verschloss!) in Schaffnerinnen, die fesch uniformiert auf den Bahnhöfen die Waggontüren bewachten. Viel reden konnten wir auch hier nicht, aber für ein ein freundliches Miteinander reichte es. Nach 84 Stunden waren wir dann da. TransSib „gemacht“. Tolle Leistung. Ich glaube, Mikey war wirklich ein bisschen stolz. 84 Stunden rumlungern, das ist für ein Londoner Stadtkind auch wirklich eine Leistung. Für uns war’s „Normalprogramm“, wie eine Ozeanpassage ungefähr. Angenehm.
Und nun ist Moskau dran – wir haben noch zwei Tage. Gestern ging es Lenin gar nicht gut, er soll sehr wächsern ausgesehen haben, und daher wurde das Mausoleum vorzeitig geschlossen; morgen ist ein neuer Tag, ein neuer Versuch, ihm einen Besuch abzustatten – heute, also freitags, hat Vladimir Iljitsch nämlich sienen freien Tag!
Mal gucken, was der Kreml von innen zu bieten hat! Wir müssen los! Bilder folgen!
Irkutsk, 22.3.2014
Fühlt sich ganz merkwürdig an, diese Stadt! Als wir am Dienstagmorgen um 6 eintrafen, las das Thermometer am Bahnhof moderate -5 °C. Man wackelt auf unsicheren Sohlen über vereiste Bürgersteige und schlaglöcherige Straße Richtung Transsib-Hostel; die Leute sehen frühmorgens, wie ich mich entschieden habe, wohl weltweit muffig aus, so auch hier. Lächeln is‘ nich‘!
Klingeln bei der Nummer 8, so stand es in der Mailanweisung, aber die Tür ist schon offen, und als wir eintreten kommt der erste Schub von „Kindheitserinnerungen“: ein muffig-feuchter Kellergeruch steht im Eingangsbereich des Mietshauses,.wie im Haus meiner Kleinkindertage, wo sich im Flur ein Falltür zum Keller öffnete. Genau so!
Wir stiefeln mit unseren Rucksäcken die Treppen hinauf – das „Hostel“ besteht aus einer Privatwohnung mit 3 Zimmern und einem großen Gemeinschaftsraum mit Küche; ein bisschen WG-mäßig. Wir sind früh dran, viel zu früh, denn die Betten sind noch belegt, was vor allem unserem Patienten nicht gut tut, aber immerhin gibt es eine heiße Dusche und einen großen alten ausgelatschten Sessel, in dem Andreas versinken kann. Und Tee und Kaffee können wir uns machen. Anton kommt dazu – ein sibirisches Pokerface mit deutlich schlechter Laune an diesem Morgen: frühe Gäste sind ihm ein Graus, aber er tau(ch)t dann doch rasch aus dem Morgengegrummel („… hoffentlich ist es nicht die chinesische Grippe…“ ) auf. Ein weiterer Gast tritt auf die Bildfläche, Dasha bringt Töchterchen Polina zum KIndergarten und bereitet dann unser Zimmer vor. Russisches Familienleben.
Anton ist gerade von einer Eiswanderung auf dem Baikal zurück und kann ziemlich viel erzählen, vom See, von der Fauna – und von all den Unarten, denen sie auf dem Eis (und sicher auch im Sommer ohne Eis) Bahn geben. Wir sind bei den wilden Kerlen angekommen! Anton hat eine Tourfirma, die sich „Baikal Adventures“ nennt. – irgendwie bedauerlich, dass Andreas‘ Erkältung noch nicht besser ist, so ein bisschen Eiswandern wäre nicht schlecht; es muss ja nicht gleich eine Überquerung sein. Geschweige denn „einmal längs“, wie es manche gern tun. Zum Beispiel verrückte Mountainbiker…
Grundsätzlich hat sich im Vergleich zu China für mich einiges geändert: die Sprachlosigkeit verliert ihre Schrecken, weil ich, wenn auch mit einigem Zeitaufwand, wieder vieles lesen kann. Verhungern würden wir nicht mehr, denn chleb und vodka können wir schon sagen (letzeres allerdings nur in des Wortes ursprünglicher Bedeutung, Wässerchen).
Draußen erinnert mich vieles an Kindertage, der schmutzige, tauende Schnee, die matschigen Spritzepfützen, Schlaglochwege bergauf, bergab. Das Häuserkarree, an dem wir wohnen, ist zum Hof gefüllt mit teils baufälligen, teils renovierten kleineren Häusern und Baracken für Wohn- und Gewerbezwecke. Alles noch ein bisschen grau derzeit, aber schon von fahler Frühlingssonne beschienen.
Zum Abschluss gab es für mich (Andreas tat sich noch eine letzte Portion „heißes Bad und warmes Bett“ an) gestern einen Ausflug zum Baikal, Irkutsk selbst liegt am Baikal-Abfluß, der mächtigen Angara (die übrigens in den Jenisseij mündet, mehr als 1 1/2 Tausend Kilometer von hier und eigentlich der größere der beiden Flüsse ist). Das war toll zu sehen: der Strom, der hier aufgrund der Strömung so gut wie nie zufriert, dahinter die riesige Eisfläche und am Horzont die gewaltigen Berge auf der burjatischen Seite. A propos Eiswandern – Ihr hättet mich staksen sehen sollen. Das ist arschglatt. und ein bisschen unheimlich dazu, es knackt und knallt! Ich bin froh, als ich wieder im Kleinbus zwischen Büromädels und Familien sitze und mich auf festen Boden freuen kann!
Und heute?! Heute geht’s ab nach Moskau. Wir sind dann mal weg vom Fenster, rein kommunikationsmäßig. Ankunft Mittwoch gegen 5 Uhr morgens – das nächste Hostel wartet schon! Und übrigens – nach dem Tauwetter soll’s wieder kälter werden…
Zwischen Naushky und Ulan Ude, 17.3.2014
Kalack – kalack, kalack-kalack. Hier drin ist es mehr als mollig warm, wir haben das Glück (oder Pech) gleich neben dem Wagenschaffnerabteil zu nächtigen, 4er-Abteil für zwei; nebenan liegt unsere Wagenschaffnerin auf dem Bett und blättert in einem bunten Magazin, und manchmal fällt sie in eine Art Hitze-Ohnmacht; der Koksofen läuft nämlich auf Hochtouren, und der holzgeheizte Samowar, der sich zum Gang öffnet, tut das Seinige zur „guten Atmosphäre“. Uns soll es recht sein, auch wenn der Eigner ein bisschen über Schlappheit klagt, aber er bellt sowieso sonor vror sich hin und hat nebenbei auch noch einen Hexenschuss, also tut Wärme sicher eher gut.. Draußen zieht die sibirische Landschaft vorbei, es wird gleich dunkel. Birken, Autos auf zugeforenen Seen, Eisangler, Jugendliche drehen auf dem Dorfteich Eislauf-Pirouetten. Staketenzäune und Holzhäuser, mit oder ohne bunte Fensterläden – so wie sich Emma Normaltouristin Sibirien eben vorstellt. Drum heißt die Bahnlinie ja auch TransSib.
Wo wir schon von der Bahn sprechen – aus Peking sind wir abgereist wie wir angekommen sind: die dortigen Bahnhöfe und wir haben’s miteinander. Ausreichend frühes Aufstehen, Auschecken und ab zur U-Bahn, 3 Stationen bis Chongwenmen; Ausgang A, Richtung Nordwesten. So weit so gut. Gabel rechts oder Gabel links?! Was nun folgte (Gabel links wäre deutlich besser gewesen!) war ein kilometerlanger Gepäckmarsch auf der falschen Seite der eigentlich nur noch sporadisch existierenden Stadtmauern des alten Peking; nur ausgerechnet hier steht ein unüberwindbares Stück. Klar, ist ein netter Park, Früh-Jogger, Gassigeher, sehr nett, es war ein ein erfrischendes Morgenvergnügen, aber wir wollten doch eigentlich nur zum Bahnhof. Aber Ende gut, alles gut, irgendwann hatte sich der Kreis zum Bahnhof geschlossen, zu dreiviertel zumindest. Peking Hauptbahnhof. Trotz des sonstigen „Bahnhof“ auf Mandarin verstehen wir doch die Anzeigetafeln, wir haben noch eine Stunde bis zur Abfahrt des K3 nach Ulan Bator. Plumps. Wir lassen uns auf die Wartebänke fallen und ruhen aus, dazu 2 Caffé Latte und Vanillepastetchen vom „KFC“ (pfui, wie unchinesisc!), und wir toppen Wasserflaschen auf. Netter, letzter China-Klogang übrigens: Andreas sieht auf dem Männerklo eine Warteschlange vor 3 Kabinentüren (man merke auf, Türen!), aber es gibt doch eine vierte?! ?!?! Er guckt sich das kurz an, und dann wird ihm klar: die Schlange steht vor den Hockklos – das „Europamodell“ bleibt frei. Wie angenehm!.
Und bald geht’s los in die Mongolei. Der Zug ist nicht so neu und komfortabel wie der zwischen Guilin und Peking, eher eine alte Schlurre. Es riecht nach Kohlenrauch – es wird von Hand geheizt, in jedem Wagen, mit einem Koksofen. Aber dieses Mal teilen wir uns das Abteil mit niemandem, der Zug ist, wie zwei junge, amerikanische Studenten es bezeichnen, „deserted“. Einfach leer. Neben uns hat sich zwar eine
mongolische Familie häuslich eingerichtet, 3 Frauen, zwei kleine, wilde Mongolenjungs und ihr (Groß?)-Vater, aber sonst kaum jemand. Kurz nach der Abfahrt reicht uns ein Zugschaffner Gutscheine für Mahlzeiten herein „Lunch um 11:30 – wer nicht da ist, kriegt nichts mehr!“ Um 11 Uhr machen wir uns auf die Socken: Wagenende – Tür auf – Verbindungsbleche überschreiten – Tür zu, Tür auf, den langen Gang runter, Tür auf… viele Waggons entlang. Insgesamt zählen wir 8 Reisegruppen – 2 asiatische Paare, zwei deutsche Frauen auf dem Weg nach Moskau, ein österreichisches Pärchen und 2 Italiener. Wozu man da einen so langen Zug einsetzt?! Keine Ahnung. Keine Ahnung zumindest bis wir Erlian erreichen. Nach der chinesischen Zoll- und Passkontrolle kann sich der Reisende entscheiden, ob er im Zug bleibt oder ins Bahnhofsgebäude geht, denn in der folgenden, dreistündigen Pause bekommen wir in einem Werkschuppen neue Fahrgestelle für die breite, russische Spur verpasst.. Wir bleiben und gucken uns das Schauspiel an, von drinnen – aussteigen geht nicht (dafür sollte man vorbereitet sein, denn Pieseln geht natürlich auch nicht, was würden da die Arbeiter sagen…). Die Wagen werden einzeln abgekoppelt und an den 4 Ecken hochgehoben, die alten Fahrgestellsätze werden weg- und die breiteren druntergerollt, absenken und fertig. Aber das dauert für so einen langen Zug natürlich, und warum der so lang ist, sehen wir, als wir zurück zum Bahnhof rollen: es steigen ganze Scharen zu, augenscheinlich ist Erlian ein beliebter Einkaufsort für Mongolen. Nach der Pause noch einmal 1 1/2 Stunden auf der mongolischen Seite für Pass-und Zoll, wo auch sehr penibel in die kleinen Winkel des Abteils nach Schmuggelware geschaut wird. Was wohl passiert, wenn jemand etwas in unserem Abteil versteckt hätte?! Huh..
Dann geht die Nacht dahin, wir sind dankbar, uns wieder in die Decken hüllen zu können, denn draußen ist es mittlerweile deutlich kühler geworden, alle Offiziellen treten mit dicken Stiefeln und Pelzmüzen auf . Der chinesische Speisewagen, wo wir auch noch zum Dinner eingekehrt waren (mengenmäßig für den hohlen Zahn, aber lecker! ) ist in China geblieben, ein mongolischer soll angekoppelt worden sein, wie wir vom Nachbarn Ganzo erfahren, aber sich für ein ungewisses Frühstück „meilenweit“ durch einen vollen Zug zu quälen unterlassen wir und stürzen uns auf die mitgebrachten Ritz-Cracker und Scheiblettenkäse (Milkana, was man eben so in Peking im Wu-Mart neben den gedünsteten Hühnerfüßen findet). Mit Ganzo (Mongolisch: Eisen) tauschen wir uns aus, er ist schon ausgiebig in Europa gereist – wir nehmen an, er hat in Stuttgart einen Merc gekauft und ihn dann nach Hause kutschiert, anno 1996. Seine beiden Jungs können wir manchmal nur durch ostentatives Schließen der Abteiltür abwimmeln, aber lustig ist es schon. Begegebenheit am Rande: die wilden Rangen toben durch den Gang (die Masse der Fahrgäste fährt hart und aufrecht, also nicht im „Sleeper“ wie wir, insofern ist es bei uns immer noch ruhig und es gibt Platz für mongolische Reiterspiele. Plötzlich rumst es draußen auf dem Gang, kurze Stille und dann ein Kleine-Jungs-Geheul. Nach einer Weile kehrt Ruhe ein und als wie das Söhnchen wiedersehen, hat er ein wunderschönes, dickes rot-blaues Horn an der Stirn, auf das er ein Stück Papier presst. Ganzo: „… do you know Bruno Grünig?! He is German!“ Hm, ich nicht, aber Andreas entsinnt sich eines finsteren deutschen Kurpfuschers. Ganzos Frau ist „Heilerin“ und sehr stolz darauf, Bilder vom diabolisch in die Weltkrieg-zwo-Kamera schauenden „Heilpraktikers“ für heilende Zwecke einzusetzen – ich sehe sie, die am Morgen kurz hustete später im Abteil sitzen und sich ein Bild vom finsteren Herrn Grönig auf die Brust pressen. Wat nich allens gifft in der Mongolei. Ganzo übrigens, der leidlich englisch und französisch spricht, lässt sich natürlich auch von unserer Reise erzählen und bittet sehnsüchtig: „… holt mich ab mit dem Schiff in Ulaan Baatar!“. Leicht gesagt. Ulaan Baatar ist nicht nur die kälteste Haupstsadt der Welt sondern auch die, die am weitesten von jedwedem Ozean entfernt ist.
Mittlerweile rollen wir durch braune Hügellandschaft, am Horizont sieht man Schneeberge. Leer ist es draußen, mal ein paar Pferdchen, Schafe, Kashmirziegen. Irgednwo scheint man Kohle abzubauen, denn Kohlezüge gibt es immer wieder mal. Je näher wir UB rücken umso öfter sehen wir Gehöfte mit Jurten, die hier Ger heißen, bis wir in die Vororte einrollen, wo sich moderner Wohnungsbau mit schon zerfallendem und eben Gers häufen, bunt gemixt.
Wir sind da. Kalt ist es. Ganzo hatte uns 12000 Tugrik in die Hand gedrückt, gegen einen Euro-Fünfer, für ein Taxi, das uns zu unserem Hotel schaffen soll. Ganz zufrieden war der Fahrer nicht mit der Tatsache, dass wir schon wussten, was ein angemessener Fahrpreis ist… 20 Dollar hätte er gern gehabt, aber nicht mit uns (sehr wohl mit uns, als wir Sonntagabend zum Bahnhof zurückfahren werden. manmuss sich nur ungeschickt genug anstellen!).
Folgerichtig fährt er uns auch nicht ganz bis zum Hotel, sondern lässt uns die letzten 50 m laufen. Egal. Das Hotel „Kaiser“ empfängt uns mit einem etwas desolaten Parkplatz, aber drinnen ist alles prima (mit deutschen Fachwerkbildern an der Wand, wie der Kaiser eben wohnt!) und wir kriegen ein feines Zimmer mit geräumigen, guten Betten, in Andreas gleich plumpst, denn die scharfe kalte UB- Luft hat seinem schon kratzigen Hals nicht gut getan. Ich dagegen wetze in die Stadt. es ist früher Nachmittag und noch Zeit, die Tickets für die Anschlussfahrt nach Irkutsk abzuholen, und fremde Städte sind mir ja immer ein spannendes Erlebnis.
Was ich sehe, ist ein Globalisierungswunder – hatten sich entlang der Bahnlinie noch die Gers gereiht, schreite ich nun der Peace Avenue folgend ein Hochhaus nach dem anderen ab. Blue Sky, Central und wie sie alle heißen. Riesige Leuchtreklamen wollen mir den Einkauf bei OCCITANE schmackhaft machen oder den Erwerb von Dyson-Staubsaugern – oder darf es vielleicht ein Armani-Anzug sein?! Unglaublich. Wirklich nicht das, was ich von Ulaan Bataar erwartet hatte. Ich nehme ein Taxi zum Reisebüro, das hatte man mir empfohlen – aber nach dem Empfang der Tickets laufe ich die lange Peace Avenue zurück. Am unteren Ende wird es doch tröstlich mongolischer, aber eigentlich ist dies eine ganz normale Großstadt.
Erst am Sonnabend – Andreas liegt nach einem Stadtausflug am Freitag endgültig flach – erkunde ich die Hügel um den großen Lama-Tempel, und da ist dann wirklich „Mongolei“. Traditionelle Kleidung (mit elektronischen Gimmicks in aller Hände, versteht sich). Gebetstrommeln in Unzahl und rätselhafte Gebetsriten, bei denen sich zum Beispiel eine Großfamilie sehr lange um eine Fahnenstange bewegt.
Auf dem Rückweg möchte ich gern eines der Gers fotografieren, von denen es in der Stadt gar nicht so wenige gibt, und ausgerechnet in dem Moment, wo ich auf den Auslöser drücke, geht die Ger-Tür auf, was mir doch peinlich ist. Eine junge Mutter schiebt ihr Kind hinaus in den Hof, sie kommt hinterher: Lederstiefeletten, Leggings, kaschmirenes Jäckchen, und ein volles Make-Up. So viel zu meinen Vorurteilen, wer wohl in den Gers lebt, die ärmere frisch vom Lande zugezogene Bevölkerung, dachte ich. Wie man uns sagte, ist das die bevorzugte Behausung, billig, mobil und bequem dazu im Sommer kühler als Häuser. Vielleicht ein bisschen schlecht zu heizen – es ist nämllich trotz Sonnenscheins saukalt.
Andreas geht es immer noch nicht gut – aber wir beschließen, trotzdem am Sonntag einen Ausflug in den Nationalpark Terelj zu machen, und
der bietet die eigentliche Enttäuschung des Mongoleiaufenthaltes. Wir lassen uns im Taxi hinkarren, aber die Landschaft ist trocken und trist braun, den Schneebergen, die in der Stadt je nach Licht eine erfreuliche oder bedrohliche Kulisse abgeben, bleiben wir fern. Stattdessen fahren wir auf einen Parkplatz unter einer „Turtle Rock“ genannten Felsformation, wo wir dann sicher zur Enttäuschung unserer Führerin alle Entertainmentvorschläge ausschlagen: Ponyreiten, Kamelreiten – und wegen der angespannten Lage auf dem Atemwegsektor verzichten wir auch auf die kleine Wanderung zum chinesisch-mongolischen Lamatempel. Nur Genghis Superstar und sein schönes Museum waren wirklich toll!
Und als wir in Ulaan Bataar zurück sind, schneit’s. Schnell noch eine Suppe im Restaurant Duba und dann sind wir froh, bald den Zug besteigen zu können. So ist das mit den Stippvisiten – das kann auch mal schief gehen!
Herzliche Grüße aus Irkutsk übrigens!
In Ulaan Baatar
Genghis Khan haben wir erledigt, und jetzt geht’s gleich afu den Zug nach Irkutsk, von wo wir dann Weiteres berichten werden. Versprochen. Dienstag kommen wir an!
Beijing, 11.3.2014
Beijing ist schon fertig… wir auch! Zu viel zu sehen, zu wenig Zeit. Und zu wenig Energie – für so viele Eindrücke brauchen AKKAnauten einfach mehr Kapazität in alle Richtungen. Morgen früh springen wir auf die Bahn nach Ulan Bator: drum hier nur ein paar Bilder, stellvertretend für den Peking-Besuch.
Hier ist, würde man als Globalisierungszeuge sagen, alles wie überall. Nur dass alles ganz anders ist.
Was würde man als typisch chinesisch empfinden?! Ich sage mal: die schicke, junge Frau, die mit großer Designer-Sonnenbrille und in hochhackigen Plateaustiefelchen (mit Acrylfenster im Absatz!) auf der Bank in der „Verbotenen Stadt“ sitzt, in einem riesigen, sonntäglichen Getümmel. Sie fängt gerade mit einer Hand ihr Söhnchen ein, das die traditionelle, hinten geschlitzte Hose trägt (echt praktisch, beim einen blitzt der nackte Po, beim anderen das Windelpaket!). In der anderen Hand ein Smartphone, das sie plötzlich vom Ohr hält – geräuschvoll zieht sie hoch und rotzt mir kräftig vor die Füße. Der Reiseführer sagt, man soll sich nichts dabei denken! Ich kann das Denken einfach nicht einstellen…
Für Andreas, der so lang nach den bezopften Chinesen (null, natürlich) und den 10 Millionen Fahrrädern (eher 10 Millionen Autos!) gesucht hat, ist es vielleicht das leider nicht fotografisch belegte Abteil einer der unglaublich vielen öffentlichen Toiletten (in den alten Vierteln gibt es halt keine individuellen Klos – das kommt uns zugute). Es ist ja schon gewühnungsbedürftig, dass man überhaupt so nebeneinander hockt, aber was er so gern fotografiert hätte, sich aber nicht traute, war der Mann, der über der Kuhle hockt und… ja,ja, genau, ebenfalls im Smartphone blättert. Und das geschah nicht nur einmal. Muss wirklich ein gemütliches Örtchen sein, das Sammelklo!
Was noch ist „Peking“? Die Dichte an Polizei und Militär? Die vielen Volks-Aufpasser, die alle 100 m postiert sind? Der Tian An Men-Platz mit seinen Menschenmassen, die in langen Schlangen vor der Leibesvisitation ausharren um einen Blick auf das (durchaus standesgemäße) Mao-soleum zu werfen – und dass der platz gerade, als wir ihn besuchen wurden, geräumt wurde?
Die unglaublich üppigen alten, kaiserlichen Anlagen in der Verbotenen Stadt und am Himmelstempel? Ja, das ist auch chinesisch, ebenso wie die Masse an „Jack Wolfskin“, „Columbia“ oder „The Northface“-Jacken, die hier jeder 3. trägt. Alles Fakes.
Aber was uns besonders beeindruckt hat, ist der öffentliche Tanz und das öffentliche Musizieren, das abendliche Kartenspiel in den Parks. Das geradezu akrobatische Jianzispiel, das wir ja schon in Vietnam kennengelernt hatten – Fuß-Federball.
Und nicht zu vergessen unsere Streifzüge durch die Hutongs, vorbei an rottenden Fahrrädern, winzigen Läden, fliegenden Zweiradwerkstätten, Friseure… Die Hutongs werden nicht mehr lange existieren – wir sahen welche, die gerade geräumt werden, zugunsten der gläsern-stählernen Hochhausungeheuer; und wenn man sieht, dass sich nun SUVs durch die engen Gassen drängen, dann müssen sie einfach verschwinden: denn wenn das Auto beim nächsten Modellwechsel noch ein bisschen breiter wird, dann ist Schluss mit dem Verkehrsfluss.
Und, und, und…
Der wirkliche Treffer des Besuchs war ein bisschen außerhalb von Beijing: am Sonnabend haben wir einen langen Busausflug nach Jinshanling gemacht, zur berühmten Chinesischen Mauer. Man kommt auch rascher dran als mit den 3 Stunden, die wir im Bus verbracht haben, aber dafür hatten wir die Mauer fast für uns allein, und noch dazu ist es ein ganz originales Stück. Einfach umwerfend.
Und jetzt geht’s ab in die Mongolei. Der Smog nimmt wieder zu – Zeit zu gehen! Mehr Bilder folgen.