Tongan Dirt and Tongan Fun

Ovalau, 28.10.2011

Schöner Tag! Gesegelt! Vor’m Wind, unter Genua und Besan, und das wurdesogar dokumentiert, denn eine deutsche Männertörncrew (huh! 2 Wochen Vava’u, 7 Männer auf 38 Fuß Katamaran…), die in Port Maurelle neben uns gelegen hatten, filmten eine schöne AKKA im Vorbeisegeln vor echtem Südsee-Kitsch-Hintergrund aus türkisem Wasser, weißem Strand und Palmen. Das wird bestimmt „oh“ und „ah“ geben beim Diaabend im Segelverein…

Geschnorchelt! Ich habe erstmals einen dicken, langen Quallennesselfaden abgekriegt, autsch!, und weil es so schön ist, habe ich ordentlich gequirlt, um das Dinge loszuwerden, so dass ich den Kram dann nicht nur am rechten Arm hatte, sondern auch hinter den Ohren, quer üebr den Rücken, am linken Arm. Blödes Vieh (die Schipperin, natürlich). Dafür gab es eine Vielzahl bislang unentdeckter Korallen zu sehen, bei manchen ist man fest überzeugt, dass die ganz hart sind, dabei sind sie weich und wedeln leicht in der Strömung, bei anderen ist es genau umgekehrt. Eine schwarze Koralle mit gelben Streifen auf langen, weichen Wedeln. Eine riesige alte Hirnkoralle mit zahllosen Röhrenwürmern, die kleine Fiederspiralen in den unglaublichsten Farben nach außen strecken: blau, gelb, apricot, weiß-rot. Und nichts davon ist auf Speicherkarte gebannt (Zelluloid gibt es ja nicht mehr), denn die Kamera hatten wir dieses Mal an Bord gelassen.

Was der Betreff zu sagen hat? Der bezieht sich auf noch eine „schöne“ Beschäftigung heute… Gestern abend waren wir in Tapana zum Essen, es gibt oben am Hang ein kleines, uriges Restaurant, von einem spanischen Paar geführt, das samt seinem Lokal dem Comic „Asterix bei den Hispaniern“ entsprungen sein könnte. Nasen, Frisuren, Möbel, Essen alles „…hombre!“ Nach Tapas, Gazpacho und Paella gab es vom Eigentümer zum Nachtisch schöne traurige Gitarrenklänge mit noch sehnsuchtsvolleren Texten, irgendwo zwischen Brasilien und Spanien angesiedelt. Dass es inzwischen ein bisschen auf’s Dach geprasselt hatte, gewann erst an Bedeutung, als der Eigner, zurück an Bord, ein entsetztes „alles voller Sand!“ ausstieß. Kann gar nicht sein, und schon gar nicht von mir, schließlich hatte ich doch das Dinghy durch’s knietiefe Wasser geschubst, ehe wir losfuhren. Allerdings – so wie das Deck heute früh aussah, muss man der tonganischen Erde – tiefroter Lateritboden! – eine gewisse Anhänglichkeit bescheinigen. Eine mustergültige Reihe von roten Fußtapsen, Badeleiter, Besandeck, Cockpit, Niedergang… bis ins Klo. Keine schlechte Idee, die Füße vor dem Gang ins Bett zu waschen, aus dem Bettzeug wäre das nicht rausgegangen. Tongan Dirt. Gibt es auch als T-Shirt-Design, wir scheinen nicht die einzigen zu sein, die ihre Erfahrungen damit machen. Will sagen: geschrubbt haben wir auch.

… zu kurz, aber gut…

Niua Akka in Blau

Neiafu, Vava’u/Tonga, 21.10.2011

Zu kurz, aber gut. Vielleicht wäre das auch ein Resumée für das Leben von Stefan – wir sind doch immer wieder geschockt über seinen gewaltsamen Tod, aber wir sind auch berührt von den vielen positiven Äußerungen anderer Segler und Freunde – möge das Heike ein bisschen helfen.

Eigentlich jedoch meinte ich mit „kurz und gut“ unseren Ausflug nach Niuatoputapu. Dass der sich so kurz gestalten würde, hatten wir nicht gedacht, aber am Donnerstag tat sich ein Wetterloch auf, das wir nutzen „mussten“, wenn wir in absehbarer Zeit zum Absprung zurück nach Neuseeland bereit sein wollen. Ganz kurz sah es gestern so aus, als hätten wir doch noch ein paar Tage anhängen können, aber nur ganz kurz, heute schon zeigt sich ein steter, frischer und für die Segelrichtung Niuas-Vava’u ekliger Südostpassat für die ganze kommende Woche. Wir sitzen also in Neiafu, sind’s zufrieden, denn wir hatten die perfekte Überfahrt, 30 Stunden zwischen leichten Am-Wind- und Raumschotskursen, bei nicht so garstiger See wie befürchtet, und wir lassen den schönen Aufenthalt auf Niuatoputapu revue passieren.

... und Schweine und  Hunde besorgen den Rest...

... und Schweine und Hunde besorgen den Rest...

Wir wären wirklich gern länger geblieben – ganz zum Schluss, auf dem Abschiedsgang durch Falehau, lernten wir noch die besonders nette Theresa kennen, Volksschullehrerin an der Staatlichen Schule in Vaiapo, und angesichts der vielen ungestellten Fragen oder der verpassten Gelegenheiten, zum Beispiel mal einen deutsch-tonganischen Kochabend zu veranstalten, fällt es einem schwer abzureisen.

Bei Ankunft hatten wir gleich Sia getroffen, die so eine Art Segler-Patin ist (und damit offensichtlich auch das Misstrauen oder gar den Neid der Nachbarn auf sich zieht), aber sie kümmert sich eben um diese Handvoll Touristen, die nach dem Tsunami von 2009 noch übrig geblieben sind, um die Segler nämlich; nachdem der Tourismus auf Niuatoputapu mit der unsicheren Flugverbindung ohnehin sehr bescheiden war, ist das einzige Touristenresort der Welle zum Opfer gefallen und nicht wieder errichtet worden. Familienanschluss gibt es bei Sia frei Haus, entweder begleiten die großen Söhne, gerade im Highschool-Abschlussstress, Wanderer auf den Bergkamm der Hauptinsel oder man geht, wie wir am Sonntag, zu Sia und Nico zum Mittagessen – siehe Bilder. Man sitzt auf dem Boden (es war auch ein Palangi-freundliches Bänkchen bereitgestellt) und isst tonganisch-schlicht, Tarotaschen mit Hühnchen oder Fisch, Papaya-Gemüse und die unvermeidliche Portion Kumara, Brotfrucht und Maniok. nicht zu vergessen unseren Karamelpudding und den Marmorkuchen, den ich mit etwas Schlagsahne und einer Schokoladenfrischkäsecreme aufgepeppt hatte. Ich glaube, wir haben es alle sehr genossen.

Vic ky und William öffnen den Sonntag-Umu

Vic ky und William öffnen den Sonntag-Umu

... und wir essen alles auf

... und wir essen alles auf

Die MAMBO, ein österreichischer Katamaran, hatte uns aufgetragen, eine kleine Fotodokumentation mit nach Niuatoputapu zu nehmen, die an die Geschehnisse rund um den Tsunami erinnern sollten, und zum Nachtisch schaute sich die Familie gespannt die Bilder dieser dramatischen Tage an – „… oh guck‘ mal, Lupe’s Haus! Und hier – da schwimmt unser Dach…“ Gesprächsstoff für Stunden.

Das Buch zum Tsunami. Sia und Nico mit William und Vicky.

Das Buch zum Tsunami. Sia und Nico mit William und Vicky.

Des Abends fand sich die ganze Familie zum Gegenbesuch an Bord der AKKA ein – viel haben wir nicht zu bieten, kaltes (!) Wasser, ein Karton kühler Fruchtsaft, aber unsere Vorräte an Bhujia, hülsenfruchtbasierter, indischer Knabberkram, werden begeistert getilgt.

Vicky beim Wickeln von Pandanusstreifen

Vicky beim Wickeln von Pandanusstreifen

Dafür dürfen wir am Montag Vicky beim Wickeln von Pandanusstreifen beobachten, die Elektrikanlage des Hauses in Augenschein nehmen – und außerdem machen wir uns auf den langen Marsch nach Hihifo, wo Muli nun sein Fotobuch erhalten soll. Alle nas’lang muss man stehenbleiben, Kinder begrüßen, Passanten nach den Feldpflanzen befragen; die Kindergärtnerin kriegt eine Portion Buntstifte, Spitzer und Radiergummis, im Gegenzug lassen wir uns etwas über das Schulsystem erzählen, die Kindergarten- und Vorschulkinder bleiben nämlich bis zum Abschluss der ersten Klasse in ihrer Obhut; und es gibt etwas zu sehen, was es auf Niuatoputapu gar nicht gibt: Tapa-Produktion! Die Insel ist berühmt für besonders feine Pandanusmatten, das sieht man auch des Sonntags, wenn alle Kirchbesucher in glänzenden und dezent farbigen Ta’ovalas zur Kirche schreiten. Aber Tapa – Baststoffstreifen aus Maulbeerbaumrinde – das gibt es hier nicht. Nicht?! Klar gibt es das! Mafi sitzt mit ihrem Vater unter den Bäumen und trennt äußere Rinde vom Bast – besonders der Herr Papa macht das mit stoischer Ruhe, viel Routine und Erfolg, ohne dass die Streifen einreissen. Aber es ist eine Importkunst: die Familie ist aus Tongatapu zugezogen, der älteste Sohn ist der Priester der katholischen Gemeinde, und so pflegt man hier „Heimattraditionen“, während in vielen anderen Häusern eben Pandanusblätter verarbeitet werden. Weiter – Besichtigung der ehemaligen Resortinsel und der Versuch, sich auf Grund der Trümmerreste eine Vorstellung zu machen, wie Hihifo wohl vor September09 ausgesehen hat. Und die Suche nach Muli, dem Fotobuchadressaten. Eine Nichte von Muli gabeln wir zufällig auf, die uns natürlich persönlich lotst, und dabei ein wenig schüchtern, aber doch offen über Schule und Schulkarrieren auf den Inseln erzählt. Da gibt es wohl sehnsüchtige Wünsche, die Heimatinsel zu verlassen, und gleichzeitig viel Heimatverbundenheit, aber über einige Spezialaufgaben hinaus – im schulischen Bereich, in der Verwaltung oder Telekommunikation oder Paeas Job als Gemeindeschwester – gibt es wenig Perspektive. Außer Umu, Kinder, Kirche, natürlich – für die Frauen. Hängematte, Fischen, Gärtnern auf der Männerseite, wobei die Frauen durchaus auch gärtnern und fischen. Und Matten flechten … Nach einem langen Marsch durch den Busch und entlang der Gärten am Fuß des Berges laufen wir wieder in Falehau ein, das sich hier deutlich ein zwei Teile teilt: einige Häuser, genannt „das neue Dorf“, sind am Hang angesiedelt, tsunamigeschützt, aber viele der angestammten Dorfbewohner haben ihre alten Häuser wieder aufgebaut oder neue an die alten Stellen gesetzt. Die Krankenstation steht ungefähr in der Mitte zwischen den Siedlungsteilen. Wir bleiben für ein Gespräch bei Paea stehen und stellen fest, dass sie sich über die Weitergabe unserer Medzinkisteninhalte unglaublich freuen würde. Ciprofloxacin hast Du?! Oh… Antibiotische Ohrentropfen?! Sie strahlt, als wir versprechen, am nächsten Tag mit den Kisten vorbeizukommen. Wenn der Versorger wirklich nur alle paar Monate kommt, ist die Medikamentenversorgung hier wirklich schwierig, und für uns ist es kein Beinbruch, unsere Vorräte in Neuseeland wieder aufzufrischen. Dafür kriegen wir dann Papaya und Banane „satt“.

Der Tonganer an sich ...

Der Tonganer an sich ...

... und der Palangi in Tonganerposition

... und der Palangi in Tonganerposition

Es ist warm, warm, warm, als wir auf die Mole hinauswanken, im Blauen schaukelt die AKKA. Pause. Kaum verschnaufen wir an Bord, krackelt das Funkgerät. Nico: „… can I come over and collect the radio??“ Puuh, der Eigner verneint, zu warm, zu faul (die o.a. Hängematte hat ihren Grund!), um nach dem alten Sailor-UKW-Funkgerät zu graben, das wir ihm versprochen haben, quasi als Umu-Lohn, aber dann lässt er sich doch erweichen, und ich tuckere schnell an Land und übergebe das für moderne Zeiten ein bisschen überdimensionierte, alte, aber doch sehr zuverlässige Teil. Ich klettere gerade zurück an Bord, als ich schon den höchst erfreut klingenden Funktionstest zwischen Nico und Andreas belauschen kann: „… I read you loud and clear…“ Na, das ist doch toll.

Niua Elektro

Ja. Toll. Am Folgemorgen steht Nico etwas bedröppelt in der Tür seines Hauses. „… ich glaube, ich habe was falsch gemacht…“ Das neue, alte Funkgerät schweigt beharrlich – verpolt hat Nico es, so ein Ärger, das kommt vom freien Anklemmen irgendwelcher Kabel an einer freistehenden Batterie. Andreas schluckt, das Teil war uns ja irgendwie doch was wert. Zurück an Bord. Der Eigner packt die „Grundausrüstung“ – Abisolier- und Krimpzange, Kabel samt Kabelschuhen, das Schraubendrehersortiment, Ersatzteile, und brechen auf zum Elektrowerkstatt-Teil unseres Inselbesuches. Ei, jei. Die Bilder zeigen es, und während drinnen ein gelangweilter Besucher aus Nuku’alofa auf der berühmten Tonganermatte liegt und sich eine grässliche US-Irgendwas-Stealthbomber-DVD – über Generator gespeist! Einem Gast kann man halt die Verschwendung von kostbarer Energie nicht abschlagen! – anschaut, baut Andreas, zunächst nicht so besonders hoffnungsfroh, das Funkgerät auseinander, ortet mit Schipperinnenhilfe, die den Dokumentationsteil übernommen hat, den Fehler und ganz konkret dann die Sicherung; des Tropenschraubers höchste Kunst ist, die Schweißtropfen nicht ins Werkstück fallen zu lassen. Aber: Ende gut, alles gut. Als i-Tüpfelchen wird noch eine kunstvolle Wandhalterung für das Gerät angebracht samt einer schönen deutsch-ordentlichen Verkabelung. Als Sia vom Verwaltungsbüro heimkommt, funktioniert alles perfekt.

Niua Sailor

Das war nun wirklich mitten im tonganischen Leben. Leider hatten wir vergessen, eine Trenndiode oder wenigstens einen Schalter für das Solarpanel mitzubringen, so wird auch weiterhin täglich das blanke Kabel ver- und wieder auseinander gezwirbelt werden. Und wenn man sich die UKW-Antenne des Hauses anschaut, die Nabelschnur zu den Seglern, heißt die Diagnose: Tsunamischaden, tonganisch. Ein echtes Schweineschwänzchen von Antennendraht kringelt sich da aus dem abgebrochenen Antennenrohr, aber es gibt Wichtigeres: Schließlich ist man froh, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben. Nico verbringt jährlich mehrere Monate als Erntehelfer in Neuseeland und Australien, wobei natürlich ein Haufen Geld für den Transport drauf geht, und wenn er zu Hause ist, ist er mehrere Tage der Woche „drüben“, in den Gärten auf dem Vulkan, für Früchte, Gemüse und, Haupteinnahmequelle, Kava. 5 Meilen offene See, mit dem wackeligen Motorbötchen und mit einem unzuverlässigen Motor. Das ist Fleiß, Mut, Gelassenheit – und eine ordentliche Portion Gottvertrauen.

Nach dem Tsunami wieder aufgebaut: Nicos und Sias Haus

Nach dem Tsunami wieder aufgebaut: Nicos und Sias Haus

... und dazu gab es SPendenhilfe aus Deutschland!

... und dazu gab es SPendenhilfe aus Deutschland!

Wir könnten noch Tage und Wochen hier zubringen, schauen (Schweine, Pferde, Hängematten!), helfen (Medizin, Schule!), werkeln (Elektrik, Elektrik…) – mit viel Spaß.

Zu kurz waren wir dort. Aber gut war’s!

Mit Sia vor dem Haus

Mit Sia vor dem Haus

PS: Bilderkommen morgen aus dem Aquarium-Café – schneller als an Bord und dafür kostenfrei…

Guter Tag, schlimmer Tag

Niuatoputapu, 16.10.2011

Ein weiterer, wunderschöner Tag in Falehau. Wir waren zum Umu-Essen bei Sia und Nico samt ihrer Familie, abends kamen sie dann zu uns an Bord, wir konnten uns mit Saft und Wasser revanchieren, aber es gibt Tage, da mag man dann gar nichts Fröhliches mehr berichten, und so ein Tag ist heute. Es steckt uns der Bissen in der Kehle.

Auf dem deutschen Funknetz um 20 Uhr spricht uns Detlef an, dass er wohl schlechte Nachrichten für uns habe – ob wir Neuigkeiten von der BAJU hätten. Wir ahnen sofort, dass dies nur etwas mit dem Inhalt einer Mail von Heiner zu tun haben kann, die heute kam: „… deutscher Segler in Nuku Hiva getötet“, und so ist es.

Wir sitzen wie benommen im Cockpit – erschüttert und fassungslos. Wir hatten eine schöne Zeit mit Stefan, Heike und Stefans Familie und hatten uns auf ein Wiedersehen mit der BAJU gefreut – nun bleibt nur zu sagen, dass wir mit Heike, mit Stefans Eltern und Bruder fühlen.

Wie gern würden wir etwas von Eurer Last, von Eurem Entsetzen nehmen – wir denken an Euch!

Niuatoputapu

Falehau, Niuatoputapu/Tonga, 15.10.2011

Wat is‘ dat heiß inne Tropen! Wir hatten ganz vergessen, wie es auf 15 ° Süd ist, und man fragt sich rückblickend, wie wir das immer ausgehalten haben in den vergangenen Jahren, eigentlich seit Gambia?! Als wir gestern etwas platt in Niuatoputapu ankamen – es ist völlig egal, ob man 3.000, 800 oder nur 180 Meilen läuft, ob man 20, 6 oder nur eine Nacht „durchwacht“, man ist platt! – war „was trinken!“, „Sonnensegel aufspannen!“ und „in die Ecke plumpsen!“ angesagt. Wir liegen vor Falehau, den beeindruckend regelmäßigen Vulkankegel des Tafahi, mit Wolkenhütchen, im Hintergrund. Nicht allzu lange konnten wir gestern „plumpsen“, denn da das Wochenende droht, mussten wir noch schnell einchecken, national zwar nur, aber es ist ja gleich, welches Büro am Freitagnachmittag schließt, und dazu galt es 4 km Landstraße von Falehau zum Verwaltungszentrum nach nach Vaipoa zu laufen. Siehe oben – ist das heiß in den Tropen… Recht lange mussten wir allerdings nicht gehen, an einer der ersten Kreuzungen hielt ein Toyota Double Cab, eine fröhliche Frau winkt: “ … you want a lift?!“ Oh, gern! Paea Fifuta nimmt uns mit, wir werden später noch mehr über sie erfahren und der Leser dann auch – Paea ist die „nurse practitioner“ auf Niuatoputapu, sie leitet die Gesundheitsstation, in Ermangelung eines Arztes. Viel zu schnell für längere Schwätzchen sind wir an den bescheidenen Verwaltungsräumen, die sich in Behelfsgebäuden nahe der High School in Vaipoa befinden. Paea lädt uns aus und kündigt an, dass sie uns auch zurückfahren werde – was wir aber ablehnen (malo pe, heißt das hier), wir müssen schließlich auch mal was gegen Segler-Stöckchenbeine tun. Einklarieren geht in unserem Fall extrem einfach, wir geben unser Papier aus Neiafu ab, erklären woher, wohin und wann und sind entlassen. Nach ein paar Schritten Richtung Hauptort Hihifo* machen wir kehrt. Wir haben noch eine Frage zu stellen… Wer ist Muli?!

An diesen Inseln ist – außer, dass Niuatoputapu „besonders heilige Kokos(insel)“ heißt – nämlich etwas Besonderes; darum hatten wir aus Neiafu einen Auftrag mitbekommen: ein österreichisches Boot bat uns, besagtem Muli eine kleine Fotodokumentation zukommen zu lassen, eine Dokumentation mit gruseligen Bildern. 30. September 2009, 06:45 – wie so oft hier in der Gegend, am Rande des Tongagrabens, „wackelt die Wand“. Man denkt sich nichts dabei. Eines von vielen Erdbeben… In Neiafu hatten wir vor ein paar Tagen ein Funkgespräch aufgenommen, wo eine Frau sich beklagte, sie habe kein Wasser mehr in der Zisterne habe, die Leitungen seien wohl defekt, und der Ehemann fragte lakonisch: „… did we have any little quakies lately?!“ Little quakies. Das klingt richtig niedlich: ein Erdbebchen. Aber hier in Niautoputapu denken sich an jenem Morgen doch einige etwas, dieses Beben war mit 10 Minuten ziemlich lang. Wir lesen später in einem Büchlein über die Geschehnisse, dass unsere freundliche Fahrerin Paea ihre Kinder rausschickt, sie sollen doch mal das Wasser beobachten; es soll ja schon mal zu Tsunamis gekommen sein. Es dauert nicht lang, bis Kaleni schreiend zurückkommt: „… es sieht ganz komisch aus, es kocht!“ Und kurz drauf ist die erste Welle da – so um die 2 Meter, schon ziemlich viel für diese Lagune, sie schwappt in die Gärten und die Häuser am Strand und über die Straße. Kalenis und anderer Zuschauer Geschrei schreckt die anderen Bewohner auf, aber bis eine wirkliche Fluchtreaktion erfolgt, ist die zweite Welle da, geschätzte 5 m hoch. Um 07:10, also eine Viertel Stunde nach dem Beben, kommt es dann ganz dicke, die letzte Welle wird mit bis zu 15 m Höhe angegeben, fatal für 9 Menschen, die es in diesem kurzen Zeitraum nicht in die Sicherheit schaffen, die meisten davon auf einem Truck, der Flüchtende aufsammeln will und und genau deshhalb nochmals umkehrt. Zerstörerisch für Falehau, Vaiapo und Hihifo. Besonders von Letzterem ist kaum noch ursprüngliche Bebauung zu sehen, wenn, dann mit deutlichen Schäden – und der Rest sind neue Gebäude, Behelfsheime, Zelte unter Mangobäumen. Nicht, dass Hihifo und Vaiapo besonders prächtige Orte gewesen wären, aber nun gibt es dort kaum noch etwas. Keine Bank, kein Supermarkt, keine Verwaltungsgebäude, aber es hatte doch sogar ein „New Millenium-Building“ gegeben. Alles dahin Paeas Krankenstation ist ins Hinterland gezogen und die nette Kindergärtnerin, die uns ihr „Tsunami-Heftchen“ in die Hand drückt, sagt so gelassen wie sehnsüchtig: „Wir warten! Wir warten darauf, dass das Dorf umzieht – wir sollen an den Bergrand…“ Aber bis dahin ist alles „Tonga“, wir merken es. Die Kindergärtnerin betreibt nebenbei einen kleinen Laden, wir kaufen Zwiebeln aus ihrem Garten, aber – Tonga! – wir bekommen besagtes Heft geschenkt, und als wir unvorsichtigerweise nach Mangos fragen, schreiten wir mit 6 ebenfalls geschenkten Mangos von dannen: Tonga eben – was man hat, wird geteilt. Und, wie unser (empfehlenswertes!) Büchlein „Making Sense of Tonga“ beschreibt: wer Gefallen an etwas äußert, muss sich nicht wundern, wenn er mit dem Gegenstand oder eben mit den gelobten Mangos in der Hand weiterzieht.

Wir werden noch mehr erfahren, zu Inselgeschichte und Tsunami, zum Leben hier allgemein. Sia war die junge Frau, die uns unsere Frage nach besagtem Muli beantwortete, und Sia lud uns spontan zum Essen am Sonntag ein. Umu … Da hatte der Eigner doch von geträumt. Vorhin kamen Sias Schwestern und Schwäger im Boot vorbei – Sia hatte gefragt, ob wir vielleicht ein bisschen Benzin für den Außenborder beisteuern könnten, für den Erdofen muss noch gefischt werden. Tonga – was man hat, wird geteilt! Also los – die einen fischen, die anderen kochen. „… und wenn Du Kuchen backen kannst, dann mach doch bitte einen Schokoladenkuchen…“ Klar doch. Ich wollte den Salon sowieso mit etwas Brotdunst anheizen, da spielt die um einen Schokoladenkuchen verlängerte Backofenzeit keine Rolle.

Puh, ist das heiß in den Tropen…

Bis bald!

—–

* Danke Brigitte, jetzt macht Dein Mailbetreff „Unterwegs nach Hihifo?“ Sinn. Was bin ich für eine Pennerin; das war ergoogelt, oder?? Klar, unser Hauptort heißt „Hihifo“! West… Aber vom Standort Vava’u aus war das „tokelau“. Nord.

Stimmungsbild

No. 5, Vavau / Tonga

Nummer 5, Lotuma. Tonganischer Marinestützpunkt. Uh, je. Der Wachturm auf dem Inselchen gehört abgestützt, daher wohl das Wort. Seit gestern sind wir hier, gleich um die Ecke von Neiafu, das wir, nach Einkaufs- und Behördenrunde, um 15 Uhr verlassen hatten, um einen geeigneten Absprungort für unsere geplante Reise zu den Niua Toputapus zu finden. Nach dieser „Passage“ (1,5 Seemeilen) Schwimmen, Dinghy an Deck verzurren, Abendessen, frühe Koje, denn es soll ja um 5 Uhr morgens der Anker gezupft werden.

Und dann bietet sich folgendes Bild: Weckerklingeln – hätte er sich auch sparen können, der Wecker, denn es pladdert auf unser Besandeck-Zelt, ich höre es schon seit kurz nach 4. Drömeliges Kaffeekochen (die Schipperin trinkt zu Reisebeginn neuerdings nur noch heißes Wasser…) – und fragende Blicke: „… ist das unser Wetter?!“ Wenn man sich zum Ankermanöver schon die Öljacke anziehen muss?! Guck doch mal, wie das Wetter morgen wird…

Also hat es heute den ganzen Tag freundlich aufs Deck geregnet, wir haben gepennt, gebastelt, gekocht, geputzt, und nun ist es Abend, es tröpfelt nur noch ab und zu, und wir sind wild entschlossen: Morgen muss es sein.

AKKAnauten-Weicheier.

Übrigens – es ist Vollmond, und dieser Tage schwärmen die Palolo-Würmer. Wir hoffen, wir sind rechtzeitig in der Lagune von Niua Toputapu

Wochenbericht…

Neiafu, 10.10.2011

Nach einer frechen Note aus Deutschland („… wo SEID Ihr denn? Kein Positionsreport seit dem 5.10. …“) kommt hier ein ordnungsgemäßer Wochenbericht für die KW 40 ( ?? Is‘ das lang‘ her und weit weg, dass wir in Kalenderwochen gerechnet haben…).

Wo waren wir stehen geblieben?! Zwischen 16 und 17!

Also, um es gleich richtigzustellen, mit der 2-Boot-Idylle war es pünktlich zum Geburtstag vorbei – nachts hatte mir der Eigner noch die Sterne vom Himmel geholt! Perfekter Sternenhimmel auf pottenebenem Wasser, aber am Morgen schlich Comfortably Numb in die Bucht, und danach Braveheart. Und Steel Sapphire und Nurama sowie eine nicht weiter identifizierte kleinere Sloop, danach versuchte Cariad in die verbliebene Lücke zwischen Comfortably Numb und uns zu treffen (3 Versuche!), auf der anderen Seite machte der Monsterkatamaran Sete Mares „alles klar“. Voll. Soviel zu: „die anderen mögen keinen Tagesankerplatz“. Umpf.

Es gab trotzdem Marmorkuchen und Riffschnorcheln, garniert mit einer Rudertour durch’s Ankerfeld und einem längeren Schwatz mit Wayne, dem Kiwi-Wharram-Kayaker.  Aber am Sonntag war dann Flucht angesagt.

Wir hatten uns als Ziel Mounu ausgesucht, so ein klassisches Südseeinselchen, Palmen, weißer Strand – und keine Ankermöglichkeit, also keine Cruiser-Massen, sondern zwei ökologisch korrekte Mooringbojen mitten im Blau.

Für eine Anmeldung zum feinen, nachgeburtstäglichen Dinner war es morgens um 10 schon zu spät („We need 24 hours in advance!“, was auf die zu erwartende Restaurantrechnung schließen ließ), also nahmen wir die Mooring für 2 Nächte und buchten das Dinner für den Folgetag, konnten aber zumindest einen tropischen Drink und die Aussicht genießen, die Insel umrunden, die luftige Bibliothek ebenso in Augenschein nehmen wie den sehenswerten Garten; und dazu den (alternativen) Vollbart vom Eigentümer der kleinen Lodge. Vier fales (polynesisch für Haus),  vom Winde durchweht, in die äußerst gepflegte Anlage gekuschelt, mit Strandblick, natürlich.  Keine Ahnung, was so etwas kosten mag – aber schee isses scho‘. Die Hauptattraktion der Lodge ist wohl das Whale-Watchen, aber da haben wir uns aus Budgetgründen ausgeklinkt. Natürlich wäre es nett, mal auf Tuchfühlung mit einem Wal zu gehen, aber 300 Pa’anga pro Schnorchelnase – ein wirklich interessierter Wal kommt auch irgendwann sicher mal zu uns heran.

Tags drauf Intensivschnorcheln am Außenriff – schlicht herzerweichend schön, und beide dachten wir da unter Wasser an die jeweiligen Eltern, Andreas an Mutters Blumenbeete und ich an Vaters Steingarten. Diese Vielfalt an Fischen und Muscheln und Korallen in allen Farben – kaum zu toppen, das würde dem einen oder anderen von Euch sicher mehr als gut gefallen, drum gibt es hier auch wieder einmal eine kleine Zusammenstellung von Photos zum Thema.

Der Meisterschnorchler

Der Meisterschnorchler

Und abends dann das Dinner. Lecker! Wassermelone mit Feta, Mahi-Mahi mit Kartöffelchen und Papaya-Gemüse. Sich bekochen zu lassen ist etwas besonders Feines, und so ein klitzekleines Stückchen Luxus tut ganz gut.

Dienstag verholen an die Nummer 13. Hunga Lagoon! Das ist insofern etwas Besonderes, weil das der Standort von „Antaia“ ist, oder auch „Analulu“. Antaia ist das Boot von Elke und Werner, früher mal eine Segelyacht, seit einiger Zeit ein Motorboot gleichen Namens, denn die beiden haben sich auf der Insel Fofoa ein Häuschen gebaut und das Segeln drangegeben. Dafür geht so ungefähr jeder deutschsprachige (und so mancher nicht deutschsprachige!) Segler früher oder später nach „Analulu“, dreht wie wir eine große Gartenrunde, bewundert Brotfrucht und (ich habe den Baum nicht erkannt! So groß!) Avocado, Palmen, Zitronen, Wein, Ananas – you name it, they plant it…  Wir wollten eigentlich nur mal schnell gucken, aber dann blieben wir doch bei selbst gemachtem Mandarinensaft auf der Terasse hängen, machten ein Belegphoto auf dem „Trans-Ocean-Bänkchen, schauten ins witzige Bad, bestaunten die Funkanlage.  Ein echter Altersruhesitz, an dem sich allerdings die Segler die Klinke in die Hand geben. Mit Christophinen und Papaya beladen klettern wir durch den Wald zurück zum Boot.  Ein TO-Stützpunkt der Sonderklasse.

Sodann: 23. Ngau. Unterwasser nicht gar so schön wie vorher, dafür konnten wir unsere (natürlich überhaupt nicht vorhandenen) Vorurteile bedienen; die kommen immer, wenn wir „Ostblock“-Segler sichten –  so ungefähr muss das für die deutschen Touristen gewesen sein, als sie in den 50er Jahren an der Adria einfielen. So feierten wir Premiere: Rumänen! Tschechen sind, wie es sich für ein Binnenland (Schweiz! Österreich! Wo sind eigentlich die Luxemburger??) gehört, sehr eifrige Segler, ganz einfach die Moldau abwärts und dann ins schwarze Meer. Polen waren unser Kanal-Linehandler, und Maggie und Tomas waren definitiv nicht die einzigen auf der Tour, es gab auf unserem Weg Slowaken, Slowenen, Ungarn – aber eben noch keine Rumänen. Hat da jemand nach Russland gefragt?! Russen – ja, die gibt es auch, aber das ist gewöhnlicherweise eine andere Liga: das sind die mit den ausgeflaggten Mega-Yachten…

Aber natürlich glotzen wir nicht ausschließlich auf andere Schiffe, sondern sitzen auf Taunga gern eine Weile mit Violani unter einem riesigen Ficus , lassen uns vom Dorfleben erzählen und gleichen die jeweiligen Kinderzahlen ab; da schneiden wir mit „zero“ wirklich ganz schlecht ab, Violani hat nur wenige, nämlich 5 und dazu 7 Enkel, Tendenz steigend. Wir schulmeistern ein bisschen fröhlich-freundlich zur „gesunden Lebensweise“ der Tonganer; aber es blieb dann eben doch nicht bei der einen Zigarette für das nette, tonganisch-rundliche Ehepaar, denn die Packung, die Andreas hervorgezaubert hatte, weckte zunächst so einfache wie logische Begehrlichkeiten („… you do not smoke?! Then you do not need cigarettes!“), und die Schachtel verblieb dann in Gänze unter dem schönen Baum, denn der Ehemann verschwand und flugs wurden uns 7 Papayas in den Schoß geworfen. Uns hat’s gefreut – und nach 10 Tagen hatten wir auch schon einen Grünfutternachholbedarf entwickelt.  Andreas wäre gern am Sonntag mit in die Kirche gegangen; weniger der Kirche wegen, sondern weil zuvor, man sieht es jeden Sonntag an den allgegenwärtigen Rauchschwaden, der Umu angeheizt wird, so dass man sich, von der Predigt ausgelaugt, in üppigen Mittagsmahlzeiten ergehen kann.  Tonganische Lebensweise. Vielleicht beim nächsten Besuch.

Fehlt noch der Sonnabend – ein Ankerplatz, Euakapa, bezogen und wegen des schlechten Wetters und des Schwells wieder verlassen, alternativ dazu war Schnorcheln und Schwimmen in Lapa angesagt. Nummer 17. Siehe oben, der Kreis hat sich geschlossen und die Woche ist um.

Den nächsten Bericht gibt es dann aus Niua Toputapu