Abenteuerurlaub

Ob das für einen kleinen Vogel auch unter „Abenteuer“ läuft, wenn man sich nachts ein fremdes Schiff sucht, um auf der tanzenden Reling, auf dem Solarpanel oder – besonders beliebt! – auf der LifeSling-Tasche ein Nickerchen zu machen? Beim erstem Mal vielleicht, aber mittlerweile kommt unser Gast schon mit schöner Regelmäßigkeit. 4 Nächte hintereinander, so rekonstruieren wir, ist der Vogel schon bei uns, und es MUSS derselbe sein. Seit ungefähr 300 Meilen mindestens werden wir also beobachtet und dann nachts heimgesucht. Als sich der dicke Federball das erste Mal im Mondlicht auf’s Solarpanel setzte, dachte ich: „Dohle“, und gleich auch „… die arme…“. Aber als im Morgengrauen die Silhouette von einer richtigen Gestalt abgelöst wurde, war bald klar: nix Dohle. Zu lang und spitz der Schnabel, zu schmal die Schwingen und – kleine Schwimmfüße umklammerten den Panelrand! Der gehört hierher, um den braucht man weniger Angst zu haben als um frühere Gäste. Braunes Gefieder, oben schwärzlich, unten etwas pudrig-aschig. Eine strichdünne, weiße Zeichnung, fast unsichtbar, zieht von den Augen nach hinten, und unter den Augen auch ein bisschen weiß. Für die Nacht danach wissen wir nicht, ob er irgendwo gesessen hat, aber heute war wieder „Päuschen auf AKKA“ angesagt, ehe es im Morgengrauen – nach dem Putzen und ein bisschen rücksichtsvoll leisem „kwäck-kwäck-kwäck“ (der Eigner schläft ja noch!) – wieder losging. Ob das „… bis später!“ heißen sollte? Wir tippen auf eine jugendliche Ruß- oder Zügelseeschwalbe, aber eigentlich auch egal. Bis auf den einen oder anderen Klecks an Deck ein angenehmer Gast. Und für ihn sicher auch nur noch wenig abenteuerlich, wir wissen uns ja zu benehmen. Gast auf dem Achterdeck? Dann werden eben weniger Segelmanöver gefahren!
Dafür war in den letzten Tagen bei uns „Abenteuerurlaub“ angesagt. Was macht den eigentlich aus? Ungewöhnlich muss es sein, ein bisschen gefährlich soll es aussehen, weit weg von der Zivilisation. Und „Action“ ist so unabdingbar wie Spannung. Hatten wir alles. Die Spannung ging eigentlich schon in Jacaré los: wie geht es eigentlich unserer edelstählernen Ankerkette?! Also haben wir die aus dem Ankerkasten ans Tageslicht geholt, auf’s Vorschiff gelegt und gesäubert; „action“, Teil 1, schließlich ist das Schiff in Bewegung und nicht schlecht, denn wir haben dieser Tage unsere besten Etmale herausgeholt, mit 7 bis 8 Knoten geht es teilweise dahin, gerefft. Ein bisschen Haaresträuben darf im Abenteuerurlaub ja auch sein, und das kam unweigerlich, als ich die ersten Kettenglieder mit „Zahnverfall“ entdeckte. Ab da war es vorbei mit dem Urlaub, es wurde geAKKAt. Das Ende vom Lied war dann die richtig große Action: Unterlegbrett in den Bugkorb, Schraubstock drauf, Säge zur Hand und – weg mit den ersten 19 Metern. Es ist schwer zu glauben, was die 7 Monate am Anker mit der Kette angerichtet haben. Wir waren ja gewarnt, von KIRA und GITANA, und hatten darum unser Silberstück liebevoll gepflegt, gewässert, geputzt, gelüftet, umgedreht, nicht „mal“ sondern regelmäßig. Leider gibt es keine Bilder von Bord aus, sie werden nachgereicht – welches wäre das schönste?

Das von Andreas, der gerade eine Zirkelnadel durch die Schweißstelle steckt? Wohlgemerkt: hindurchsteckt! Oder die tiefe Kariesstelle?

Füllung oder Überkronen hoffnungslos – dieser Zahn muss raus.
Und so haben wir nun a. 19 m Kette weniger, abzüglich weiterer 15 m am oberen Kettenende, das ein paar, vergleichsweise (noch) harmloser Schadstellen aufweist; b. die Frage zu lösen, wie schnell in Trinidad Ersatz zu beschaffen ist und c. ein Päckchen mit „Musterteilen“ nach Deutschland zu schicken. Beim Abenteuer geht man ja auch immer gern noch einen Schritt weiter als man eigentlich wollte – wir also auch. Andreas hat noch fix den „WASI Powerball“ geprüft, das ist das Verbindungsglied zwischen Anker und Kette, „german engineering“ pur und Germanischer Lloyd-geprüft – dazu am Rande: Mike, Australier, sieht unseren Powerball in Brasilien und sagt sarkastisch: „… well, I lost mine in the Chagos Islands!“; auch da hatten wir ein Auge drauf, äußerlich. Und nun der Blick in die Tiefe: Vom Schraubgewinde auf dem Verbindungsbolzen keine Spur mehr, nur die Sicherungschraube hielt das Ding zusammen. Schwein gehabt und rechtzeitig geguckt – und das war einfach zu beheben.

Natürlich sind ein paar Mails zum Sachverhalt nach Deutschland geflogen – Kurzwelle sei dank. Jetzt sind wir wieder ankerbereit, Zweitanker startklar, Sicherungsleinen dto. und segeln bei leichtem Wind und wieder entspannt den Iles du Salut entgegen. Noch 360 Meilen.

Wie ermüdend doch ein Abenteururlaub sein kann. Aber erleuchtend…

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