Mittlere Hektik

€¦ ist ausgebrochen auf der AKKA.

Die Rucksäcke sind zumindest mal probegepackt, Fahrräder und Dinghy in den Backskisten verstaut, aber es bleibt noch eine Menge zu tun, bevor wir das Schiff in Bälde für ein paar Wochen alleine lassen. Komisches Gefühl. AKKA ist unser Schneckenhaus – einzig die paar Sachen in dem mickrigen 35l-Rucksäckchen werden jetzt für eine Weile ein bisschen Heimatgefühl verbreiten können: die Hängematte (fur den Flussdampfer), Betttuch (zum über den Kopf ziehen). Fleecepullover (Wärmepolster für die Anden) und Moskitospray. Noch ein paar mehr, natürlich. Schlafsack und Zelt bleiben hier – kein Platz. Vielleicht müssen wir uns dann eine Lama-Indiodecke für die Nächte kaufen.
Zum Abschluss dieser ersten Jacaré -Phase haben wir heute Joao Pessoa noch einmal in vollen Zügen genossen. Ganz so voll war der Zug zwar nicht, aber dafür verspätet und außerdem hatte ich mich mit dem Abfahrtzeitpunkt ein bisschen vertan und das „Gambia-Revival€-Team für den falschen Zug an den Bahnsteig getrommelt. Falscher Zug plus Verspätung bedeutete dann, dass wir – je zweimal Petite Fleur, Present und AKKA – in Hektik zur Policia Federal sprinteten, die dann auch pünktlich um 12 Uhr „almoco€ essen gegangen war. Schön, dann um 14 Uhr, dauert ja nicht so lang€™€¦ Inzwischen kann ich ja mal schnell die neuen Pedale für€™s Fahrrad bezahlen – jahaaa! alle Beschaffungsqualen sind erledigt; es gibt Wasserfilter, Laptopbatterie und Pedale, alles via Brasil-Internet! Banco do Brasil gesucht – und sich als (ungelogen!) 42. in die Schlange eingereiht. Eine Stunde lang bin ich zentimeterweise Richtung Counter geschlurft und durfte miterleben, wie all das, was das Bändchen „Kulturschock Brasilien€ über Banken schreibt, sich vor meinen Augen vollzog. Mal abgesehen vom Brasilien-üblichen Bankraub. Gemecker am Ende der Schlange, gespanntes Schweigen, je näher man dem Ort der Tat kam. Gelächter und Gespaße zwischendrin. Dass ein junger Brasilianer im Bürooutfit und mit Laptopcase auf dem Boden sitzend einschlief, trug eigentlich nur zur allgemeinen Erheiterung bei. Er durfte sich später wieder einreihen. Kardinalfehler bei dieser Aktion war, dass es ja Mittagszeit ist, und während der trabt Brasiliens arbeitende Bevölkerung gern in die Bank, Geld holen€¦ Ist ja auch ganz unterhaltsam, ungefähr so wie ein deutsches Arzt-Wartezimmer, gelle, Heiner!?

Zurück zur Policia Federal. Mit Zwischenstation beim fliegenden Plastificador/Copidador. Fliegende Händler gibt es überall und mit allen Angeboten, Uhren, Raubkopien, Keilriemen, dieser flog weniger als dass er im Eingang der „Farmacia Permanente€ saß und uns uns für kleines Geld Passkopien „für jeden Tag€ einschweißte; in Südamerika herrscht ja allenthalben Ausweispflicht. Und gleichzeitig die Pflicht, nix Wertvolles mit sich rumzuschleppen, wegen der bösen Buben, also schon gar keinen Pass.

Endlich bei der Policia die nächste Bankaktion: 6 mal 67,50 Reais für die Verlängerung abdrücken; mir schwant Böses, aber hier sind wir die einzigen Kunden. Dafür dauert der Vorgang als solcher dann doch lang. länger als gedacht zumindest, schließlich muss berechnet werden, wann wir ausreisen müssen (ich am 6. November, Andreas am 20 Dezember. Räusper€¦) , und so sind wir dann am Abend ziemlich platt – die Gambia-Revivaltruppe musste dann auch noch im Angelladen nach Fischspeeren gucken (und Andreas wegen akuten, bekloppten Aussehens den Plan aufgeben, einen Moskito-Hut anzuschaffen – Motivation siehe letzter Eintrag). Noch schnell zm Hyper Bompreco, dem Monstersupermarkt, in Sachen Rucksackreise: Plastikgeschirr, Klopapier in Mini-Rucksack-freundlichen Gebinden. Rei in der Tube jedenfalls gibt es nicht. Aber DEET-Spray (Thema Moskitos. Siehe unten, oben, überall€¦)

Und dann noch das Schiff fertig machen- lassen wir das Sonnensegel oben? Bauen wir es ab? Deck salzen, Rumpf schrubben, Schraube einpacken€¦ Kann ein Seglerleben hektisch sein.

Pieksen und Wummern

oder: eine Samstagnacht in Jacaré.
Es fing schon mit einer leisen Ahnung an, als am Freitag abend die LKWs mit Eisengestängen auf€™s benachbarte Grundstück des Jacaré Marina Clubs rollten. Eine Bühne. Und was für eine! Und was für Lautsprecher – richtige Roadies mit richtigen Kränen hievten und werkelten€¦ Und Marie-Therese von der Mabuhay hatte sich gerade bei mir über die Beschallung aus den Restaurants an den letzten beiden Abenden beklagt (die je nach Windrichtung auch wirklich lästig sein kann) und ich hatte meine Jacaré-Antwort gegeben: „Music happens€¦ and most of the time it stops early€¦€ Diesmal nicht, und diesmal auch nicht in den 500 m entfernten Restaurants sondern quasi vorm Lukendeckel – es wurde ein rechtes Happening. Die Musik, Pop-Forrà³ vom schlimmsten, ging ab 16:00 mit Soundchecks los, die übergangslos in die Hauptveranstaltung hinüberplätscherten. Die Jacaré-Dorfbewohner – alles brasilianische Lärmliebhaber – fanden€™s prima und versuchten, durch den eigens errichteten Sichtschutzzaun einen Blick auf die Bühne zu werfen. Noch waren auf dem Grundstück nur ein paar ausdauernde Frühankommer zu sichten, aber ab 23:00 rollte die PKW-Lawine zum Ort des Geschehens. Am Arm schicker Brasileiros staksten Scharen von durchgetakelten Brasilianerinnen durch den Sumpf vor der Tür, gehüllt in Kleidchen (man beachte die Verkleinerungsform und auf high heels mit Acrylabsätzen. Und dann ging sie ab, die Forrà³-Luzie. Alles nicht so schlimm, wenn nicht a. der Conferencier gewesen wäre, der endlose Lautsprechertiraden abhielt und b. nicht auch noch der Vollmond die Sandmücken vor die Tür gelockt hätte. So lagen wir denn in den Kojen, ausreichend beschallt und dazu belästigt von diesen miesen kleinen Viechern, die so winzig sind, dass sie durch die Maschen des extra dichten Moskitonetz krabbeln; nicht umsonst heißen sie im englischen Sprachgebrauch „no-see-ums€. Ich gestehe, ein etwas dickeres Fell zu haben – Gehörschutzkapseln auf und zugedeckt ist meine Devise. Nicht für Andreas: Gehörschutzkapsel ist weniger das Problem – die No-See-ums€¦ Es ist in der Tat gemein – jeder Biss eine Quaddel. Also: KSCCCCHHHT! Die Baygonsprühdose in Aktion. „Guck Dir das mal an! Alles voller Leichen!€ Bettuchwechsel um 2 Uhr. Ruheversuch. Wummer, wummer von draußen. KSSCCCHT! Klatsch! Als ich ein anklagendes € Schon wieder NEUNUNDVIERZIG!€ vernehme – Sandmückenzählen ist das genaue Gegenteil von Schäfchenzahlen! – ziehe ich mich ins Vorschiff zurück, während der Eigner überlegt, ob er bei Nachbar Keith klopft und sich den Autoschlüssel ausbittet. Um eine mückenfreie Zone zu gewinnen. Um vier gibt der Conferencier auf. Die Sandmücken auch. Ich auch – das Vorschiff ist bei geschlossenem Luk ein bisschen warm.

So sitzen wir dann am Sonntagnachmittag am Atlantikstrand ermattet auf einem abgehackten Palmstamm, hören dem Meeresrauschen zu und begucken die Surfer, die ihre Kunststückchen vorführen. A hard nights afternoon€¦ Sehr angenehm. Bis zum nächsten Forrà³-Termin. Die Plakate in Joao Pessoa lassen auf Feines schließen „Pop-Festival Jacar逝. 4. August. Aber vielleicht sind wir dann ja schon am Amazonas€¦ Anaconda statt Sandmücken – oder etwa „und Sandmücken€? Wir werden berichten.

Jetzt aber mal schnell gebloggt…

Diese Baustelle ist eine brasilianische Agua de Coco-Produktion. Im Restaurant „Buchada€ – das ist, soviel ich verstanden habe, ein gefüllter Ziegenmagen. Mochte der alte Oggersheimer ja auch gern, sowas.buchada-agua-de-coco.JPG

Irgendwie rauscht die Zeit so unter uns durch.

Wir stecken mitten drin in den Plänen, wie es nun weitergehen soll, nur unterbrochen von kleinen Wohltaten, wie mal schnell in der „Buchada€ essen zu gehen.

buchada-grill.JPG

buchada-ofen.JPG

Hier sieht man Knoblauchbrote, Würste und „Picanha€ traulich nebeneinander brutzeln, und die Totale ist auch nicht uninteressant.

Zu den Bildern gibt es heute abend, in einer ruhigen Minute mal ein paar Erklärungen!

Versprochen!img_3139_1_1.JPG

Aussenborder – Innenborder

Ortstermin AKKA. Wir sehen die Taskforce „Außenborder“ bei der Arbeit.
img_3073.JPG
Seit Portugal – sprich: seit der ersten dauerhaften Benutzung nach 3 Jahren! – läuft unser schicker Yamaha 4 PS-Viertakter nicht wirklich gut. Er schiebt uns zwar nach Hause, wenn wir ihn sehr bitten (und die Strömung es erlaubt), aber er tut sich schwer. Mich haut er immer mit dem Anlasserkabel, das mir aus der Hand schnackt, er zündet früh, und außerdem nimmt er maximal 1/3 Gas an – meist tuckern wir im Standgas durch die Gegend, und auf dem Paraiba mit 2 Knoten Strom gegenan machen wir dann den Affen für die übrigen Bootsbesatzungen, es dauert halt, bis man die AKKA wieder erreicht hat. In Gran Canaria war das Teil schon mal zur Kur, ich hatte dort auf Spanisch mit einer lautmalerischen Symptombeschreibung à la „el motor hace „booooh“! No hace „wääh, wääh!“ geglänzt, der Reparaturversuch war (entsprechend?) ohne Erfolg, in Afrika haben wir’s ertragen, aber jetzt müssen wir das Rätsel endlich mal lösen. Andreas baut den Vergaser fleißig auseinander und wieder zusammen und testet, grübelt, testet, korrespondiert mit Yamaha in Hamburg, testet, grübelt, radebrecht mit Yamaha in Joao Pessoa. Erneutes Testen und Grübeln. Nun haben wir ja auch noch sehr findige wie hilfsbereite Schiffskollegen und wissbegierige dazu –  schließlich kann jeder nächste mit identischem Problem sein!); das sind Len und Urs, und es findet sich eine schließlich eine schlagkräftige Arbeitsgruppe in unserem Cockpit zusammen. Der Chef stellt den Rechner auf das geschlossene Schiebeluk, damit man den Ersatzteilkatalog und die Explosionszeichnungen im Werkstattmanual gut sehen kann, also bin ich im Salon eingeschlossen und versuche derweil den Salontisch zu reparieren. Und darf Kaffee machen! Oben wird in Kanälen gestochert („…hast Du einen dünneren Draht?“), gepustet („… durchgängig in beiden Richtungen!“ )
img_3076.JPG
und geblinzelt („… I can see light!“).
Was ich am meisten höre ist: „… was ich jetzt nicht verstehe…“ Wie ein Rundfunkhörspiel, das Ganze! Nachdem zum Schluss noch ausgiebig die Schieblehre geschwungen wurde, kommt der Moment, wo der Motor wieder ins Wasser geht.

Und was macht er?? Wääh – wääh??. Ach was, er macht immer noch „booooh“, wenn man Gas gibt…
img_3086.JPG

.
Heute nun – Selim Kuru, der hilfreiche Yamaha-Fex aus Hamburg, tippt auf den Ventiltrieb! – wurde er in die örtliche Außenborderklinik eingeliefert. Mal gucken, was der Doktor sagt…

Zur Entspannung und Belohnung für die vergeblichen, aber doch nervenzehrenden Mühen gibt es (außer einem Grillabend mit 2 kg Filet Mignon!) dann mal einen Ausflug ins Umland. Gleich neben dem Steg fährt das kleine Fährboot hinüber zur Insel, wir wollen nach Forte Velho wandern.
img_3087.JPG
Len, Janna und die beiden Schweizer hatten schon am Montag mal versucht, diese – schwimmwestenpflichtige! – Fähre in der Gegenrichtung von Cabedelo her ausfindig zu machen, immerhin so an die 5 Meilen enternt, leider ohne Erfolg, so dass wir nun mal von unserer Seite aus starten. Eigentlich ein Boot für die Dörfler drüben, wenn man seinen Fisch an den Mann oder die Frau bringen will, einkaufen, die Angeschlagenen zum Gesundheitszentrum in Jacaré schleppen oder die Kinder zur Schule transportieren muss. Fahrräder sind täglich auf dem Boot zu sehen, heute auch, und nach 15 Minuten ist man drüben
img_3091.JPG
Zunächst eine Dorfrunde – fleißiges Treiben am Waschplatz.
forte-v-waschplatz.JPG
und nicht nur die Wäsche will gesäubert werden…

Die Dorfkinder haben wenig gemein mit den afrikanischen – von Toubab-Geschrei ist keine Rede, eher linst man scheu aus dem Lehmhaus
forte-v-madchen.JPG
Und dann: Schuhe aus! Es hat geregnet!
forte-v-schuhe.JPG

und wir erfreuen uns an der vielfältigen Natur 😉
img_0833.JPG
Kilometerweit nix als Zuckerrohr! Zugegeben, nicht ganz – wir laufen durch dichte Waldstücke, waten durch Bäche, krabbeln unter Zäunen hindurch. Perfekter Kulturlandschaftsmix.

forte-v-landschaft.JPG

… und mit lahmen Beinen klettern wir schließlich in Forte Velho auf den „Bus“ nach Cabedelo.
img_3109.JPG

Mit Innenbordmotor.

Was der Außenborder macht?? Der läuft 1 a! Der Doktor hat ihn schon gestern entlassen, brachte ihn her, bestand auf einer gemeinsamen Probefahrt – der Eigner strahlt! Nicht nur, dass jemand hier in Jacaré innerhalb Stunden richten konnte, was uns wochenlange Forschungsarbeit beschert hatte – es war sogar Ersatz für die krummen Stößelstangen vorhanden. Die AKKA-Present-PetiteFleur-Taskforce macht die AUsschlussdiagnose, ein Hamburger Ferndiagnostiker tippt richtig auf den Ventiltrieb und ein brasilianische Wunderheiler führt alles zum guten Ende…

Die Gilbertos

€¦ die habe ich natürlich durcheinander gekriegt. Mal wieder eine Richtigstellung: Gilberto Gil ist nicht Bossa Nova-Star, sondern der (noch?) amtierende Kulturminister und ein Tropicalista. Joao Gilberto ist der Bossa Nova-Mensch, aber immerhin hat er Gilberto Gil zum Gitarrespielen gebracht. Sagt Wiki€¦

Beschaffungsqualen, nächster Teil. Ich stöbere ein bisschen im Internet nach CDs und Büchern; nebenan brütet im Großbaum eine Schwalbenart und ich kann sie so wenig benennen wie die brasilianischen Musiker – das muss sich ändern . Was nicht Telenovela ist, scheint hier nicht zu haben zu sein; mal abgesehen davon, dass man hier Philosophen gern mag und geradezu eine Nietzsche-Mania herrscht, die bis dahin geht, dass der Verkäufer, der mir die brasilianische Telefonkarte auflädt micht anstrahlt: „€¦ ahh, alemao! A senhora gosta o Nietzsche??€. Ob ich Nietzsche mag – ich kann das nicht mal buchstabieren€¦ Ansonsten scheint man nicht mal Bücher im Buchladen bestellen zu können – entweder ist etwas im Sortiment oder eben nicht. Oder ich bin im falschen Buchladen. Oder, was am wahrscheinlichsten ist, man hat mich nicht verstanden . Manchmal sind gute Läden doch sehr weit weg, die Sprachbarriere tut ein Übriges. Langsam neigt sich auch der von Andreas mitgebrachte SPIEGEL- und ZEIT-Vorrat dem Ende entgegen, und gerade der hat den Hunger auf Lesbares neu geweckt. Hatte ich gesagt, dass ich völlig hirnrissigerweise schon ein portugiesisches Buch gekauft habe, zwecks Lektüre? Ob das jemals was wird? Jedenfalls nicht heute. Die Salonpolster sind weitgehend fertig gewaschen, es schwimmt eine unglaublich Harmattan-Brühe aus Afrika den Paraà­ba hinab, wirklich beeindruckend. Nun noch die Vorschiffspolster€¦ Und das große Moskitonetz, das zerrissen ist, flicken. Der Chef breitet derweilen den Vergaser (=Versager!) des Außenborders auf dem Cockpittisch aus. Sonntag in Jacaré. Ich lege mal Gilberto auf, oder Maria Bethà¡nia, das entspannt.

Beschaffungsqualen

Ein Morgen der an einen europäischen Sommertag erinnert – Sonnenschein, milde 30 Grad, es ist 8 Uhr und wir haben schon längst gefrühstückt – wir leben die tropische Variante der senilen Bettflucht, nämlich mit den Hühnern ins Bett und auch wieder raus. Der Eigner ist zurück aus Deutschland und hat ein paar ebensolche Sommertage gerade erlebt; das Spargelessen hat er allerdings nach dem anfänglichen Stress gerade um 2 Tage verpasst, und Erdbeeren zu kaufen, da hat er nicht dran gedacht. Oh, Mann, und das ist das einzige, was ich hier vielleicht mal vermisse – Kirschen, Himbeeren und anderes Sommer-Matscheobst.
Zurück zum Eigner, der stieg aus dem Flugzeug mit allerlei Ersatzteilen, und so schönen Sachen wie einem verdächtigen Kilo Pulver für die Eignerin, leicht säuerlich riechendes auch noch – Trockensauer für€™s Brotbacken.€Waren bis 500 US$ sind frei€¦€. Nothing to declare! Na, denn man tau. Und zum erstem Mal in seiner Karriere als harmlos und seriös ausschauender Fluggast wird er aus der Schlange herausgewunken. Zoll. Schweißausbruch – er versucht einen Warnanruf zu mir, die ich vor dem Gate stehe: „€¦ das kann dauern!€ Es dauert genau 20 Sekunden, so lange braucht das Gepäck für die Reise durch das Röntgengerät. Der Plastikbeutel mit dem Trockensauer – für Koks oder Heroin wohl zu plump unversteckt. Der WLan-Antennenvorrat, die Dichtungssätze, Leuchtstofflampen, Wäscheklammern, Motorenteile, Lens halber Generator – alles unverdächtig und nicht von Interesse für den brasilianischen Zoll. Was die wohl suchen? Eingeschmuggelte Monster-Bikinis oder Copy-Flipflops? Egal – dem Reisenden war die Erleichterung anzusehen. Mir auch. Er ist nämlich wieder da.
Aber nun geht es weiter mit den Beschaffungsbemühungen, es passt einfach nicht alles ins Fluggepäck. Meine „freie Zeit€ hatte ich bereits gut genutzt und zum Adventureurlaub umgemünzt€¦ Ich war beim Metzger und habe gefragt, wo man einen Stichschutzhandschuh kaufen kann. Sehr schöne Unterhaltung im Supermarkt, Lachen auf allen Seiten. Ist ja auch komisch: leicht abgerissen gekleidete dicke Seglerin fragt in gebrochenstem Portugiesisch, wie sich der Handschuh nennt, den der Herr hinter der Glasscheibe da an der linken Hand trägt. Ganz einfach: Stahlhandschuh = luva de aco ( mit c-cedille, aber das kriege ich hier nicht hin! Ich könnte das WordPress würgen! ). Aah! Und kriegen tu ich das beim Vertreter aus Sao Paulo. Uuuh. Also wir nicht, schließlich sind wir keine Metzgerei, sondern wollen nur Propeller und Rumpf von Bewuchs befreien. Nächster Punkt: Batterie für den Laptop. Mercado Livre, das brasilianische eBay, bietet sie an, aber zu hohen Preisen. Also nachfragen im Elektronikkramladen. Und da wird man schnell auf „website€ verwiesen, übrigens gesprochen: „wäbbseidschi€ (es gibt noch ein schönes brasilianisches Wort aus diesem Themenkreis: „daolodschi€. Was das wohl heißt ?? ). Die Batteriefrage hätte ich mir also sparen können, dafür schaltet sich ein Nigerianer ein, der mir auf Englisch einhilft und so kommen wir zu dem Tipp, doch eine externe, modellunabhängige Batterie in Erwägung zu ziehen – die gibt es aber nicht hier, sondern eine Busreise entfernt in einem anderen Laden. Problem vertagt. Schräg gegenüber, darum bin ich eigentlich hier, sah ich aus dem Bus heraus eine Reklame für Wasserfilteranlagen – die müssten unsere Vorfilter für den Wassermacher haben! Schlau gedacht, aber Fehlanzeige€¦ Das typische brasilianische bzw. latino-Geschäftslokalverfahren: Reklameschild mit Rufnummer am Haus, man steht dann vor einer Reihe nummerierter Klingeln, weiß nicht, welche man drücken soll, hofft auf Erfolg bei der jungen Frau, die einem bedeutet, dass sie in das ansässige Steuerbüro möchte, so dass man mit durch die Tür schlüpfen könnte – aber sie hat damit so wenig Erfolg, wie ich mit dem Telefonat mit der Rufnummer, die auf der Reklametafel steht. Die Adresse existiert einfach nicht mehr, und nicht einmal der interessiert zuschauende Keilriemen-Straßenhändler, dem ich verzweifelt mein Telefon ans Ohr drücke, kann aus dem Austausch von Wortschwällen herausfiltern, wo ich denn nun Wasserfilter bekommen kann. Schade, aber dafür entdecke ich ein sehr gut sortiertes Schreibwarengeschäft. Faber-Castell und so€¦
Also machen wir uns jetzt mal wieder auf ins Internet. Daolodschi. Download. Von Wasserfilter- und Batterie-bezugsquellen.Und was des Seglers Herz sonst noch begehrt.

Johannis

oder: São João

Der Unterschied zwischen den Skandinaviern und den Nord-Ost-Brasilianern ist, dass man sich hier zu Mittwinter an Cachaca labt, und dort, zu Mittsommer, an Aquavit – und vor allem auch unterschiedliche Tänze tanzt, hier jedenfalls ist alles:

Forró. Typisch São João.
Ganz lokal gesehen ist in Jacaré sowieso ständig Forró, denn die brasilianischen Touristen aus Joao Pessoa wollen in den 4 Restaurants am Strand dringend damit bedient werden; wir erlebten das, als wir ganz harmlos eine Moqueca essen wollten. Aber schon am Wochenende musste ich bei meiner Radtour in die Stadt diversen alten Männern ausweichen, die sich den (gefährlichen) Seitenstreifen mit mir teilten und schwere, hölzerne Schubkarren mit dicken Lautsprechern vor sich her bugsierten, aus denen es mächtig schepperte; und mal abgesehen davon, dass es hier auch ein „Radio Forró“ gibt – es ist halt eine Spezialität des Nordostens – ist derzeit bei jeweder Radiostation jedes zweite Wort Forró, und jedes Musikstück sowieso. Gesprochen wird das Brasilianisch und „ganz logisch“: FOHOO. Ich wollte immer gern mal so ein ganz schwach-kehlig gehauchtes „r“ darin entdecken, so ein bisschen „focho“-mäßig, aber das gibt es nicht. Nun ratet mal, wie Yarra, des Marinabesitzers Frau, sich nennt. Jahaaa, das ist brasilianisch !
„FOHOO“ also. Schon der Taxifahrer nach Recife hatte mich damit beschallt.
Zunächst einmal ist Forró merkwürdig. 4-Vierteltakt, ein bisschen wie Humppa oder Polka. Grundbesetzung sind Akkordeon, eine afrikanisch anmutende Handtrommel mit dem lautmalerischen Namen „zabumba“ und, ganz wichtig – ein Triangel. Drei eher derb gekleidete Musikanten, gern im karierten Hemd (im Samba-Süden ist Forró auch Hinterwäldlermusik!), und deren Gesang – eher schlicht, Richtung Wortgesang – darf gern einen Tick „daneben“ sein, habe ich den Eindruck, jedenfalls bei den Liveauftritten. Für die fetzigen Studioaufnahmen (inclusive Bossa-Nova-Star Gilberto Gil!) gibt es offensichtlich jede Möglichkeit, die Besetzung bis zur Unkenntlichkeit von Triangel und Zabumba „aufzupoppen“ – womit wir beim Thema wären; darum geht es nämlich in des Wortes neudeutscher Bedeutung. Wie gut, dass ich mit Lektion 10 von „Primsleurs Portuguese One“ noch nicht so weit vorgedrungen bin, um die angebliche Schlüpfrigkeit der Texte zu erfassen. Obwohl es mich ja doch interessieren würde

. Eine der besseren Forró-CDs der letzten Zeit hat den bezeichnenden Titel „Musik für Hausmädchen und Taxifahrer“ – Forró war nämlich, hier im Brasilien der ausgeprägten Klassenunterschiede, vom Mittelstand aufwärts etwas zum Naserümpfen. Neuerdings – oder zumindest im Urlaub – geht man da wohl drüber hinweg – jedenfalls sehen die Tänzer im Strandrestaurant ganz schön „upper-klasse“ aus, besonders die Frauen in den eigens knappen Fähnchen, die sich da von den professionellen Folkloredarbietern betanzen lassen. Und wie: nicht nur die Texte sind ein bisschen schlüpfrig . Voll-Kontakt, würde ich das nennen, und Lambada scheint nur geklaut.

jacare-0624-dorfstrase.jpg

Jetzt ist es Morgen am Johannistag, die nächtlichen Feuerwerkskörper sind verstummt, die Rauchschwaden der São João-Feuer in der Dorfstraße verweht (und verregnet!), an den noch kohlenden Resten wird Fleisch gegrillt, von irgendwoher schickt noch ein einsames Kontrastprogramm ein leises Techno-Basswummern herüber.img_0810.JPG

Ich muss noch paar Tage warten, bis der Flieger Andreas aus Deutschland zurückbringt, und so werde ich heute schauen, was Johannis noch bringt – schließlich ist das ein Semi-Feiertag hier, die Läden schließen um 13:00, aber die Müllabfuhr fährt immerhin; die Gelegenheit zum Feiern jedenfalls – Regen hin oder her – werden sich die Leute nicht entgehen lassen, für ein paar geschmeidige Tanzwindungen mehr oder noch ein paar Böller. Und ich werde mal gucken, ob es in den offenen Supermärkten nicht eine gute Forró-CD gibt (Schrott gibt es genug!). Oder „Eu, tu, elles“, ein Nordestino-Film mit Gilberto Gil als Forró-Sänger – das tut den Sprachkenntnissen gut und irgendwie muss man São João ja gebührend feiern.

Land unter

Es regnet, und es hört nicht auf. Was hatten wir auch anderes erwartet – nichts, wir wollten ja eigentlich ein bisschen später, nämlich nach dem Besuch der Kapverden hier ankommen, aber nun genießen wir, dass die gewaschene Bettwäsche tagelang nachgespült wird. Petite Fleur, die am Wochenende aus Natal angeschippert kamen (nur 26 Stunden, gegen den Strom! Chapeau!) konnte innerhalb weniger Minuten 130 Liter Regenwasser in den Tank füllen, dank eines neuen, genialen Sonnen-Regenauffangsegels. Eine neue Version des AKKA-Segels ist schon projektiert ;). Es ist gewiss so, dass Regenwasser im Tank eher umschl?gt als selbst gemachtes oder chloriertes Leitungswasser, aber bei ausreichendem Durchsatz ist es DIE Alternative – es spart nämlich Strom, und der ist in Wolkenbruchzeiten eher rar. Allein der Windgenerator kann uns versorgen, und der kriegt auch nur in dicken Böen ausreichend „Drehzahl“…

Vorgestern gab es die erste Landpartie, nach Recife. Das waren 2 mal 2 Stunden „portagnol“ oder „espagues“ mit Jorge, dem Taxifahrer. Eine trübe Fahrt, durch den Regen, vorbei an Erdrutschen, aufgelassenen Zucker- und mülmenden Papierfabriken – in ersteren wird der Alkohol für Leib und Auto gebrannt, in letzteren der Regenwald verfeuert. Und so sieht die Landschaft auch aus; Magdeburger Börde, ganz in Zuckerrohr. Naja, streckenweise jedenfalls. Große Bäume und Rest-Urwaldflecken lassen ahnen, wie es hier mal aussah. Lianen hängen von den Bäumen, ich meine sogar einen Panther zu erspähen, aber das war wohl Halluzination. Die ersten Kilometer in Pernambuco – was für Namen! Recife, Pernambuco… davon habe ich als Kind von geträumt, und nun bin ich hier! – sind wirklich schlechte Wegstrecke, in Goiana sehen wir die ersten Lehmhäuser. Vielleicht verhilft der graue Himmel ja zum wahren Blick auf das, was man vielleicht im Sonnenschein noch als Idylle wahrnehmen würde. Es gibt massive Erosionsfelder zu sehen und da, wo oben auf den Hügeln Favela-Hütten dicht an dicht stehen, wird der rutschende Abhang mit Plastikplane vor dem Regen geschützt – sonst gäbe es eine ungebremste, kollektive Talfahrt. In Recife steht das Wasser knietief, „muito agua, muito problema“ sagt Jorge.

Der Zweck der Reise war ebenso trübe wie das Wetter: Andreas zum Flughafen in Recife schaffen. Mutter geht es nicht so gut, und so ist ein Deutschlandurlaub angesagt. Das ist nun die Situation, die kein
Langfahrtsegler will, aber alle fürchten, zumindest die mit Familie in der Heimat.
Muito agua, muito problema, auch stimmungsmäßig, aber wir lassen uns nicht „landunter“ kriegen…

www.manoevertraining.de zwo

oder:
€¦. wie auf dem Campingplatz isses hier, sagt der Eigner.
Stimmt. Ein bisschen wenigstens, und das ist gewöhnungsbedürftig. Zum ersten Mal seit ein paar Monaten liegen wir wieder an einem Steg, sozusagen mitten zwischen die Leut€™, aber eigentlich gibt es wenig Unterschiede zwischen hier und der guten alten Paulsen-Brücke in Arnis. Wesentlich vielleicht, dass hier zwar Stromsteckdosen liegen, aber kein Strom fließt. Immerhin gibt es Wasser (mit mächtig viel Chlor), und damit kann ich endlich die Wäsche selber waschen – die Marina-Wäscherin, so nett sie ist, war extrem teuer und das Ergebnis lausig. Dreck noch drin, nur die Seifenpulverreste, die sind neu. Es wird ein paar Tage dauern, bis mein Maschinchen sich da durchgefressen hat und hoffentlich kriege ich keine Sehnenscheidenentzündung vom Wringen, aber das hatten wir in diesem Blog ja schon mehrfach. Vor Anker war das Waschen einfach nicht möglich – für so viel Wasser aus dem Wassermacher reichen unsere Solarpaneele einfach nicht, und die Waschmschine verbraucht ja auch ein bisschen. Also bin ich es zufrieden mit dem neuen Liegeplatz, der auch nicht so exorbitant viel kostet.
Es war nicht einfach hierher zu gelangen, die paar hundert Meter Richtung Ufer, nachdem wir ja drei volle Wochen im Fluss rumgedümpelt waren; mir wird gerade bewusst, dass dieser Zeitraum schon einen fetten europäischen Urlaubszeitrahmen abgibt – was für ein Privileg, über so viel Zeit verfügen zu können.
Vorgestern hatten wir uns auf ein Anlegemanöver geeinigt – am Steg MIT Strom, mit der Nase gegen Wind und Strom, sehr bequem, die meisten Vorbereitungen waren getroffen, der Heckanker angeschlagen etc., und wir wollten in die Lücke neben „Bluesong€ schlüpfen – die kleine Steganlage füllt sich nämlich zunehmend; wir würden ganz außen liegen, Bluesong ist ohnehin nicht besetzt, also ist es ruhig, alles sehr passend. Das Wetter war saumäßig, und so saßen wir statt zu verholen mit Len und Janna im Cockpit, schlürften Sonntagskaffee und test-aßen selbstgebackene Hafermehlkekse (€€¦not worth repeating!€), gingen gegen Sonnenuntergang und bei einsetzenden Böen zu Wein und Kofta über, schmiedeten Traum-Pläne von der Magellanstraße und argentinischen Steakorgien und wetterten auf diese Weise wolkenbruchartige Regenfälle ab. Len guckte ein bisschen verwirrt ins Dunkle, seine Present hatte er noch nicht so aus der Ferne tanzen sehen, dafür dachte er immer, dass WIR wie die Wilden am Anker reißen€¦ Das Wetter wird nicht besser, also gab es abschließend noch eine aus dem Ärmel geschüttelte (sollte heißen: aus dem Weckglas geschüttete!) Hühner-Curry-Reissuppe mit zuviel Ingwer, bis denn überhaupt dasWetter ein Übersetzen der beiden Presenter auf ihr Schiff erlaubte. Das war also nix mit dem Verholen, aber es war ein feiner Sonntagnachmittag. Kaum waren wir am gestrigen Montag fertig mit den endgültigen Vorbereitungen, bemerkt mein Schiffer trocken: „€¦ das war€™s dann!€ und meint die kleine amerikanische Ketch, die gerade mit Schwung in die von uns angepeilte Lücke fuhr. Hmh. Philippe, der Besitzer dieser Anlage überführt gerade ein Schiff nach La Rochelle – wir vermuten ihn auf den Azoren, keine Chance, Vorrechte zu klären, die es ohnehin nicht gibt: Wer zuerst kommt, murt zuerst. Also auf ein Neues – ein ähnlicher Platz ist am zweiten Steg, eben dem ohne Strom, verfügbar. Tja, und da halten wir heute drauf zu, als wir von frenetischen Winkern empfangen werden – besetzt, reserviert, was weiß ich€¦
Wir ankern neu – leichte Missstimmung – und genehmigen uns erst einmal ein schickes Auswärtsessen in der Dorfstraße; 10 Reais für zweimal Reis und Bohnen und Tapioka und geschmortes Rindfleisch und Hähnchen, da kann man nicht meckern, zumal es auch noch gut schmeckt. Die Dorffrauen freut es eh€™, wenn wir kommen.
Auf dem Rückweg stehen wir eine Weile vor der diagonal liegenden Yacht gleich neben Alberts Riesenkatamaran Imagine, und nach zwei beherzten Handgriffen für ein bisschen Leinenführungskosmetik tut sich plötzlich eine Lücke für uns auf. Zwar ein bisschen blöd anzusteuern, rückwarts im Strom mit Seitenwind, eine obskure Mooringboje muss gefischt werden, aber irgendwie muss es gehen. Der Chef war ein bisschen angespannt, aber: www.manoevertraing.de €¦
Nachbarn aus der Welsch-Schweiz und dem Frankenland gingen ein bisschen zur Hand und – es ging. Hilmar, Du wärest stolz auf uns, auf Andreas, gewesen! Und so gibt es denn in nächster Zeit Nachrichten vom Campingplatz. Mit Würzburg, werden noch eine Flasche Roten leeren, das ist schon abgemacht, dem britischen Einhänder im fortgeschrittenen Rentenalter hätten wir den Platz heute früh ungern streitig gemacht und ansonsten scheinen wir mal wieder in Frankreich gelandet zu sein, mit ein bisschen Argentinien und Uruguay durchmischt. Alors! Vive la internationale des voiliers!

In eigener Blog-Sache

Ich habe gerade mal die Kommentare abgeschaltet – möglicherweise vorübergehend, aber gestern hatte ich 256 Kommentare zu einem Beitrag; schierer Spam oder wie man so etwas nennen will.

Wir müssen mal schauen, wo das herkommt und mal mit anderen Bloggern abgleichen, ob das normal und zu ertragen ist, aber 256 Kommentare bedeuten auch 256 eMails auf dem Account, und das macht sich bei unserer Internetverfügbarkeit ziemlich schlecht.

Ich hoffe auf Verständnis! Mails sind weiterhin willkommen!