Rasta!

Hibiskus und Blue Mountains

Port Antonio, 14.3.2019

„Rasta!“ ruft Geoff aus dem Autofenster. Geoff ist unser Fahrer, und wir, das sind die AKKAnauten plus Judy und Thorben, die Tivolis aus Kalifornien. Die Fahrt kam lustig zustande, denn Geoff kam am Ankunftstag zu uns an Bord – als Wasserschutzpolizist. Ob die Aktion nun lediglich der Kundenanwerbung dient oder tatsächlich dienstlich bedingt ist, haben wir nicht geklärt – ist ja auch egal; gelegentlich tritt Geoff auf dem Ponton mit schussicherer Weste auf. Nach Eintrag ins WaSchPo-Buch kommen wir rasch auf „… am Mittwoch fahre ich mit Tivoli in die Blue Mountains – wollt Ihr mit?“  Klar wollen wir, Blue Mountains, da riecht man den Kaffee schon jetzt meilenweit!

Per WA wird der Termin festgeklopft (WhatsApp zieht Kreise!), und so finden wir uns vor der Polizeistation ein, die AKKAnauten erst einmal vor der Stadtpolizei, es war allerdings die Marinepolizei gemeint. Wir klettern in Geoffs alten Japaner, ist ja ein Fünfsitzer, so eine Karre. Dass ich unterwegs öfter mal anbieten werde auszusteigen, wenn wir das Durchschlagen der Achse oder Auspuffschaben verhindern wollen, ist vernachlässigbar. Geht auch so. Geoff grinst sich eins – er spart auf ein neues Auto, ein richtiges SUV, das lohnt sich bei einer Familiengröße von 6 Personen natürlich auch, und SUV… doch, das geben wir zu, ist hier im Nordosten von Jamaika nicht das Schlechteste. Erst geht es die Küstenstraße entlang, aber spätestens, wenn man Buff Bay hinter sich gelassen hat, wird es holperig. 1 1/2 Spuren, unbefestigt oder ehemals befestigt. Und kurvig! Der Eigner sagt: „…reichlich Stellen, an denen man nicht falsch abbiegen möchte!“ Tief geht’s runter… Streckenweise will die Hupe nicht stillstehen, denn Gegenkommer müssen ja gewarnt werden. Natürlich kann Geoff, als uns ein nicht hupender Gegenkommer von Fenster zu Fenster anraunzt, mit dieser Fuhre weißer Touristen im Fond schlecht den Polizisten herauskehren und lässt dessen arrogante Ansprache freundlich an sich abtropfen. „…einer von den Kaffeeplantagenbesitzern, denen gehört die Welt…“ lacht er, als es weitergeht.  Geoff ist eine ziemliche Nummer. Er lässt sich was einfallen, um das Salär aufzubessern: Passangelegenheiten? Einwanderungsfragen? Flugtickets? Geoff regelt, besorgt, kann alles. Und eben auch Touri-Touren. Wir bekommen Jamaika-Geschichten geliefert, über Drogen und Narkotika udn anderes aus der Polizeiwelt, Parteienzwist  -wir haben heute eine kleine Nachwahl zu erleiden, es herrscht Straßenkampf. Per Lautsprecherwagen – Überbevölkerung, Erziehungspolitik.

Rasta Barista

Wir schrauben uns höher, um umso tiefer zu blicken. Besuch bei einem Kaffeefarmer mit Rundgang durch den „Kaffeegarten“. Die Kleinfarmer sind auf Kooperativen angewiesen, denn der Verkauf funktioniert nur ab einer bestimmten Erntemenge, die so ein Gärtchen nicht erreicht; ich glaube, unter einer Tonne geht nichts, und doch landet vieles vom guten Kaffee bei den großen „blendern“ à la Nestlé – dafür tut uns aber die Kaffeeverkostung in 1600 m Höhe gut, frisch vom Strauch bzw. aus dem Pott, denn auf dem offenen Holzfeuer röstet die nächste Kaffeeladung. Schöner Einblick! Schöner Ausblick!

Hier wird geröstet!

Kaffeeverkostung

Anschließend gibt es eine Wanderung im Nationalpark – und ich befleißige mich des Plastiksammelns. Mensch, Leute… hört doch mal mit dem Scheiß auf! Was sucht eine Styropor-Fastfoodbox da oben im Wald? Nebst Flaschen und Chipstüten. Man fasst es nicht, aber trotzdem ist so eine Portion Waldbergluft eine Wohltat.

Blue Mountains

Wir wandern und quatschen, und das dauert so lange, dass wir den Programmpunkt „bis 14:00 Uhr in Kingston“ auf „an einem anderen Tag“ verschieben. Um 14 Uhr ist nämlich die letzte Führung im Bob Marley-Museum, zu dem Zeitpunkt sitzen wir noch immer in frischer Bergluft und genießen ein nettes Mittagessen. Und lachen uns schief – Geoff ist wohl das, was man einen heiklen Esser nennt. Das Restaurant ist eher „nette internationale Küche“, Sandwiches, Paninis, Salate und in den Hauptgerichten leicht currylastig, aber Geoff fragt ungnädig: „… gibt es nichts Jamaikanisches?“ Die Bedienung ist genervt. „… we are not a jerk centre!“ . Jerk ist eine typische, nein, die jamaikanische Gewürzmischung, die einem an jeder Ecke entgegenweht – Zimt, Pfeffer, Knoblauch, Chili, Piment, Ingwer – jede Hausfrau hat ihre eigene Mischung. Schnell löst sich die Strenge in Besorgnis auf „… was isst Du denn überhaupt?“ Was, kein Gemüse? Keinen Salat? Kein Schwein, kein Rind?  Ja was denn?  Reis mit Bohnen… und vor allem Makrele aus der Dose! Zwar lässt sich Geoffs „I live on Grace!“ mit „ich lebe von der Gnade“ übersetzen, aber GRACE ist der große jamaikanische Dosenfutterhersteller.  Witzbold. Dafür sieht Geoff ziemlich fit aus, und er ist großzügig genug, dass seine Kinder essen dürfen, was sie wollen.

Handcart mit Kokosnüssen

Und dann geht es auf dem gleichen Weg wieder zurück. Kirchgänger überall. Es ist Aschermittwoch, Jamaika hat zwar keinen Karneval, aber der Aschermittwoch ist Feiertag. Wir wühlen uns durch ein dörfliches Reggaefest, von Aschermittwochsdemut ist schon keine Spur mehr, es geht laut und lustig zu. Ja, ja, der Jamaikaner trinkt mehr Rum als Bier…. „Rasta!“ grüßt Geoff aus dem Fenster. Eine der Rastlockenmützenträger verkauft uns gekühlte Kokosnüsse

Hinterachse – man beachte die schlaue Bremse

– und der Eigner entwickelt eine Leidenschaft für dessen Fahrzeugtyp, den „handcart“.  Stopp an der Polizeistation in Buff Bay –  Geoff muss noch einen Pass und ein Ticket für eine Reisende deponieren, die am Folgetag nach Trinidad fliegt, dazu wird (auch in den Kurven) gern das Smartphone geschwungen und lautstark arrangiert. Was eben so ein viel beschäftigter Polizist alles zu verabreden hat. Noch ein paar Mal „rasta!“ und wir sind wir zurück. Klasse Tag.

Das Mahlzeitintermezzo und das ganze Gelächter über das Essen und die Esserei hat übrigens einen Nachgang, denn am nächsten Morgen kommt die Polizei, mit dem großen Dienstboot. Und zwei Styroporboxen. Frühstück! Geoff hat uns Ackee & Saltfish besorgt. Ackee, die Nationalfrucht der Jamaikaner, gekocht mit Salzfisch, dazu Kochbanane. Ja. Kann man essen. Bisschen fischig – ich steh‘ mehr auf Jerk. Rasta!