Prickly Bay, 9.1.2018
… er ist da, oder: Die Sache mit der Kiefersperre
Hier, in den südlichen Antillen, gibt es derzeit schicke Sachen zu sehen, und wir haben wieder einmal das alte Problem: Kiefersperre.
Man liegt am Tag nach Neujahr auf der Cockpitbank, schaut vom Buch auf und… hui, hinter uns kommt aber jemand dicht vorbei. Aufsetzen, gucken… (im AKKA-Jargon heißt das: „… das Erdmännchen machen“). Und siehe da, es kommt niemand wirklich nahe vorbei, sondern die normalen Größenverhältnisse sind ein bisschen verschoben. Vorbei geschlichen kommt: LIR, genauer gesagt: „Child of Lir„. Eindeutig Nautor’s Swan, silbergrau, sehr elegant. Kinder hüpfen auf dem Vorschiff, dazu gibt es ausreichend Platz. Ein Männlein steht neben dem Ankerkasten. Kasten? Ich glaube, der Ankerkastendeckel ist fast mannshoch. LIR dreht einen komischen Kreis durch unsere beengtes Ankerfeld – die wollen doch wohl nicht hier mittendrin…?! Nein, wollen sie nicht, oder sie wollen nicht mehr. Irgendwie ist Größe doch manchmal etwas unhandlich. In der Vorbeifahrt winkt ein einsamer, weiblicher Gast – oder die Eignerin? – freundlich aus dem Cockpit. Was man als Fahrtensegler immer für Vorurteile hat: natürlich winkt sie freundlich, denn wahrscheinlich sind das ganz normale Leute, nur mit einem geringfügig größeren Boot… Ich hatte mich auch nicht entblöden können, „woo-hooot!“ zu rufen, da muss man ja zurückwinken. Ich gebe zu, ich bin / wir sind beeindruckt. Wir googeln natürlich sofort – Google schweigt sich zwar meistens über die persönlichen Details der Eigner großer Yachten aus, aber wir stellen fest, dass die schicke LIR nicht mal ins Googleverzeichnis der größten Superyachten passt. Geht erst bei 112 Fuß los, mickrige 104 Fuß sind da nicht erwähnenswert.
Das bringt unsere Erinnerungen in Fahrt, insbesondere an unsere erste größere Kieferklemme: 1988 in Puerto de Mogan, als wir „Blue Fascination“ sahen. Schon in meilenweiter Entfernung – ich glaube, wir kamen aus Teneriffa – staunen wir: „… was ist das denn für ein Spargel?!“. Der Mastenwald der Marina ein Wald von Streichhölzchen und dazu ein einzelner Spargel. Wir erinnern uns gern, Google leitet uns auf You Tube, das uns einen netten Abend bereitet. Wer ein bisschen Zeit hat, kann die frechen Beiträge über die Weltumsegelung der „Blue Fascination“ über You Tube anschauen. Wir finden den 3. Teil namens „Das ist Segeln – wie bitte, das nennt Ihr Segeln?“ besonders nett… Wir hatten damals so lange in Puerto de Mogan an der Yacht herumgelungert, bis man uns an Bord gebeten hat. Auslöser war, glaube ich, dass ich – laut genug – bemerkt hatte. “ … Isernhagener. Da hängt ein FFN-Ballonseidenanzug!“ (sie kann so peinlich sein, die Schipperin!). Zwar war die Familie aus Kirchrode, aber hannöversch ist hannöversch, und das tut einer Kieferklemme keinen Abbruch. ich hatte sie wegen des Kühlraums, wegen des echten Warhol (statt Marilyn die Eignerin!) und wegen des Feinporzellans, der AKKA-Eigner, damals noch schnöder Chartergast auf einer – immerhin – Swan mit Melamingeschirr, war ganz allgemein platt.
Das wirkt nach. Dabei waren weder die Blue Fascination noch die LIR die größten Schiffe, mit denen wir jemals das Badewasser geteilt haben: das größte war die Twizzle2, an der àŽle des Pins in Neukaledonien, die wir allerdings mit 188 Fuß für unseren Bedarf etwas überdimensioniert finden (aber eine Kieferklemme wert).
Irgendwann ist die LIR weg vom Ankerplatz, schon kommt eine neue Silhouette am Horizont auf: „MARIE“. Die rangiert größenmäßig dicht hinter der hypermodernen Twizzle , aber die neue Mode ist – wie wir schon letztes Jahr in Uruguay bei der „Dona Francesca“ gesehen haben – Schiffsneubauten auf alt zu trimmen. MARIE ist so eine. Nach MARIE kommt TALIMA, und wir gewöhnen uns an die klemmenden Kiefer. Lediglich die großen Motoryachten aus St. Georges mögen nicht mit AKKA kuscheln kommen, aber die großen Segler haben eben Geschmack. Mittlerweile versiegt der Strom der Luxusyachten, deren Eigner sich nach den Weihnachtsferien wieder auf die Golfpätze verziehen (hatte ich oben was zu Vorurteilen gesagt? Nee…). Und die Skipper haben ihre Ruhe und segeln gemütlich ans nächste exotische Ziel.
Und was soll der Titel dieses Blogeintrags?!
Ja, er ist da! Wir haben unser Elektronikproblem gelöst, die Risikotaste gewählt und aller Wahrscheinlichkeit nach gewonnen: nach einigem Überlegen haben wir nochmals eBay bemüht, einen zuverlässig erscheinenden Anbieter ausgesucht und einen Ersatzplotter des alten Typs in den USA bestellt. Ein funktionierender, alter Raymarine C80, unser altes Radar, das alte AIS – alles spielt miteinander. Ist doch gut, wenn reiche Eigner (siehe oben?!) gern mal ihr Elektronikequipment wechseln und die gar nicht so betagte Ausrüstung als Brosamen für AKKAnauten und Co. abfällt. Gestern konnten wir unser Päckchen bei eZone abholen. Die Lieferprozedur hatten einen lustigen Moment, denn ich dachte, man könne im bestehenden eZone-Konto aus Trinidad einfach die Anschrift ändern. Man kann, doch das heißt mitnichten, das an diese Adresse geliefert wird! Glücklicherweise war ich gerade online, als die Nachricht kam, dass das Paket innerhalb zwei Tagen in Trinidad landen soll… Stooop! Wir sind in Grenada! Ich hätte ein eZone-Grenada-Konto eröffnen müssen; aber es ging dennoch alles glatt, dank wirklich netter Mitarbeiter in Trinidad und Grenada. Guter Service.
Und jetzt? Noch einmal Wäschewaschen, noch einmal Zoll wegen eines kleinen Absperrhahns für unseren Wassermacher (und eine ungleich teurere Abwicklung mit Fedex) und dann auf nach… Carriacou. Immer noch Grenada. Mal andere Buchten sehen.