Manaus, 20.8.2008
Heute abend faehrt die Faehre nach Tabatinga. Nachdem uns unser Urwaldschiffchen nahe dem Faehranleger abgekippt hatte, konnten wir gleich Tickets kaufen und die Nacht schon an Bord verbringen, da ist man hier sehr freigiebig. So waren auch schon Haengematten auf dem offenen Mitteldeck angebracht und besetzt. Der Entschluss, eine Kabine zu nehmen, war dem Eingewühnungsgedanken geschuldet und auch der Gepäcksicherheit…
Als wir heute frueh aus unserer „Suite 5“ der „Sagrado Corazao de Jesus“ krabbelten; alles ein bisschen brazilian style, die Waende im Flur wurden gerade gestrichen, als wir einzogen, sprich: mein Rucksack hat was abgekriegt, aber fuer uns bedeutet es Gepaeck einschliessen und damit dem allgemeinen Zugriff (besonders in Haefen!) entziehen zu koennen, und ausserdem ein Doppelbett unter dunkler Holztaefelung zu haben, eigene Klodusche dazu; und vor allem haengt natuerlich ein zum Schiffsnamen passendes Votivbildchen ueber dem Augang zum eigenen Balkon (!!). Wir haben es nicht geschafft, die Frontkabine zu kriegen, von der Jochen/Bluesong gesagt hatte, dass man Aussicht in Cinemascope geniesst, aber wir werden nun 5 Tage alles betrachten koennen, was an der Steuerbordseite passiert. Und das wird einiges sein. Wir haben ja jetzt ein paar Tage im Rio Negro verbracht, und allein der Flussverkehr ist schon sehenswert…
Das Bloggen faellt in der Unruhe des Cafés schwer, was mir leid tut, ich schwanke zwischen einem schlappen Tagebuch und nur kurzen Bemerkungen. Ich kann ja mal die letzte Nacht der 5-Tagetour beschreiben, denn da hatte mich das „Half-Die-Syndrom“ aus Gambia wieder…
Irgendwo am Rio Negro, 2 Uhr nachts, hinter’m Ameisennest… Wir liegen in unseren Haengematten im Wald, Andreas und ich haben gluecklicherweise unsere Moskitonetze mitgebracht, weniger fuer die Moskitos, die es hier kaum gibt, als gegen die Bremsen. Ob die Netze auch Jaguar-dicht waeren, beschaeftigt mich nun nach Mitternacht. Wir sind mit Jason unterwegs, langjaehriger Dschungelwanderer, eigentlich aus Salvador (mit einem Urgrossvater, der ihm noch erzaehlen konnte wie es als Sklave war!) aber er ist seit 25 Jahren im Amazonasbecken zu Hause: Guyana, Venezuela, Kolumbien. Eine Urwaldvagabund, der sich auskennt. Aber an unserem Nachtlager, sagte Roberto, ein Caboclo aus der Gegend, dass er Jaguare gesehen habe. Also wurde gegen Abend das Lager mit der Machete gereinigt, duenne Staemme gehackt und ein Feuer entzuendet, das gleichzeitig unsere auf Brazilholz gespiessten Huehner brutzelte.
Und den Schweiss noch zusaetzlich in Stroemen fliessen liess. Abendbrot. Es dunkelt rasch und dann faengt es an zu gewittern. Ab in die Haengematte – was anderes kann man sowieso nicht tun; leider haengt die unter einer etwas undichten Plasitikplane, es wurde ein bisschen feucht. Schweissnass war sowieso alles – das muessen wir noch ueben mit der Vorbereitung auf Dschungelnaechte.
Gegen Mitternacht wurde ich wach, das Feuer nur noch mini-klein und ich fange an zu gruebeln. Diese Jaguartoene, die hoere, kommen allerdings eindeutig aus der Haengematte von Jason und Roberto. Ob die mal aufstehen wollen und das Feuer neu entfachen? Einmal zuckt eine Taschenlampe, ich bin begeistert. Aber Roberto pieselt nur irgendwo ins Unterholz und zack, liegt er wieder in der Matte. Ob der sich fuerchtet? Andreas schlaeft, die drei Russen, die mit auf dem Schiff sind, ebenso, einfach alle… Dann macht es direkt vor meiner Matte „plopp“. Irgendwas Schweres ist da runtergefallen. Huuh! Was war das fuer ein Viech? Kopflampe an: da liegt sie, meine Schuhsohle, die vom aufgehaengten Stiefel abgefallen ist… Mist. Auf Struempfen (Vogelspinnen hat es hier auch!) wandele ich zum Feuer und mache einen schwachen Entzuendungsversuch. Gelingt mir in dieser fast-barfuss-Eile nur mittelmaessig. Uuaeh! Wieder zurueck unter das sichere Netz. Andreas hat kurz danach etwas mehr Glueck, aber so richtig mag ich nicht einschlafen. Nur die anderen. Zikaden bruellen ebenso wie Bruell-Affen in der Ferne, ein Ozelot heult rum. Ein extrem unheimliches Windgeraeusch umlauft unser Lager. Das kann nur Wind sein – an- und abschwellend, die Tonhoehe wechselnd. Dreimal geht das so, bis ich dann doch noch wegnicke.
Ich gestehe, ich bin doch erfreut, das Fruehstueck dann spaeter auf dem Schiff einnehmen zu koennen – es war schoen, aber es war auch unheimlich. Das Geraeusch macht ein Vogel, dessen Namen ich jetzt mal ergoogeln muss – baletero oder aehnlich. Leider konnte Jason nur die indianischen Pflanzen- und Tiernamen nenne, es gibt also ordentlich was aufzuarbeiten aus meinem Notizbuechlein. 5 Tage bis zur peruanischen Grenze… Das sollte reichen!
Der Bildschirm faengt an zu zucken – ich schicke mal den Blog los, sonst ist gleich alles weg…