
Langweilig?! Für Euch vielleicht, für die Schüler in Susui: Schulhof mit Aussicht!
Hidden Lagoon, Susui/Lau Group, Fiji 6.11.2012
Hidden Lagoon, die netzfreie Zone… Wer hätte gedacht, dass man auf Vanua Balavu an so vielen Stellen Internetzugang hat? Dies sind doch die „outer islands“! Wir hatten uns zwar mit einem Vodafone- und einem Telecom-Stick eingedeckt, aber nicht erwartet, dass man selbst auf der Insel Susui noch den Antennenturm von Lomaloma erreicht; aber so ist es. Dass wir hier liegen, hat nichts mit Netz oder nicht-Netz zu tun, sondern damit, dass heute nacht südlich von Fiji die erste tropische Bombe des Jahres aufploppt, ein Tief bildet sich und bringt ordentlich Wind in die Region, Bob der Wetterguru meinte sogar, dieser Sturm könnte der erste der Saison sein, der „sich einen Namen verdient“, Ihr wisst schon; aber ein „Sandy“ isses nicht. Wir sind zwar weit im Norden, aber dennoch haben wir versucht, ein Plätzchen zu finden, an dem man auch vor den zu erwartenden Winden aus dem Nord- und dem Westquadranten geschützt ist, et voilà ! Hier sind wir buchstäblich von allen Seiten geschützt, wunderbar, keine Welle, wenig Wind, ein paar Fallböen von den Hügeln, vielleicht. Leider sind wir auch geschützt vor dem Kontakt mit den Dörflern aus Susui, die uns erlaubt haben, an diesem abgeschiedenen Plätzchen zu ankern, aber die Kontakte werden wir dann übermorgen wieder aufleben lassen. Jacob, der gestern beim Sevusevu den Sprecher für den Chief gab, war nachmittags bei uns an Bord gewesen und hatte unsere „7 Bootswunder“ bestaunt. Ganz vorsichtig am Wasser genippt, dass ich ihm aus dem Wassermacher direkt ins Glas laufen ließ, rechts die Salzbrühe, links das Trinkwasser. Große Stauneaugen. Manchmal sind wir mit unseren Reichtümern an der Grenze zum Peinlichen in diesen Dörfern, und es scheint auch uns so zu sein, wie Panea es von unseren Yachten sagte: „… das ist kein Zuhause, das sind Hotelanlagen“. In Susui ist der Dorfgenerator seit 9 Monaten defekt – alle Reparaturversuche von Yachties haben nichts genützt, aber man hofft dennoch darauf, dass im Januar ein Segelfreund zurückkommt: der Texasknödler Kennedy von der FAR STAR, der vielleicht vielleicht Ersatzteile mitbringt. Und dann könnte man wieder Mobiltelefone aufladen, ohne damit nach Lomaloma reisen zu müssen (die Bäckerin, die hat Solarstrom, und da hängt man dann das Handy an…). Oder mal eine DVD anschauen. Seit 7 Monaten ist es hier nachcts dunkel. Aber ich glaube fast, dass auch der Blick in unser Mini-Bad mit Klo und Dusche so ein Bootswunder war. Und die LED-Beleuchtung. Die Nähmaschine. Kühlbox. Elektronische Seekarten! Es gab bei Melonenstücken und Kaffee viel zu erzählen. Das war noch vor dem Sevusevu, denn Besi, der Chief, war auf der anderen Seite der Insel in wichtiger Mission und kam erst spät, so dass wir gegen Abend an Land Gelegenheit hatten, Langusten zu erstehen und zu schauen, was Moke da flicht: kleine runde Palmkörbe, 20 x 40 cm. Wofür, und wofür in dieser Menge? Na, logo… morgen beginnt das letzte Viertel des Oktober/November-Mondes und da… schwärmen die Palolo-Würmer. Und zwar nur hier, nur an einer Stelle des Riffs. Also flicht das ganze Dorf Hunderte von kleinen Körben, in denen morgen dann die Würmer abtransportiert werden. genauer gesagt sind es nur abgeschnürte Hinterleibssegmente mit den Geschlechtsprodukten, und die bilden dann meterdicke Schichten an der Oberfläche, angeblich) . Sagt Elke aus Tonga, die es wissen muss, heute am Funk:“ … na dann guten Appetit. Lange glibberige Spaghetti…“ Klingt ja echt – örrgs. Wenn wir Pech haben geht dieser Palmblattkorb wetterbedingt an uns vorüber, aber Andreas spricht schon von „Wurmarschsuppe“. Man wird sehen, ob wir Glück oder Pech haben.

Vom Ende des Wurms ans Ende der Welt. Wo hatten wir eigentlich das letzte Mal aufgehört?! Bay of Islands?! Es folgten schöne Ausblicke von den Höhen des Bavatu Harbour, dann der Little Harbour, der so little gar nicht ist (und wo wir, pfui, kein Sevusevu gemacht haben, der Ankerplatz in Manavu war uns zu rollig; Schande auf unser Haupt). Und dann Lomaloma, die Metropole von Vanua Balavu. Während Michael von der Mariposa stracks ins Krankenhaus marschierte, um sich die Gegebenheiten rund um die Zahnmedizin anzuschauen (Diagnose: dünn!), knüpften wir Kontakt am Wegesrand: Lithia saß dort und hielt, wie jeden Mittag, ein Schulpicknick für ihren kleinen Bruder ab. Grüne Bele-Blätter (bäh! Spinathassen scheint ein globales Problem zu sein…), Maniok und Lolo, würzige Kokosmilch mit Zitronensaft und Zwiebelchen.

Maniok, Mbele, Lolo. Das Schulpicknick
Hinter uns tobt der ganz normale Schulhofwahnsinn, es gibt Gelegenheit, in Töpfe zu schauen und dumme Fragen zu stellen. Auf ein Trommelsignal hin beruhigt sich die Lage schlagartig, alles marschiert zu den Zisternen und putzt sich kollektiv die Zähne. Donnerwetter! Und da sich die Szene nach einem weiteren Signal leert und auch Lithias Bruder – in seinen Schulsulu gehüllt – in der Klasse verschwindet, dürfen wir auf der Picknickplane „Rest machen“. Na ja, Apete, seines Zeichens Bibelschullehrer und Methodistenpfarrer, kommt auch noch dazu, mit Joeli, der beiden Söhnchen. Es dauert eine Weile bis wir uns auf den weiteren Spaziergang machen können, und haben bis dahin ein längeres Gespräch über Hitler, Nationalsozialismus und allerlei Schuldfragen hinter uns. Das muss ein bewegendes Thema sein, das uns hier nicht zum letzten Mal begegnet sein. Auf der Dorfpost erkämpfe ich mir Briefmarken für einen Geburtstagsbrief nach Deutschland, auch so ein schönes „outer islands“-Erlebnis, immerhin wird nach Suva oder wer weiß wohin telefoniert, um das Porto festzustellen. Und dass der Brief erst mit dem nächsten Flugzeug, sprich: nach dem Geburtstag abgeht, macht ja nix. Wir haben doch Schwein, dass das wöchentliche Flugzeug die Post überhaupt mitnimmt, und nicht das Versorgungsboot, das einmal im Monat kommt. Oder auch nicht …

Gastgeber am Straßenrand: Lithia und Apete
Sonnabends unternehmen wir eine kleine Jagd auf „Frisches“. Der Handel mit Obst und Gemüse ist hier eher unüblich, man hat welches, oder man hat keines. Der Kaufladen bietet uns immerhin ein paar Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch an, und ein samstägliches Ladenschlussangebot an Bok Choy, eine Riesenladung für 2 Fijidollar. Na, klasse! Bananen?! Papaya?! Nö. Äh, ja, doch, warte mal! Ein Mobiltelefon wird gezückt… „… auf die Berge zu laufen, das letzte Haus hat Bananen!“ Einen kleinen Fußmarsch später (inklusive zwei Attacken eines Hundes, der eindeutig Palangis hasst und voll Ingrimm in unsere Bok Choy-Tasche beißt) haben wir Bananen. Teuer?! Teuer, für Fiji-Verhätnisse: 2 Dollar für ein Bündel; aber wenn man die Behausung sieht und hofft, dass der Erlös vielleicht in Schulbücher oder Zahnbürsten fließt, ist es fein. Papaya?! Da sind doch welche am Baum auf dem Gelände des Post-Ladens; tja, die Poststellen betreiben hier Läden, die die jeweils bestbestückten auf den Inseln sein sollen. Ihr hättet mal die Nase in den Post-Laden-Kühler halten sollen… – was aber nicht heißen soll, dass die Papayas, die man uns nun aus luftiger Höhe herabstochert, nicht lecker wären, und kostenfrei waren sie dazu. Manche Dinge haben einfach keinen Preis, und darum verschenkt man sie dann. Nicht gerade geschenkt waren dafür die gefrorenen Kiwi-Hühner, die die Bäckerin verkauft. Aber sie rochen angenehm.

Lomaloma…
Während Obst und Gemüse im Dinghy schmoren, bringt der Gang am Ufer entlang die Begegnung mit John und Vakivaki. John döst im Schatten der zertrümmerten Ölmühle – Cyclon Thomas hat seine Spuren hinterlassen, einer der Gründe, warum das Krankenhaus so frisch renoviert aussieht! -, und Vaki winkt uns zu einer Trinknuss heran. John hebt ein Augenlid. „Germany? You know wonn Lackner?!“ Ja klar kennen wir den Grafen Luckner. Und schon sprudelt es aus dem ehemaligen Methodistenküster heraus, die ganze Story, wie Luckner hier, auf der verlassenen Insel Katafanga, einen Dankesbrief an den vermeintlich deutschen Besitzer hinterlassen hat für all die schönen Sachen, mit denen er sich und seinen Mannen auf seiner Reise ins Ungewisse verproviantiert hatte – er war ja auf der Suche nach einem zu kapernden Segler, mit dem er seine schiffbrüchige Mannschaft in Mopelia wieder aufnehmen wollte. Was er nicht wusste, war, dass hier gar nix mehr irgendwelchen Deutschen gehörte, und er mit dem Brief dem kurz darauf zurückkehrenden Herrn Woodworth, most british , eine Spur hinterlassen hatte, der man nun nur noch folgen musste. Luckner is around here. Endstation: Kriegsgefangenschaft No. 1 in Neuseeland. John lacht sich tot – und natürlich reden wir auch über’s moderne Deutschland (jou, Nationalsozialismus…) und über das Leben in Suva und warum man seinen Lebensabend auf den Inseln verbringt. Immer das Gleiche: es kostet nix. Oder kaum was – wenn das kein Grund ist, sich zu bescheiden. Und währenddessen kloppt uns Vaki Nüsse auf, zeigt uns, wie man aus der Basthülle einen Löffel schneidet, mit dem man das weiche Fleisch auslöffeln kann und weiht Andreas in zwei Geheimnisse ein: die Produktion von Palmwein-Homebrew (Alkoholvertrieb ist auf Vanua Balavu verboten!) und, dass man morgen in die Kirche gehen solle, in die vom Ortsteil Sawana. Wer teilnimmt kriegt hinterher was zu essen! Zoobesuch mal andersherum: die Gäste bitte füttern?! Für uns? Aber es wäre nett von uns und höflich, und überhaupt sind alle so freundlich hier. Also: Sonntagsprogramm Kirchgang ist beschlossen.

Das allpazifische Sonntagsprogramm
Kommt der Sonntag. Die Trommel schlägt, und schon bei der Annäherung an den Strand fallen uns die Gewänder auf: Ta’ovalas nach tonganischer Sitte. Kiekies. Und im Gottesdienst wird uns alles klar. Dies ist die Methodist Church of Tonga, besser: ein Methodisten-Kirchlein von Tonga auf einer abgelegenen Insel Fijis, und die Anwesenden sind überwiegend Tonganer. Ist ja auch nicht soo weit von hier entfernt. Zum Höhepunkt des Gottesdienstes, nach einem guten Stündchen, werden nach allen Regeln der tonganischen Druckmacher-Kunst die einzelnen Familien namentlich zur Spende aufgerufen und, nun haben wir es endlich gesehen, wie das abgeht, anschließend die Spenden – boah! – in Heller und Pfennig, Fiji-Dollar und -Cent verlesen. Echt… Der Gottesdienst zieht sich mit allerlei Gesängen, Geburtstagsbehudelungen, Lesungen dahin, ein Nachbar reicht uns eigens eine englische Bibel, damit wir den Hebräer-Text mitlesen können, irgendetwas Blutiges. Mit Gebeten, Kommunion etc. verstreicht ein weiteres Stündchen. Beeindruckend der Gesang insgesamt sowie eine Gesangssondereinlage des vielköpfigen Kirchenvorstandes, und nicht zu vergessen, dass manchmal eine vehemente Englisch-Passage ins Tonganische gestreut wird, um die dahindösenden Palangis aufzurütteln und noch ein paar andere Gäste, die Mariposa wurde nämlich von der „Zahnärztin“ hergeschleift plus 2 Kolleginnen aus der Gesundheitsverwaltung. Südpazifisches Sonntagsprogramm. Draußen spielen die Kinder, man geht auch mal raus und schnappt Luft, vor uns kichert ein gewaltiger Mensch (Tonga!) und bringt seinen Leib samt Kirchenbank zum Beben. Und dann isses um. Wir erheben uns mühsam, wanken nach draußen, reichen dem Pfarrer huldvoll die Hand. Der steht da mit seinem Kirchenvorstand und wiederholt, was es für ein Segen sei, uns dabei zu haben – wirklich nette Leute. Hinter uns schlufft jemand am allerfeinst ziselierten Stock heran, der unglaublich „noble“ aussieht. Tatsächlich, die ganze tonganische Gesellschaftsstruktur auf fijianischem Boden, Noble, nicht-ganz-so-Noble und Gemeine. Sagt der Noble zunächst mal: „… wenn Ihr das nächste Mal zur Kirche kommt, dann die Männer bitte im Tupenu!“ Ganz ernsthaft, der tonganische Rockwickel ist ein Muss, was für ein Glück, dass ich meinen Zeremonie-Sulu trug. Andreas hatte ein „feines“ Hemd an und knielange Bermudas, und Micha weiße Dreiviertelhosen mit Tüdelbändchen. Schwerer Formfehler.

Going with nobles
Nach der Vergatterung kam dann ein ostentatives „“… you go with the nobles“. Neiennn, wir sind mit der Zahnärztin hie… „Ihr geht mit den Nobles!“ Gut. Gehen wir also mit den Nobles. Bis der „Tisch“ im kleinen Tonga-Dorfzentrum gedeckt ist, platzieren wir uns auf einer Matte, gucken ein bisschen verstohlen um uns, und dann sitzen wir auch schon mit mehr oder (ich) weniger gekreuzten Beinen auf dem Boden, vor uns eine lange Matte, auf der sich alle Köstlichkeiten der tonganischen Küche massieren: Fische, Bananen, Brotfrucht aus dem Umu, Taroblätter mit Kokosmilch, Ota Ika, unser geliebter roher Fisch… Melonenschnitze… Gurken… Nachtisch. Eine herrliche Fülle vor allem auch frischer Sachen.

Sonntagstafel tonganisch. In Fiji.
Während wir schmausen, halten die Gastgeber lange Reden, unverständlich zumeist, der Ober-Noble heißt uns nochmals willkkommen, der Pfarrer kann es nicht lassen und holt zu einem weiteren längeren englisch-tonganischen Sermon zu „Liebe Deinen Nächsten“ aus, klärt uns aber – „… wir müssen alles tun für dieses, unser Fiji!“ – auch auf, dass es eigentlich die Tonganer waren, die Fiji (fijianisch „viti“) den Namen gaben – sie sagten Fisi und die Engländer verstanden „Fidschi“. Here we are. Tonga vor, „wir“ waren schon immer tonangebend, die Lau-Inseln sowieso tonganisch und, ach, eigentlich ist Fiji Tonga!

Pastors Tochter darf die Fliegen wedeln!
Wir plauschen noch mit den Umsitzenden als sich plötzlich Unruhe breit macht: die zweite Schicht der Esser, die „Normalen“, will nachrücken. Und der arme Eigner hatte sich solche Mühe gegeben, alle Platten in seinem Umkreis blank zu essen. Formfehler 2 – erst kein Tupenu, nun das. Die Mittel- und Unterschicht wird damit abgespeist, was „wir Noblen“ übrig gelassen haben und machen nahtlos da weiter, wo wir aufgehört haben. Aber die Hausfrauen wird Andreas‘ Appetit gefreut haben. Übrigens gab es Langusten in Lolo, Kokosmilch mit Zitrone. War ja auch nicht schlecht.
Jetzt gleich gibt es in der Hidden Lagoon den Rest Langusten aus Susui. Als Salat, mit Lolo, weil`s so lecker ist. Immerzu Langusten…