Sprungbrett, die zweite

Heute kam ein guter Wetterbericht: Wir werden bis mindestens Sonnabend gutes Wetter aus nördlichen und östlichen Richtungen haben, ideal für die Reise nach La Coruna, und diese Gelegenheit werden wir nutzen. Heute am späten Nachmittag geht es los – wir eilen noch einmal zur Post, zum Supermarkt und zum Shipchandler, und dann los die Leinen. Bis Freitagabend sollten wir in La Coruna eingetroffen sein, eher wohl noch früher.
Ob es von unterwegs Nachrichten gibt, müssen wir mal gucken – das hängt doch sehr von den Ausbreitungsbedingungen für die Kurzwelle ab, und da geht mir die Erfahrung völlig ab. Leider konnte ich den Positionsreport auch noch nicht aktivieren, obwohl er in der Ausgangspost steckt, aber da steckt er gut. Falls es noch klappt: zu sehen ist unsere Position unter www.intermar-ev.de, bei den Positionsmeldungen, wenn man dort DF4AA eingibt. Ich bin ja schon froh, dass das Mailen und der Wetterempfang überhaupt funktioniert und trage es daher mit Fassung.

Alles weitere dann aus Spanien…

Leben wie…

…. Segler in Frankreich.
Es gibt zwar im hiesigen Supermarkt keine Chilies, den Vorrat muss ich dringend mal auffüllen, aber das können wir ja morgen in Brest mal probieren. Aber was es sonst alles so gibt… Diese Charcuterien… Auch die Gemüse- und Obstabteilungen oder gar die kleinen Gemüseläden… Die haben es mir ja angetan, und hier gibt es eben Aprikosen, die doch ein bisschen näher am Ursprungsort geliefert werden als bei uns. Und einiges mehr.
Zum Beispiel habe ich mir eine Dose „Beurre blanc“ besorgt, die köstliche Sauce zu weißem Fisch etc. In genannten Format vielleicht mehr basse als haute cuisine, aber ich werde es mal probieren, und ich habe mir dann, „netabord“ sei dank, auch noch ein Rezept (Claude Monet war der Verursacher!) und ein paar andere aus dem Netz geladen, damit ich es auch ohne Dose, zu Fuß versuchen kann. Am Sonnabend stand ich dann so sinnend wie staunend vor dem Fischstand im Supermarkt, klein, aber extrem fein – die erwähnten Langoustines, gigantische Crabes, kleine Crevettes, Palourds und wie die Muscheleien alle heißen. Und dann weiter zu den Fischen – Thun und Co. in allen Größen und Varianten. Und, mittendrin, einer, dem man leider den Schnabel verbinden musste – ein Espadon, ein Schwertfisch. Leider war nur noch das vordere Viertel vorhanden, aber ich schätze mal, 2 m lang war der Rest noch. Mit Schnabel, natürlich. Ein Franzose, dito Segler, erkennbar an einem T-Shirt, das auch ich in hohen Ehren halte – Tobago Cays -Sail more, work less! -, der fragt mich also, was er denn mit den eben erworbenen Schwertfischscheiben tun müsse, „mariner…?“ Ich stottere was von „le plus simple possible“ und „griller“ und lasse es dabei bewenden. Irgendwie verläuft die Qualität meiner
Französisch-Unterhaltungen in ziemlichen Sinuskurven. Für uns gibt es Thun, auch sehr nett, dazu wird es knoblauchisierte Zucchini-Tomatengemüse und Bratkartoffeln aus dem Ofen geben. Der Eigner mag den Thun dann übrigens nicht so, also wird der Rest eingekocht und in dieser Form eine prima Grundlage für das nächste Chowder geben. Egal, wichtig ist der Tagesabschluss – ich treffe auf der Mole den Franzosen aus dem
Supermarkt, und der küsst mir die Füße für meine weise Empfehlung, den Fisch nicht zu marinieren, sondern le plus simple possible zuzubereiten. Na also – er hat mich sogar verstanden.

Übrigens – eine Nachricht an alle, die mehr oder weniger aktiv an der aktuellen Diskussion über Milchpreise in D teilnehmen. Woher ich das weiß? Ich surfe ja doch immer noch bei den Pfundsweibern, die sich über sowas immer herrlich erregen können, und außerdem hatten wir zum Sonnabendfrühstück einen wahren Zeitungsregen, köstlich nach so langer Abstinenz. Es ist ja doch was wert, wenn Deutsche Keltenfans im Sommer zuhauf die Bretagne auf- oder heimsuchen – auch wenn man am Vorabend dann schon mal einen nicht angeforderten Hinweis auf die Essbarkeit von Langusten-Mandibelinhalt bekommt (Lehrer?? mit Frau und ungezogenem Hund…). Immerhin schlägt sich deren Anwesenheit im „Tabac“ in Bevorratung von SPIEGEL, SÜDDEUTSCHE (vom Freitag, was im unumgänglichen Axel-Hacke-Vorlesen mündet) und der ZEIT nieder! Die Nachricht also: Milchprodukte sind hier VIEL teurer als in D. Aber Käsetheken, die werden wir demnächst sicher vermissen. Drum bleiben wir noch ein paar Tage hier, bis sich unser Wetterfenster öffnet. Und wir uns durch die Muscheln gefressen haben. Und das
ist mehr als angenehm: hier lebt es sich nämlich wie „Segler in Frankreich“.

Am Sprungbrett

Tja, ja – es gibt doch immer noch viel zu üben. Zum Beispiel pantryseitig. Alles nichts Unbekanntes, aber doch immer wieder neu.
Donnerstagmorgen, nach langer Nacht wird es langsam hell, nämlich um 06:30 Uhr – wir sind hier tief im Westen, seit diversen Meilen zeigt das GPS nicht mehr östliche, sondern westliche Längen. Wir befinden uns im etwas rolligen Anschleichen an den „Chenal du Four“, das ist ein schmales Fahrwasser zwischen felsbewehrter Bretagne-
Küste und der Insel Ouessant, „Ushant“, wie die Engländer sagen. Zeit für das Frühstück, das uns schon gestern nach der ersten Nacht unserer Reise nach Brest so nett aufgemöbelt hat. Wieder soll es Rührei geben, mit einer extra Portion Schinkenstreifen. Der Kaffee ist schon fertig, die Eier gerührt, die Brotscheiben getoastet. Nach der Pfanne graben – da gerät der Rührbecher in Fahrt und entleert sich – zäng!- auf den Boden.
Ja, sch…ade. Mal abgesehen davon, dass die Pampe natürlich zwischen die Bodenbretter sickert und einen entsprechenden Kollateralschaden anrichtet, waren das auch noch die letzten Eier. Ach, nee, da waren ja noch zwei hart gekochte übrig. Na, dann die. Einfach dämlich, wenn man diese Routinehandgriffe noch nicht wieder drauf hat – eine Hand für Dich, eine für’s Schiff, oder, besser: den Hintern zum Festkeilen in der Pantry (was
Übergewicht doch wert sein kann!) und die freien 2 bis 3 Hände für die Küchenutensilien. Mit dem Knie kann man ja noch die Backofentür halten. Das Wasser wird ohnehin mit den Füßen gepumpt.
Aber es gibt auch positive Meldungen aus der Pantry. Die „Kuchen im Glas“ gehen ja schon seit geraumer Zeit wie die warmen Semmeln. Nun gesellen sich zur Hitliste aus der Einmachglasecke noch die selbst eingekochten Köttbullar (zu deutsch: Mini-Buletten), die uns die – diesmal mit mehr Sorgfalt bereitete – Kartoffelsuppe
aufgepeppt haben, und die Filetstreifen aus dem Glas. Sehr lecker. Mal gucken, wie sich das Chili con Carne macht.
Und dann geht es weiter mit Fischkonserven. Näheres dazu später.

Den Chenal du Four „meistern“ wir mit Bravour, dank unserem immer besser werdenden Tidentiming. Schade, dass wir die Region demnächst verlassen. Tidennavigation hat ja doch was. Aber zugegeben, ohne elektronische Hilfen wäre das alles ungleich schwieriger, das denken wir öfter in letzter Zeit. Dauernd Peilen (erst mal was zum
Peilen finden vor Lachen!), Stromdreiecke berechnen, Winkel vorhalten, neu peilen, Kurskorrektur… Heutzutage steuert man einen GPS-Track. Danke, das war’s. Vielleicht ist das der Grund, warum die ganze Bucht hier voll ist mit Seglern: es ist halt alles viel einfacher geworden. Und trotzdem fällt uns angesichts der Stromkabbelungen vor Le Conquet heute der Unterkiefer runter. Wir laufen unter Vollzeug so um die 6 Knoten
durch’s Wasser, keinesfalls sensationeller Wind, aber nett – und loggen satte 10 Knoten und mehr. Und das Wasser sieht, sagen wir, gewöhnungsbedürftig aus. Ich möchte nicht wissen wie das hier ist, wenn richtig Wind gegen die Tide steht. Siehe das schöne, bekannte Bild vom „Le Four“. Ein Leuchtturm, fast schon von der Welle
überspült, der Leuchtturmwärter steht noch vorn in der Tür. Das ist hier. Le Four. La Jument…

Aber diese Gegend werden wir nun doch schleunigst verlassen – nicht weil wir die Bretagne nicht mögen, ganz im Gegenteil, sondern weil wir uns doch bald an die Biscayaüberquerung machen wollen. Für Interessierte und alle,
die mit Aphrodite die Luft angehalten haben, gibt es gerade den Bericht von Sönke und Judith (www.hippopotamus.de) zu lesen. So kann es halt auch sein. Das bestellen wir mal so für uns. Bevor wir abspringen gibt es aber noch Langoustines à la mayonnaise. Danke Eva, für den Tipp! Und dann: runter vom Sprungbrett namens Le Camaret sur Mer.

Cherbourg

Die Tage in Cherbourg haben wir vor allem mit allgemeinem Gebastel verbracht – die Nähmaschine wurde herausgeholt, die alten langärmeligen Büroklamotten auf „Kurzarmhemd“ umgearbeitet etc. Und: für 3 volle Tage sah es endlich mal wieder nach Winter aus. Winter heißt: Bodenbretter hoch, Vorschiffskojen abgebaut, und endlich kann der Eigner mal wieder für viele schöne Stunden in die Elektrik abtauchen. Umbau der
Absicherung für Ankerwinde und Bugstrahlruder ist angesagt, das war von Anfang an ein bisschen unterdimensioniert, und die Schwierigkeit ist nicht, einfach mal ein Kabel zu ziehen, sondern das 24V-Bugstrahlruder und 12V-Ankerwinde automatisch umschaltend zu kombinieren. Ach, wie haben wir das vermisst! Unnötig zu sagen, dass der einzig verbleibende Nähplatz im Cockpit ist. Der Salontisch ist vollflächig bedeckt mit Kabelschuhen, Werkzeugen und Zeichnungen. Irgendwie kämpfe ich mir den Naviplatz frei, damit ich Versuche starten kann, dass Pactormodem, Amateurfunkgerät und Rechner sich endlich unterhalten.
Die Verschnaufpausen verbringen wir mit Steg-Gekakel. Es hat sich rund um uns eine Hallberg-Rassy-Show gebildet, mit jeweils wechselnden Darstellern. Engländer mit französischer Frau, HR 37. Finnisches Ehepaar (Rallyefahrer!), HR 43, pfuschneu… Engländer mit einer 36er. Und überall gibt es was zu gucken. Abzugucken.
Oder scheinbar gute Ideen abzuwählen.

Am Montag eine Landpartie im Leihauto auf dem Cotentin. Wohin wohl? Natürlich, D-Day gucken. Und das ist nun – nach der tollen Ausstellung in Dunkerque – ein zweischneidiges Schwert. In St.e Mère LÉglise hängt ein Fallschirm samt Fallschirmjäger am Kirchturm, viel geknipst, viel bestaunt. Voller Parkplatz, Touristengewühle. Ein paar Kilometer weiter schauen wir uns die Batterie von Crisbecq an – eine riesige Verteidigungsanlage der Deutschen. Es lässt uns ziemlich schaudern, diese gigantischen Bemühungen, dieser wahnwitzige Aufwand an Material und Arbeitskräften. Zwangsarbeiter. Kriegsgefangene. Mörderische Verteidigungsbemühungen.  Und dann liegen in der Krankenstation viele, viele Kleinigkeiten aus, die ich nur allzu gut aus meiner Kindheit kenne und was mich sehr anrührt.
Weiter zum Utah Beach. An der Stelle seiner Landung in den Dünen ein großes Denkmal für General Leclerq, umwuselt von Surfern und Strandbesuchern, die ihren Kindern die Eimerchen und Schäufelchen hinterhertragen. Eine merkwürdige Mischung. Ein paar Kilometer weiter ein amerika-lastiges Museum direkt am Strand.
Es ist schon berührend und informativ, aber insgesamt doch zu sehr auf Show und zu wenig auf Geschichte ausgelegt, und eben sehr auf die Leistung der Amerikaner zugeschnitten. Hoffentlich kommen die anderen Beteiligten in den anderen Gegenden der Invasion besser weg. Es scheinen sich alle Orte rund um den D-Day ihren Teil sichern zu wollen, und so gibt es diverse Schauplätze – Musée de la Libération in Cherbourg, Utah
Beach, Airborne Museum etc. etc. Wir kaufen jedenfalls keine Camouflage-T-Shirts, keine Landungsbootbaus?tze, keine Videos. Dafür nehmen wir mit Erstaunen zur Kenntnis, dass S&S, Sparkman and Stevens, Koryphäen des gehobenen Bootsbaus, auch ein
Exponat beisteuert. Ein Amphibienfahrzeug.

Zurück am Boot fragt der Nachbar: „… where have you been?“ und so bildet ein unangemessen beiläufiges Gespräch von Reling zu Reling den Abschluss dieses „historisch wertvollen“ Tages. Über die Deutschen, die Europäer und ihre Geschichte, WW1 und 2. Mit David. Und seiner französischen Frau. Aus dem Elsass. Urrgs. Schwierig.
Sprachlich und inhaltlich.
Der Folgetag geht dann noch einmal mit den Restarbeiten an der Elektrik dahin (das Aufräumen nicht zu vergessen!) und Andreas steht ein bisschen der Angstschweiß auf der Stirn, als wir die Sicherungen einschalten, denn diese Anordnung war nur mit einer eher komplizierten Zeichnung herzustellen. Anruf bei Michael, unserem Berater in
Bootselektrikangelegenheiten in Hannover. „..es funktioniert!“ Vollzugsmeldung per Roaming und Freude auf allen Seiten.
Dienstag, 22 Uhr. Wir unterbrechen unsere frisch angekommenen belgischen Nachbarn, die sich zu uns ins Päckchen gelegt hatten, beim Dessert. „On va démarrer!“ Während wir uns rückwärts rausziehen, fährt ein Belgier vorbei. „Vouz allez ou?“ „… Brest!“ „… la Belgique…“ Wir gucken uns an. Das ist ja nun tidenmäßig diametral entgegengesetzt – sollten wir uns verrechnet haben? Aber nach ein paar Stunden Vollmondsegeln wissen wir: Perfekt! Um 3 Uhr zieht uns ein gigantischer Strom – schließlich Springzeit! – an Alderney vorbei. Eigentlich kenne ich diese Gegend ja wie aus meiner Westentasche – von all den Übungs- und Prüfungsaufgaben für den Sporthochseeschifferschein. Wir winken den Alderney Races, die ich so gern in natura gesehen hätte, zu und den Kanalinseln – wir kommen auf der Rückfahrt für einen längeren Stopp. In ein paar Jahren. Man muss sich ja auch noch ein paar Highlights aufsparen.

Gegenan…

Frisch angekommen und schon einen ausgiebigen Mittagsschlaf gehalten. Das war aber auch nötig – wir sind gestern auf „gut Glück“ in Dieppe ausgelaufen, wohl wissend, dass das Windrichtungsmäßig ein hartes Stück Brot würde. Erst einmal 30 Meilen hart am Wind Richtung Kanal-Verkehrstrennungsgebiet, das war schon
mittelprächtig. Die vorgekochte Suppe schmeckte nicht, und so nahm mein vorprogrammiertes Unglück seinen Lauf. Keine Lust was zu essen, was zu trinken. In der Nacht schlief dann der Wind ein und wir schmissen den Motor an. Volle Kiste gegenan, mit einem Stück Großsegel als Stützsegel. Und leerer Bauch, der bolzt nicht gern gegenan. Die erste Nachtwache ging ja noch, aber die von 2 bis 5 habe ich dann eher „ertragen“. Zwei trockene Knäcke waren alles, was ich knabbern mochte, und selbst die blieben über Gebühr lange und merklich im Magen liegen. Ein Elend. Ich mochte schon gar nicht mehr aufstehen, aber für den allfälligen Klogang ließ sich das nicht vermeiden. Der tapfere Skipper hat dann die Morgenwache bis um 9 Uhr geschoben. Der Motor lief weiter, der Kurs blieb, trotz wieder aufkommenden Windes, ganz unsportlich – aber bei der Strömung vor Pointe Barfleur zu kreuzen, und noch eine Tide und noch eine… Da wären wir definitiv noch jetzt nicht im Hafen. Immerhin war ich da schon wieder so fit, dass ich mich mühselig aus der Koje gequält habe und dieses Schauspiel – 2 Stunden Barfleur mehr oder weniger querab – bestaunen konnte. Bis der Strom kenterte, mit Macht, und wir Richtung Cherbourg abrauschen konnten. War schon nett, festzumachen und ganz fix einen Salat zuzubereiten, gekühlte Melone mit Schinken zu verdrücken. Neben uns liegt ein älteres belgisches Ehepaar mit ihrer TABOO, denen ich vorhin beiläufig von meiner Seekrankheitsattacke erzählte. Und die reichten mir dann eine Dose ihres Geheimrezeptes rüber – Milchreis aus der Dose, in kleinen Portionen zu genießen. Es gibt einen Haufen netter Leute ringsum. Der abendliche Besuch im CARREFOUR mit all seinen Leckereien tat ein Übriges. Die Zuversicht ist zurück.
Das France Bleu dudelt schon die ganze Zeit Reisemusik – da ist dann an die nächtlichen Zweifel nicht mehr zu denken. Reggae von Bob Marley. Karibik? Oder doch lieber Brasilien, der Gedanke kam beim alten Ohrwurm Lambada auf.
Fehlt nur noch mein musikalisches Nahziel. Cesaria Evora. Cabo Verde. Nicht gegenan. Nur einfach: hin!

Dunkerque-Boulogne

Boulogne – weiter hat uns der Wind nicht getragen. Theroretisch schon, aber es wäre in die falsche Richtung gegangen. Überraschung am Ende: Einfahrt Boulogne gesperrt, die Fischer bestreiken den Hafen und bereiten der monströsen Katamaranfähre von Dover ein hübsche Verspätung. Die ankert nämlich draußen, genau wie wir. Und wir hatten schon „Weichei“ gerufen, als der Katamaran direkt hinter uns die Fahrt rausnimmt 😉
Es wird schon besser mit den Tiden. Und dann haben wir ja noch den Shell Channel Pilot, der einem doch immer wieder Vergnügen bereitet. Zitat aus dem Vorwort: „… recommend .. to make maximum use of a sharp eyed mate. My own pilotage ist still frequently rendered free of impending drama by the presence of my wife, Ros, whose father flew WWII fighters in combat for the RAF, and who has inherited his gimlet vision.“ Gut zu wissen ;)…
Tja, und Dunkerque?! Am Sonntag gab es einen Radelausflug zum Mémorial des Alliés. Das fing schon mal schön französisch an, weil wir mit dem Aufbruch bis 14:00 Uhr, Ende der offiziellen Mittagspause, gewartet hatten. Als wir ankommen, winkt uns ein fröhlicher älterer Herr zu, eher süd- als nordeuropäische Gestik, und bedeutet uns, dass er nur kurz etwas essen möchte – „cinq minutes!“ Wir radeln zum Strand und betrachten das betrübliche Touristengewusel, die Reihe mittelmäßiger Restaurants und Unterkünfte. Andreas sabbert ein bisschen vor einer Friture, Belgien ist nicht weit, und wir haben Frittenland ja ausgelassen. Der „Kursaal“ wirbt für ein Konzert von Michel Polnareff im August. Hmh – da war doch was in unserer Jugend?! Dass der noch Konzerte gibt… Zum Strand hin rapt es ordentlich, das ist bestimmt bis zum Fahrwasser hinaus zu hören.
Zurück am Mémorial ist noch niemand da, ein französisches Essen braucht halt auch seine Zeit. Kleiner Umweg zur Marina Grand Large, in einem teilweise geschleiften, teilweise umgewidmeten, riesigen Werftgel?nde – wir stellen fest, dass wir unseren Liegeplatz auf der anderen Seite, im „more clubby YCMN“, dem Yacht Club du Mer du Nord, goldrichtig gewählt haben. Stadtnah und nett. Und nebenbei WLan satt und kostenfrei.
Dritter Anlauf Mémorial, und siehe da, die 5 Minuten sind um. Wir werden freundlich willkommen geheißen, sprechen mit dem Museumswärter, der uns die Rundgänge erklärt und Papiere in die Hand drückt.

Schon vor der ersten Tafel, Generalmobilmachung in Frankreich am 2.9.1939, überlegen wir, ob wir vielleicht lieber vor den englischen Übersetzungen stehen bleiben sollen, wir fühlen uns von den holländischen Besuchern beobachtet. Dann noch einmal der Museumswärter : „… vous êtes de quelle nationalité?“. „Allemand.“ Er strahlt! Die Ausstellung ist toll – aus unserer Sicht völlig neutral; eher haben wir manchmal das Gefühl, dass die strategischen Bemühungen der Deutschen in zu positivem Licht stehen. Interessant der Rückblick auf die anfängliche Taktik des Grabenkrieges durch die Engländer – in direkter Anknüpfung an 1918. Nur ein paar
Kilometer weiter, als würde der erste Krieg einfach weitergeführt. Aber es wird auch nichts ausgespart – die Stukaangriffe auf die Schiffe, die Bombardements auf die Stadt. Dem Verfasser unseres Channel-Pilot wird das alles nicht unbedingt genügen – über den müssen wir dauernd glucksen. Der gibt von der Geschichte eine eher britische Kurzfassung: „… in 1940, a sacrificial rearguard action by the Green Jackets kept the Panzers from outflanking Dunkerque until the British Forces were evacuated…“ Als notorischer Geschichtsängstling in
Sachen WW II – irgendwo zwischen Neugierde und Berührungsangst – bin ich doch ziemlich beeindruckt und mir fällt auf, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt, jedenfalls habe ich eine solche Ausstellung noch nirgends gesehen, und das wäre wirklich lohnend. Im Hinausgehen schnacke ich noch ein Weilchen mit dem Museumswärter, der sich an unserem Interesse (und dem von „beaucoup des Allemands“ in neuerer Zeit) sehr freut. Und mir zu verstehen gibt, dass nicht nur ich das Geschehen nicht so einfach begreifen kann. Zwar fehlt es mir für tiefschürfende Gespräche ein bisschen an der Übung im Französischen, aber wir verstehen uns gut. Die Message kommt rüber, in beiden Richtungen. Schön.

Gemischte Gefühle

Nicht ganz so dramatisch, wie die Überschrift vermuten lässt, aber es ist schon so…

Ein bisschen benommen sind wir heute. Gestern sind wir mit Spaß und Gennaker von Scheveningen Richtung Kanal gerauscht, und haben dabei so viele Meilen gemacht, dass die Reise die holländisch-belgische Küste hinab dann zur Nachtfahrt geriet. Wegen der Verkerhsdichte und wegen der Untiefen für uns beide schlaflos. Schon blöd, wenn man bei mitlaufendem Strom die Besegelung so verkleinern muss, dass man nicht allzu früh, sprich im Dunklen an den kritischen Stellen ankommen will. Wir daddeln mit der Tidennavigation doch eher rum – vor 2
Tagen haben wir sogar aufgegeben: Da war es gerade umgekehrt, denn nachdem wir zuvor viel gegen den Wind kreuzen mussten, kamen wir einfach nicht mehr am Hoek von Holland vorbei und haben es vorgezogen, die Nacht in Scheveningen zu verbringen.
Wir spezialisieren uns übrigens jetzt auf „Gewitterankunft“! Das Gute daran: Wenigstens hat man wegen des Windes dann auch wirklich alle Leinen draußen. Und wegen des Starkregens erübrigt sich selbst nach längeren Schlägen die Dusche.

Der Hauptteil der gemischten Gefühle, der geht heute allerdings auf das Konto „Aphrodite“… Entmastung in der Biscaya. Wir sind wirklich froh, dass die beiden selbst unbeschadet sind – und dass sie wirklich kühl all das getan haben, was zum guten Ausgang geführt hat. Das Glück ist halt mit den Tüchtigen, die in diesem Fall ihr Boot behalten durften. Wir waren doch schwer beeindruckt von der Schilderung – entsetzt und erleichtert, froh und auch gerührt…

Nun warten wir auf das Wetter durch den Kanal – wird wohl ein paar Tage „Dunkerque“ dauern. Wenn aber weiter so nette andere Crews hier liegen wie die Momo, die auf dem Rückweg von der Atlantikrunde ist, dann lassen wir uns das gern gefallen.

PS: Keine Umlaute in der Titelzeile;)

Wolke, Busfahrt und Kaffee

Mann, sah das finster aus gestern morgen. Der Wind hatte sich schon in den Nachtstunden zur Ruhe gelegt, und so schlichen wir hinter einem dicken Gewitter nach Ijmuiden hinein. Bis wir an unserem Platz ankamen, war der Spuk vorbei, ein cooles ANlegemanöver, und die Sonne ließ sich umgehend wieder blicken. Das ist wie mit dem Teller leeressen: wer brav ist, wird mit schönem Wetter belohnt.
Was allerdings abends folgte, das war wirklich sehenswert: eigentlich wollten wir noch die Räder auspacken, um im Industriehafen auf alten Pfaden zu wandeln. Oft genug waren wir ja hier – entweder auf der Suche nach einem Schiff, zur HISWA te WATER, oder zu Rennveranstaltungen – Zandvoort ist schließlich gleich um die Ecke. Der Sinn stand uns nach einer „Visschotel“, einer etwas gepflegteren, holländischen Entsprechung von „fish and chips“. Nur verhieß der Blick an den Himmel nichts Gutes. Eine solche Gewitterwolkenwalze hatten wir noch nie gesehen, weder in dieser Geschwindigkeit, noch in dieser Breite und schon gar nicht in dieser Weltuntergangsanmutung. Schwarz-grau und stechend grünlich. Gruselig… Das Beste war, dass es noch gar nicht losgegangen war, als es schon allenthalben blitzte – von jedem Boot aus wurde fotografiert. Das hatten eben nicht nur wir noch nicht gesehen… Mit dem Böenkragen blies es dann aus allen Knopflöchern und es folgte das, was Meteorologen als Starkregen bezeichnen und, wie wir am Getute der Schiffe im Fahrwasser ablesen konnten, einer Sichtweite von „Null“ gleichkam.
Heute früh dann ein „als wäre nichts gewesen“-Wetter. Grund, nach ein paar Schiffstätigkeiten auf den Bus zu hocken und nach Amsterdam zu fahren. 10€ die Familien-Tageskarte, Sightseeing durch Industrie- und Wohnviertel inklusive. Ganz schön aufgeräumt, die Niederlande. Ob die Gardinen wohl fehlen, damit man sich gegenseitig in der Stube kontrollieren kann? Maarten ‚t Hart behauptet das ja irgendwo…
Mein persönliches Highlight des kleinen Stadtrundganges – es IST definitiv eine schöne Stadt zum Wohnen, auch wenn wir dieses Mal Prins Pilsje nicht getroffen haben – war der abschließende Kaffee. Den haben wir an der Keizersgracht eingenommen. Vor einem winzigen Schokoladenlädchen waren zwei Tischchen aufgestellt, und während wir den zum Lädchen gehörenden, ballwütigen Jack-Russell-Terrier „bedienten“, kriegten wir Koffie mit zwei Pralinen. Eine hell, eine dunkel. Ein Gedicht – Nina, unbedingt nachmachen!

Hundewache

Was man so während der Hundewache macht? Einen Blogbeitrag verfassen. Die letzten Tage rekapitulieren. An Eva und Daniel denken, die gerade ihren dritten Biscayatag beginnen. Die Sterne betrachten. Und natürlich. Ausguck halten. Sich fragen, ob die Berufsschifffahrt nun im Sechseck springt, weil da so ein dickes Radarecho naht. Dank unseres „SeaMe“-Radarreflektors. Den akustischen Alarm haben wir abgestellt – wir sehen nur eine Diode leuchten, wenn wir vom Radar eines anderen erfasst werden, und das ist
eigentlich immer.

Der Morgen graut, der letzte nächtliche Gegenkommer hat uns gerade passiert, während wir die holländische Küste hinuntertrödeln. Gestern haben wir Borkum verlassen, und das kam
so: Eigentlich hatten wir die – angesichts des Südwestwindes vielleicht ein bisschen naive – Absicht, schon am Sonnabend von Norddeich aus die Niederlande anzulaufen. Mit ein bisschen Mühe und ein wenig Glück mit dem Wind hätte das wohl auch klappen sollen. Gute
gerüstet waren wir ja – fröhlich nach den schönen Treffen  mit Heiner und Barbara, volle Medizinkisten, frische Lektüre. Ein Nachschlag Abschiedsgeschenke von Mücke, inklusive Mundharmonika! Vielen lieben Dank für Teestunden und alle freundlichen  Gespräche! Also los. nur wir hatten weniger Glück, dafür umso mehr Mühe..
Die schlechte Nachricht zuerst: Eine von Inas „no spill“-Tassen ist kaputt. Sie sprang vom Cockpittisch und landete in St?cken auf der S?llkante. Allerdings war das nicht das einzige Inventar, das in grober See zu springen anfing: Wir haben gestaunt, dass wir uns doch zu Beginn jeder Saison neu an den Status „seefest“ herantasten – wir hatten die Ordnerreihe nicht gesichert. Was für eine schöne Auswahl an Katalogen und Büchern auf den Salonboden! Die Besteckschublade machte sich auf die Reise – das klingt im jeweiligen Moment schon mal etwas bedrohlicher. Und ärgerlich dazu, hatten wir doch eigentlich Gurte zur Schubladensicherung vorgesehen…
Und, neue Stauplätze, neue Überraschungen: dass CD-Rohlingspindeln Schapps von innen öffnen können, war mir zum Beispiel zuvor nicht bewusst. Das Ende vom Lied mit dem  „Hack“ war, dass wir um 18 Uhr beschlossen, dass die 4. Wende an der Grenze zum Verkehrstrennungsgebiet die letzte sein w?rde – keine weiteren Kreuzschläge Richtung Ameland, wir laufen nach Borkum. Sehr angenehm, wenn man dann die Salzkruste abspülen kann. Das war wirklich frustrierend und anstrengend. Und eine Lehrstunde in Sachen  Sorgfalt. Dass der Segeltag auch magenmäßig eher grenzwertig war, erübrigt sich zu sagen.
Das Kuchenessen fiel dieses Mal auf die Abendstunden, Borkum um Visier. Nun wissen wir mal wieder ein bisschen mehr. Aber auch, dass die AKKA das alles ganz prima
mitmacht.

Deutsche Bucht

Helgoland.

Keine Parfums, keinen Sprit (obwohl wir dringend einen Billigalkohol für die zu fangenden Fische kaufen müssten!), keine überteuerte Dusche ;). Nur an einer Kamera hatten wir gestern nicht vorbeigehen können. Leider lag der Besuch am Lummenfelsen vor dem Kamerakauf – wunderbar tölpelige Basstölpel und ebensolche Trottellummen klebten da über dem Abgrund und übten schon mal imposante bis erheiternde
Flügelschläge. Ab sofort gibt es keine Entschuldigung mehr für fehlende Photos.
Helgoland-typischer Ableger – das Päckchen hinter war uns war bis zum Einbruch der Nacht auf 8 Yachten
angewachsen, wir waren nur zu viert. Dafür hatte der Holländer ganz außen einen Motorschaden und musste
nach innen durchgereicht werden. Aber elegant ist gar kein Ausdruck für unser Manöver. Zuschauer haben wir leider immer nur bei den weniger eleganten. Danach gab es Billig-Diesel in alle Tanks und Kanister. 320 l für 270 ‚¬, das macht ganz fröhlich, wie auch der folgende Segeltag:
Der bescherte uns am Nachmittag 1,5 Stunden Querung des Verkehrstrennungsgebietes, was uns früher ins Schwitzen gebracht hätte – aber heute haben wir AIS. Und ein unvorschriftsmäßiges Grinsen im Gesicht, weil man eine sensationelle Übersicht über das ganze Berufsschifffahrtsgewusel ringsum erhält. Passierzeiten, Distanzen, Geschwindigkeiten – alles auf dem Präsentierteller. Klasse. Zum Grinsen trug natürlich bei, dass wir vom Am-Wind- auf Rauschotskurs abgefallen waren – es ist immer nett, wenn es einem nicht mehr ins Gesicht bläst und man das Ö�lzeug abwerfen kann. Und dass sich auch gleich ein Kaffee- und (Mückes Königs-)Kuchen-Kurs ergibt.
Dafür wurde es dann in der Ansteuerung nach Norddeich noch einmal spannend – querlaufender und mächtiger Flutstrom bis vor die Hafeneinfahrt von Norderney, danach Tonnenraten mit  entgegenkommendem Fischereiverkehr.
Wir sind halt doch Ostseesegler, und was wir sonst so an tidenarmen Gewässern bereist haben. Aber Spaß macht es schon. Vor allem wenn man dann erst einmal heil im Hafen angekommen ist.