Anna ist da!

Rodrigues. Am Kai

Rodrigues. Am Kai

Port Mathurin, 26.10.2015

Ein aufwühlender Morgen. 05:30 aus’m Bett, um 06:00 wollen wir los:  Anna kommt, nein, sie ist schon da. Der Versorger aus Mauritius legte sich gestern vor die Insel und machte sich einen netten Sonntagnachmittag. Und weil Anna kommt, mussten wir am Freitag schon einmal kurz den Kai von Port Mathurin verlassen, denn es wurde ein Großreinemachen veranstaltet. Man verlegt sich dazu 100 m weiter in die von Riffen umgebene Hafenbucht – nur eben nicht, wenn Anna hier herein will, dann müssen alle Yachten das Hafengebiet verlassen, Anna braucht Platz zum Drehen. Draußen vor dem ersten Tonnenpaar schmeißen wir kurzfristig den Anker in den Sand – man ist da ja in Riffgebieten immer etwas zögerlich, aber es ist wirklich Sand, auch wenn die Seekarten allerlei anderes verzeichnen. Der Käpt’n von Anna wütet auf dem Funk – erst kann er den Lotsen nicht erreichen, ziemlich „rodriguais“, der laxe Umgang mit dem Funkverkehr, dann schmipft er, dass er schon „anchor aweigh“ um 7 war, was der Lotse wieder nicht versteht…. Wir lauschen dem kleinen Hörspiel und schauen wir uns derweil diese Insel beim Frühstückskaffee mal im Morgenlicht an. Die Busse mit den selbstgedengelten Aluaufbauten zickzacken die Serpentinen ins Städtchen hinunter, zartes Motorradknätern, etwas Hundegebell. Wenig Aufregendes, und das genau macht den Zauber von Rodrigues aus.
Schon am ersten Morgen geht mir das auf: es hieß, der Bäcker habe nur bis 7 Uhr Croissants, und nach der langen Passage waren Croissants gerade recht. Man verlässt das Hafengelände und wandert die frühmorgendlichen Straßen entlang, es ist so um die 6 Uhr. Blaumänner (in Grau) sammeln sich vor einem Lagerhaus und schwatzen. Eine Straßenfegerin, schwarz und sehr rund, fegt den stolpersteinigen Gehsteig. Beim Bäcker trödeln eine paar Kunden vorbei und legen Brot in ihre – stets mitgebrachten – Taschen; Plastiktüten sind hier verboten! Außer Baguette, besagten Croissants (eine, wie sich herausstellt, Massivversion) gibt es noch ein paar Küchlein und frische Eier und Bananen. Die Baulichkeit – eine dunkle Backstube mit eindeutigem Malerbedarf – erinnert mich an den Bäcker in Nuku’alofa. Oder den in English Harbour, anno dazumal. Bescheiden, könnte man sagen. Brot kostet so gut wie nichts – is‘ ja auch nicht viel dran, an so einem Baguette.
Der erste Montag bringt ein paar behördliche Besorgungsgänge: wegen Ankunft am Sonntag ist beim Zoll zusätzlich zur Bearbeitungs- eine Overtimegebühr zu entrichten, die Gesundheitsbehörde möchte auch Geld. Gelegenheit durch den Ort zu streifen, der mir immer karibischer erscheint: die kreolische Bevölkerung, die kleinen Holzhäuser, die französisch durchmischte Sprache – nur alles nicht so lauthals wie dort. Der Zöllner – wie viele andere Leute später auch – fragt, wie die ersten Eindrücke seien. Ich lache: „… gestern, am Sonntagabend, war ja der Hund begraben…“  Das, lacht  er zurück, ist hier jeden Tag so, wart’s nur ab, um 16 Uhr legt sich Rodrigues schlafen. Stimmt! Dann machen nur noch die unwirschen Vögel auf der Suche nach einem Schlafplatz Lärm. Nicht mal die Flughunde streiten sich hier…

Auch der Markt ist bescheiden, wochentags – nur am Samstag ist der Bär los. Früchte sich fast ausschließlich Importfrüchte, „banana are difficult to come by“ steht irgendwo, drum ist das Angebot beim Bäcker auch so beliebt. Die eine oder andere hiesige Papaya findet sich, und sehr gute, unreife Mangos für den Salat. Alles besser als nix und eigentlich doch eine ganze Menge, Tomaten, Gurken, Rote Bete, Kürbis, grüner Salat, was begehrt das Herz mehr nach so einer Passage. Fisch ist nicht zu bekommen, sagt auch Sue von der Yindee Plus. Merkwürdig. Dafür hört man die Hühner bei der Hühnerfrau quasi noch gackern – und obendrauf gibt es die üblichen witzigen Verkaufsgespräche, die überall ähnlich sind.

Refugium für Riesenschildkröten

Refugium für Riesenschildkröten

Am Mittwoch ist Ausflugstag. Busfahrt mit einem der schönen lokalen Busse Richtung Airport, danach 50 Minuten Fußmarsch Richtung „Franà§ois Leguat“. Das ist da, wo die Schildkröten wohnen.  Einsam ist diese Asphaltstraße am Westende der Insel. Wir bespaßen ein paar Rinder und Ziegen am Straßenrand, die um ein paar einsame Gehöfte herum grasen oder ziegengemäß auf irgendwelchen Buckeln lagern. Eine karge, steinige

Ein sehr beliebter Herr!

Ein sehr beliebter Herr!

Hügellandschaft, die zum Meer abfällt und den Blick auf die grüne Lagune mit ein paar Lateinersegelbooten freigibt. Dann biegt der Pfad durch den Karst zur Schildkrötenstation ab. Schwein gehabt, besser: Schildkröte gehabt! Wir rutschen in eine etwas verspätet startende Führung, ein bisschen viele Leute vielleicht, überwiegend Mauritiusurlauber, die einen Ausflug nach Rodrigues gebucht haben, doch gut so, denn unseren Freunde von der Uhambo, die sich etwas in der Anmarschroute vertun (sie brauchen 2 1/2 Stunden statt 50 Minuten), wird der Zutritt zu den Schildkröten ohne Führer versagt.  Aber wir haben unseren Spaß. Warum auch immer der Eigner beteuert, er wolle keiner Schildkröte den faltigen Hals kraulen, er tut es trotzdem (das macht Hoffnung!), auch lässt er sich von achtern heimtückisch ins Bein zwicken. Ich finde Schildkröten traditionsgemäß faszinierend, entspannt, wundervoll langsam und stressbefreit, und diese sind dank täglichen Besuches auch noch wirklich zutraulich. Bis auf die eine, aber die wollte wohl nur spielen…  Gewiss, die Schildkröten, wenn sie denn nicht noch als Jungtiere oben in der Aufzuchtstation leben, fristen ihr Dasein in einem tiefen Canyon, dem sie rein topografisch kaum entkommen können, aber es ist dennoch ein relativ freies Leben.  Und es sind leider keine Rodrigues-Riesenschidlkröten mehr, sondern ein paar Hundert Strahlen- und Aldabra-Riesenschildkröten, die man vor etwa 10 Jahren hier wieder eingeführt hat – sie sind übrigens mit 1200 kg deutlich kleiner als die wahrhaft riesigen Seychellenschildkröten. Die Nachzucht ist recht erfolgreich, aber zur Zeit sind es doch eher niedliche Krabbeltiere. Die richtigen Brocken haben dagegen schon den zweiten Weltkrieg gesehen und mehr – Patriarch Henri ist so um die 90!

Tach! Bitte streicheln. Unverzüglich!

Tach! Bitte streicheln. Unverzüglich!

Die ursprüngliche Riesenschildkrötenfauna wurde schon sehr frühzeitig ausgerottet, 1795 soll das letzte Exemplar gesichtet worden sein – zu gut eigneten sich die Schildkröten als Schiffsproviant, leicht zu fangen und leicht zu halten, fraßen sie doch ausdauernd nichts, die geduldigen Viecher. Zwischen 1735 und ca. 1775 sollen hier auf Rodrigues bis zu 280.000 Tiere gefangen, verkauft bzw. getötet worden sein, außer wegen des Schildpatt und des Fleisches auch noch beliebt für Ölgewinnung. Gruselig, und gleich noch ein eklatantes Beispiel dafür, wie auf einer kleinen Insel wie dieser ein solcher menschlicher Eingriff die Gesamtökologie ändert, angefangen vom Unterwuchs in den Wäldern bis zur übrigens Fauna. Nicht nur dass auch eine Rallenart gleich mit ausstarb – die ernährte sich von den Schildkröteneiern und wurde davon so fett, dass sie nicht weglaufen konnte; toll für die Schildkrötenfänger, Beifang nennt man das heute. Allerdings waren die Rallen auch derartig auf diese Diät getrimmt, dass mit dem Aussterben der Schildkröten ohnehin keine Lebensgrundlage für die Vögel übrig war. Traurig. Ebenso traurig wie das Aussterben des flugunfähigen Solitär-Vogels, eines Verwandten des berühmten Dodo. Flugunfähige, wahrscheinlich auch neugierig-freundliche Riesentolpatsche haben ja selten die Begegnung mit dem Menschen überlebt, siehe Neuseeland, die Maori und der Moa. Es gab im 18. Jahrhundert ein wachsendes Interesse an Aufzeichnungen über die Natur, so auch hier. Auf Rodrigues trieb dies allerdings eine seltsame Blüte: ein Priester hat alles minutiös notiert, unter besonderer Berücksichtigung des kulinarischen Wertes der Viecher, und er hat sich lautstark beschwert, dass der Bestand an Papageien so stark zurück ging, auch an Tauben. Tja, lieber Abbé Pingré – man muss seine Forschungsobjekte auch nicht gnadenlos auffressen!
Unserem Chief Insect Control Officer und Bordgecko – ja! er lebt noch! – mussten wir die traurige Nachricht überbringen, dass sein entfernter Verwandter, der Rodrigues-Riesennachtgecko, die Massaker des 18.Jahrhunderts auch nicht überlebt hat.
Vom Solitär fanden wir dennoch eine Spur: in einem zweiten Teil der Führung geht es in eine schöne Tropfsteinhöhle, wo man vor nicht allzu langer Zeit ein Solitärskelett gefunden und ausgegraben hat. Die Kuhle war noch zu sehen, wer das Skelett betrachten will, fahre allerdings ins British Museum nach London (oder ergötze sich an einer Nachbildung im niedlichen 2-Raum-Museum des Centre Franà§ois Leguat).
Alles in allem: lohnend!  Und zum Abschluss wieder „Rodrigues Lifestyle“. Der letzte Bus vom Airport fährt um 16:30, das ist hart an der Grenze des Tragbaren für den feierabendgesonnenen Rodriguais. Wir sitzen mit Büroheimkehrern und anderen, genießen dank der jugendlichen Besatzung (Fahrer und Schaffner) Reggae und kehren zum Sonnenuntergang ins abendliche Port Mathurin zurück; die Bürgersteige hat man schon hochgeklappt…

Längst sind wir zurück am Ankerplatz im Hafenbecken. Bei ANNA wird abgeladen, oder auch nicht. Das Leben nimmt seinen beschaulichen Gang – aber gleich werden wir einmal mehr eine Hardwareshopexkursion starten, hier gibt es nämlich (fast) alles was das Herz begehrt.
Auf geht’s – es ist gleich Mittag, da bleibt nicht viel Zeit bis zum Geschäftsschluss…

Rodrigues!

Port Mathurin, Rodrigues/Mauritius
18.10.2015

13 Tage genau hat es gebraucht um hierher zu kommen, seit 09:00 lokaler Zeit sind wir fest, und ich schreibe diesen kurzen Eintrag, weil ich mit dem Funk schlecht rauskomme – also kein Positionsreport.
Nett sind sie, die Leute hier, das Einklarieren war eigentlich schnell erledigt – wir mussten halt die ganze Bande aus der Sonntagsruhe werfen, zu dumm. Der Zöllner erinnerte sich noch an Lop To, die (entmastete und ab morgen wirder be-mastete) Silver Girl liegt hier und überreichte uns gleich ein Baguette („… you are friends of Lop To!“ – das Schiff udn Helmut und Kerstin sind einfach Legende!) Vor uns die Uhambo, mit der schon ein Small-Schnack über Funkerden und Windsteueranlagen stattgefunden hat, hinter uns eine holländische Familie, zwischendrin noch ein englisches Kids Boat, die Yindee Plus, derzeit auf Landpartie, wie es scheint. Darüber hinaus sind wir noch nicht gekommen… wir müssen erst noch dem Müdigkeitspegel gerecht werden.
Fühlt sich alles gut an, hier wie auch auf der AKKA. Ach ja, und die ersten Anzeichen, dass wir mal wieder in einer Diaspora gelandet sind, gab es schon. „, die Leute von Mauritius…“ – die empfindet man hier, wo man Créole spricht und wenn „Hochsprache“, dann lieber französisch als die Amtssprache Englisch, als „Besatzungsmacht“. Wie gesagt: Baguette statt Schaumtoast. Wir werden dann morgen zu ersten Erkundungen ausrücken. —

Nicht mehr weit…

19°28 S und 64°34 E
17.10.2015

Die letzte Nacht auf See bricht an, wir haben gerade aus Bremsungsgründen den Besan weggepackt, denn allzu früh wollten wir doch nicht in Rodrigues ankommen. Eigentlich sollte der Wind langsam weniger werden, tut er auch, aber nicht so, dass wir unter 5,5 Knoten laufen – zu schnell für die verbleibenden 64 Meilen.
Man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben, aber bisher war der Indik extrem freundlich zu uns, die Reise war völlig unspektukalär. Was die beiden anderen Boote betrifft, muss man einfach sagen, dass wir eine ganz andere Art des Reisens pflegen. Ich verstehe schon, dass man morgens früh knurrig ist, wenn man in der Nacht die Genua ausbaumen „muss“ und nach einer halben Stunde – also nach Durchzug des Squalls – ist der Spaß vorbei, und man baut dann den Kram wieder zurück. Das tun wir einfach nicht – dafür passiert uns halt, dass wir fast einen ganzen Tag langsamer sind. Genau nach unserem Geschmack. Auch können wir nicht berichten, dass wir den ganzen Tag verschiedene Segelkombinationen ausprobiert hätten – bei uns herrscht das Prinzip „läuft doch“. Laaangweilig. Uuunsportlich!
Der Windpilot dagegen war mit unserer Taktik zufrieden und hat unermüdlich vor sich hin gerudert, dabei waren die Wellen, mittlerweile auf Größe „M“ geschrumpft, nicht von schlechten Eltern. XL war das mindestens. Nun bleibt noch abzuwarten, ob unsere Crew morgen noch vollständig seine wird: was hat unser Chief Insect Control Officer zu der Reise zu sagen? Einmal haben wir ihn auf Decksspaziergang erwischt, Bild folgt. Gefährliche Sache! Ein Wusch und … Wir wuschen jetzt durch die letzte Nacht! Vor uns türmt sich schon der Wolkenstau von Rodrigues! —

Passagealltag

Indischer Ozean, 16°57 S und 078°23 E
12.10.2015

Montag! Ein fast blauer Montag, blau mit weißer Passatbewölkung am Himmel und mit weißen Wellenkämmen hier unten. Ich sitze im Cockpit – ein Lob, Lob, Lob an EMW in Rieseby, das ich nun seit Jahren nicht mehr ausgesprochen habe, das sich aber immer zu wiederholen lohnt: was wären wir ohne das tolle Sprayhood und die Anschlusspersenning, die unser Cockpit zum kuscheligen Hüttchen macht. Es schaut halt doch die eine oder andere Welle neugierig bei uns vorbei – die dicksten sind die neugierigsten! Vorgestern zum Beispiel meinte eine, mich von ganz Nahem betrachten zu müssen, gerade als wir den Besan reffen wollten. Ganzkörperguss/-kuss. Menno!

Ansonsten gibt sich unsere Reise eher ruhig. Gestern war Halbzeit. Mal ein Tag mit mehr Wind, aber alles zwischen 15 und 25 Knoten, ab morgen erwarten wir für 24 Stunden Wellenhöhen bis 4 m, aber das findet die AKKA eher lustig und schiebt gutmütig vor sich hin. Als ich heute früh in die Funkrunde (wir sind die mit der roten Laterne!) horchte, waren die Klagen über die unruhige Nacht groß – seither frage ich mich, ob wir so stoisch oder ahnungslos sind, oder ob andere sich einfach beklagen müssen. Ich jedenfalls freue mich über gereffte Segel, einen relativ aufrechten Gang der AKKA (das eigene Gehampel innenbords bleibt davon ausgenommen) und ich kann mit einem etwas moderateren Tempo leben; dabei haben wir noch selten über so lange Zeit Etmale um die 155 Seemeilen und mehr gefahren, AKKA ist also für ihre Verhältnisse gut unterwegs. Uns geht es nach wie vor gut, der Eigner, der beneidenswerte, schläft ausdauernd und tief, ich tu‘ mich dieses Mal eher schwer mit dem Pennen. Wir sind dazu übergegangen, feste Wachen einzuhalten ohne – immer freundlich gemeinte! – Schlafzeitgeschenke. Das entspricht dann eher einer Art festem Rhythmus und der Beschenkte muss sich keine Gedanken machen, wie er/sie das wieder ausgleichen kann. Ist aber sehr hübsch, so einen Eigner um 00:00 Uhr aus dem Tiefschlaf zu holen: da wird schon mal die freundlich-liebkosende Hand energisch weggeschoben, und es dauert ein Weilchen, bis die Wachwechselnachricht ins Bewusstsein durchsickert; ich übe mich mehr im Hochschrecken, sagt man(n). Schütteln muss man aber keinen von uns beiden.
Trotz der Müdigkeit werden wir eine finale Nacht an unsere Passage anhängen – bei der Streckenlänge spielt eine mehr oder weniger kaum eine Rolle. Während die anderen versuchen, am Freitag noch bis 18 Uhr in den Zufahrtskanal von Port Mathurin zu schlüpfen – danach ist Nachtpause! – werden wir ganz leicht auf die Bremse treten und am Sonntag morgens nach 6 hineinfahren. Das im letzten Beitrag erwähnte Funkloch ist möglicherweise ein selbst induziertes – ich habe eine schlechte Verbindung zur R Sea Kat, mit Uhambo kann ich mich gut verständigen, das mag auch an dem Katamaran liegen; beide sind schon weit voraus. Aber woher die Schwierigkeiten im Pactor-Verkehr kommen, wissen wir nicht zu sagen – es fragt sich, wie gut gepflegt unsere Anlage ist.

Gestern war schon mal Bastelstunde angesagt; das muss erwähnt werden, weil Überkopfarbeit bei Seegang kein Geschenk ist: der Chefelektriker hat es sich nicht nehmen lassen, den Deckel vom Antennentuner abzubauen und mal Spannungsmessungen durchzuführen. Ohne aha-Erlebnis.
In der vergangenen Nacht dann das Funkloch-Glück: die WL2K-Station in Phuket ist erreichbar und schubst die Wettermeldungen der letzten beiden Tage rüber, dazu eine unaufgeforderte Nachricht von einer neuen Station in Kapstadt, die sich mit Antennenausrichtungen speziell für uns vorstellt. Ihr seht, wir sind überall auf dem Schirm, dank Positionsmeldungen. Als kleine Fachlektüre zur Mitternacht noch Bob McDavitts Weathergram und seine wirklich interessanten Anmerkungen zum Super-Nino-Jahr. So viel Post! Da hat sie gestrahlt, die Schifferin: das Funkloch hat Löcher! Trotzdem verdient unsere Funkanlage sicher ein bisschen TLC, tender loving care. So richtige Funkfetischisten lassen Kontakte und Kabel ja nie aus dem Auge. Wir schon, Motto: Never touch a working connection – scheint hier allerdings nicht unbedingt zu gelten. Und da die World ARC vor uns her dödelt, erst in Mauritius und dann in Réunion alle Liegeplätze belegt, gibt es bestimmt Gelegenheit, mal ein bisschen Kontakte zu putzen. Und sonst? Gerade kommt der Eigner aus dem Motorraum gekrochen, denn vor den 4 m Welle von morgen wollte er doch gern mal gucken, wie es unserem Impeller nach dem Kühlwassermangel geht. Es geht so! Er scheidet mit sofortiger Wirkung aus dem Dienst aus, der Impeller mit den leichten Knabberschäden. Regel: wenn so ein Gedanke am Eigner nagt, dann lohnt es sich nachzuschauen. Ich werde zur Feier des Tages gleich Joghurt ansetzen und einen Teig für ein Wok-Brot. Ich hoffe, ich kann den Wok zum Verharren auf der Flamme überreden, irgendwie. Ach ja, und dann muss ich noch den roten, gelben, grünen und blauen Stoff hervorkramen. Vielleicht gibt es dieses Mal ein Meisterwerk der Gastlandflaggenkunst. Handgenäht. Mit Nähmaschinen-geeigneter Flaute ist nicht zu rechnen.

PS: Happy birthday, Kay Gerlach! —

Funkloch

15°56.8S / 82°41.8E
10.10.2015

Vielen Dank an Gisela „VENUS“ für die Bestätigung, dass der letzte Blogbeitrag erschienen ist – das war die letzte Mail, die ich per Funk aufnehmen konnte. Seitdem schweigt der Äther, und ich grübele. Nicht der kleinste Fetzen Connect tut sich heute auf. Ich lasse mal Capt. Jack Aubreys Steward Killick sprechen: „… was’n jetzt schon wieder?“ Ist übrigens nicht von ungefähr, dass ich Jack Aubrey zitiere, denn der nächste Hafen heißt Port Mathurin. Nach Steven Maturin benannt ? Wohl weniger, dem fehlt ein „h“, aber ich werde mal den Mauritiusband der Serie wieder hervorkramen.
Bis Rodrigues ist’s noch eine Woche hin und ich hoffe stark, dass ich so lange nicht ohne Funkverbindung bin… —

Indischer Ozean

Lat 15°05.3 S Lon 086°16.7 E
9.10.2015

Der 5. Tag unserer Überquerung des Indik läuft. Die Sonne scheint, das Meer ist blau, der Windpilot steuert seinen Eierkurs durch das Gewelle. Die Schipperin hat sich im Cockpit verkeilt und schreibt endlich mal wieder einen Blogbeitrag, derweilen der Eigner ein Nachmittagsschläfchen versucht. Zu morgen soll der Wind etwas zunehmen, die Welle auch – den einen oder anderen Vorgeschmack davon gab es schon. Wie die Gryphon vor einer Weile sagte: „… it was moderately uncomfortable…“ Wir hoffen, dass es so bleibt, jedenfalls rennt AKKA hier ganz gut Richtung Maskarenen-Inseln, und uns geht es gut dabei, nachdem die ersten Tage mit der obligaten Schlafverwirrung vorüber sind und sich eine satte Grundmüdigkeit eingestellt hat.

Montag sind wir losgefahren, die Wetterweltvorhersagen ermutigten dazu. Schade, das der Cocos Keeling-Aufenthalt so kurz war. Ein putziges Atoll. Den Geburtstag haben wir mit einem Ausflug nach „West“ verschönert, das ist ein richtig verschlafenes Australierdörfchen entlang der Landebahn, immerhin mit einem kleinen Café. Hier, bei „Maxi’s by the Sea“, gab es einen feierlichen Tropical Burger. „Geschenk“ vom Supermarkt: ein kleiner Sack Vollkornbrotmischung, so richtig mit Roggenschrot und pipapo. Ein kleines Tropenwunder. Interessante Fahrten mit der Fähre waren das! So richtig hat sich uns bis zum Schluss nicht erschlossen, was für untiefe Wasserwege die Betonnung in der Lagune kennzeichnet – um sich da durchzuwurschteln muss man Lotsenkenntnisse haben – gut, dass man die Yachten auf Direction Island festnagelt. A propos „festnageln“ – wir haben natürlich sämtliche Palmen mit Bootsmemorabilia abgeklappert, ein paar Freunde aus „unserer“ Abfahrergeneration – Hippopotamus, Mo mo, Atair, Wigwam und noch mehr – gefunden und ein Schild „AKKA 2015“ hinzugefügt. Und was macht man da sonst so? Driftschnrocheln im äußerst schnell strömenden „The Rip“ zwischen Direction und Prison Island. Strandschnack mit eine jungen deutschen Biologin, der es die Seevögel angetan haben. Eine brütende Feenseeschwalben-Dame ärgern (was immer leicht fällt, denn die legen ihre Eier auf irgendeinem Ast oder Palmblatt ab und sind dann wütend über vorbeistreifende Segler). Und so weiter – abhängen kann man dort wirklich gut!
Übrigens rappelte es nur so vor zuätzlichen Informationen zur EMDEN-Geschichte. Heiner schrieb, dass wir ein Buch „SMS Emden“ gehabt hätten. Das muss zumindest an mir vorbeigegangen sein, obwohl das Buch offensichtlich viel gelesen war – der leukoplastverstärkte Buchrücken hätte davon gezeugt. Eine Freudin schrieb, es habe vor kurzem einen nicht sehr lohnenden Fernsehfilm zur Emden bzw. eher zur Fluchtaktion der AYESHA-Crew gegeben. Und die VENUS fügte an, dass ein Freund xyz-Emden hieße – der Namenszusatz „Emden“ als Privileg für die „Helden“dieses Stückes Seegeschichte.

Cocos war wirklich noch einmal alles, was man so nett finden kann, Australien und Malay und Atoll, türkisfarbenes Wasser, Abgeschiedenheit, Reminiszenzen an den Südapazifik. Tschüss dann…

Wir sind nicht ganz allein hier draußen, ab und zu taucht auf dem Radar oder im AIS einer der Frachter auf, die sich auf dem Weg vom oder zum Kap der Guten Hoffnung befinden, vielleicht 1 oder 2 können wir „sehen“ – wirklich sehen tun wir außer den elektronischen Anzeigen nix davon, dazu sind 15 Meilen zu weit weg. Aber auch yachtmäßig sind wir nicht allein, parallel zu uns, jetzt leicht voraus fährt die Uhambo aus Frankreich, deren Licht man in der letzten Nacht sogar sehen konnte, und 60 Meilen hat uns schon der „R Sea Cat“ aus den USA abgenommen, der vor uns her galoppiert. Aus diesen drei Booten haben wir das „Indian Ocean Net“ auf Kurzwelle gebildet und so ist abends und morgens jeweils um 7 Uhr Funkzeit mit Positions- und Problemabgleich. Die einen haben Sorge um ihr Rigg, das sich aber tapfer hält, die anderen überraschten gelich am ersten Morgen mit der Nachricht, sie hätte einen Wassereinbruch durch ein defektes Seeventil reparieren müssen. „Yikes“, wie man im Am erikanischen sagen würde. Das wollen wir nicht.
Nicht aber, dass AKKA nicht auch kurzweilige Scherzchen bereithielte: vorgestern Nacht ging der Pinnenpilot, mit dem wir manchmal die Windfahne steuern, fest, gestern wollten wir mal den Motor laufen lassen und stellten fest, dass kein Seewasser im Kühlkreis vorhanden war – da ist der findige Technikus gefragt, der auch immer eine Antwort bereit hat; Pinnenpilot läuft und Motor auch – wir fragen uns im letzteren Fall nur, wie das Seewasser verschwinden kann; das hatten wir noch nie, und wir sind ja nicht gerade erst seit ein paar Wochen unterwegs. Ob vielleicht im Moment des Anlassens das Schiff gerade so weit übergeholt hat, dass am Kühlwassereintritt nur noch Luft bzw. Schaum gezogen wurde? Kann der Sog in den Wellen alles Wasser abziehen? Wenn der Impeller erst einmal Luft fördert, kommt jedenfalls kein Wasser mehr nach. Im Motorbereich geht kein Wasser verloren, die Feststellung ist schon mal gut. Mal gucken, ob das nochmal passiert – natürlich schossen uns beiden sämtliche bekannten Szenarien durch den Kopf, vom massiven Stromsparen à  la Kühlschrank aus, sinniger Umgang mit den Rechnern, Licht aus! Leider ist es hier alternierend so bedeckt, dass die Batterien vor allem nachts gut entladen werden. Gelegentlich ein halbes Stündchen Ladefahrt mit funktionierndem Motor ist ein schönes Backup für arbeitslose Solarpaneele und den Windgenerator, der auf Vorwindfahrt mehr rumlungert als dass er lädt. Außerdem überlegt man für den Fall des (Motoraus-)Falles schon „wohin und wir komme ich da ohne Motor rein“ (Antwort: Port Louis auf Mauritius, hat uns Wolfram mit der ATAIR und seinem Wasserschlagmotor voriges Jahr vorgemacht). Aber wir haben uns schon SEHR gefreut, als wir kurz nach dem Scherz den Auspuff wieder Kühlwsser speien sahen. Alles gut.
Wir haben aber auch schon die AKKA Crew nächtens auf dem Deck rumspringen und ins Rigg leuchten sehen – hm, woher kam dieses hässliche, metallische Knallgeräusch? Ich hatte auf Wache oben gesessen, Andreas auf Koje – und zu sehen war oben nur „alles paletti“. Wir hatten zuvor die ausgebaumte, zweite Genua weggenommen und einigen uns darauf, dass sich der leere Ausbaumer irgendwie entspannt haben musste. Grübel, grübel – Richtung Neumond ist es ja pechschwarz draußen und nicht wirklich gut zu sehen… Bis ich runtergehe, um meine Wasserflasche zu füllen, und die Bescherung sehe: hat doch unser schöner, 2010 erworbener Herd in 5-jährigem kardanischem Dauergeschwinge seine eigenen Aufhängungsbolzen durchgesägt. Zäng! Da hing er schief in nur noch einer Halterung, und jetzt steht er schön gerade, denn die andere Seite knackte bei der Diagnosesitzung am nächsten Morgen auch gleich durch. Was direkt zu einem Loblied auf das gedruckte Buch führt – unsere zwei eBookReader könnten nicht, was jetzt Helmut Schmidt (2x), James Belich, John Irving, William Shakespeare et al. (empfehlenswert, nicht nur als „Buch-Stütze“, auch zu lesen! JK Rowling, The Casual Vacancy!) gemeinschaftlich erledigen: den Herd in Position halten. Brot backen kann man mit dem Konstrukt leider nicht, oder man müsste sich noch einen Hitzeschutz für die tapferen Autoren ausdenken. Mal gucken wie weit der Cruskits- und Knäckevorrat uns bringt, man könnte auch wieder ein Wok-Brot backen…

Jetzt mal raus mit dem Ding – ich schicke es über Satellitenmail, weil ich hoffe, dass dann der Beitrag nicht als ein langer Absatz erscheint, wie es die Funkmail gern tut. Vielleicht kann mir jemand auf der Funkadresse mitteilen ob der Beitrag überhaupt erschienen ist?! Danke – und bis demnächst mal wieder vom Indischen Ozean —