Zwischen Karibik und Pazifik

Omotepe, Nicaragua, 26.2.2020

Schwer zu toppen, dieses Yatama… zumal wir uns für den nächsten Schritt wieder ins Getümmel werfen müssen. Die Busfahrt geht von Horqueta über Guápiles und Carriari durch endlose Bananenplantagen* bis La Pavona, da ist dann Ende Bus-Gelände, weil von dort nur der Wasserweg noch an die Küste führt. Ziel Tortuguera. Glücklicherweise bekommen wir ein „normales“ Boot, das auch ein paar Gehöfte von Einheimischen anläuft und daher nicht vollends mit unseresgleichen (aka Tourist) besetzt ist. Wohl aber mit einer deutschen Familie, deren Sohn (4?) für Dauerbeschallung sorgt: „Mama! MAMAA! Das wackelt! Mamaaa, das kippt um!“ Die Mutter nimmt ihn auf den Schoß, muss aber zeitgleich die Hand der Tochter nehmen, die gottergeben und mit geschlossenen Augen der drohenden Katastrophe entgegengeht (der Vater hat eine weitere Tochter im Arm). Dann geht es los, teils wegen Ebbwasserstandes mit Gewühl (sehr tief wären wir nicht gesunken…), noch ein bisschen Entsetzensgequieke, dann aber hat Sherlock – außer einem Plüschtier ist das Kind mit Plastikfernglas und Lupe gerüstet – die Lage analysiert:“… so, Mama, Du kannst Dich wieder an Deinen Platz setzen!“. Die Angsttiraden werden aber nahtlos durch Live-Berichterstattung ersetzt:“ … Mamaaa! Der Vogel! Das Krokodil [war ein Leguan].“ Ob sich die Gäste im La Baula Resort, wo die Familie aussteigt, auch gefreut haben?

In Tortuguero irren wir ein bisschen durchs Dorf, finden dann unser Hostel El Gecko am Ortsende, schaurig schön am Atlantik, der für die nächsten Tage mit seinem Gedonnere für eine ununterbrochene Geräuschkulisse sorgt. Hier ist nun Tourismus „pur“ angesagt, alles zwar eher einfach, obwohl ein paar luxuriösere Resorts sich in den Palmenhainen außerhalb des Dorfes verbergen. Vorteil des Gästestromes: nettes Essen, Ingwer-Zitronengras-Limonade und richtig guter costarikanischer Kaffee im Buddha-Café. Es hat was, mal kein Gallo Pinto (Reis mit Bohnen) vorgesetzt zu kriegen. Die Nachtwanderung hat auch was: zwei Europäer in Vollzeug – lange Hose, Wanderschuhe, langärmeliges Hemd, so wie wir’s halt kennen, und wie es auch empfohlen wurde – dazu eine Gruppe von Uruguayanas, die sich das nächtliche Abenteuer in kurzen Shorts und bauchfreien Tops geben, und beim Durchstreifen des Unterholzes natürlich kreischen und juchzen. Umpf… wenn es keinen Grund zum Kreischen gibt, wird gegackert. Was das Vergnügen nicht allein trübt. Es sind zig Gruppen à 6-10 Gästen, die zu allem Übel auch noch ein recht kleines Gelände am Ortsrand durchpflügen; aus allen Richtungen blitzen die Taschenlampen. Lauschig. Immerhin… Baumfrosch, Kolibri im Nest, ein paar – iiieeeek! – Spinnen sind der Lohn, Saulo, dem es auch zu voll ist, führt uns noch ein Stück weiter nach Norden, wir erhalten einen kleinen Vortrag über Meeresschildkröten, deren Eiablage er in der Saiason betreut und bewacht. Zwei schöne Schlangen kommen auf unsere Liste, eine namenslose, die man glatt für einen braunen Ast halten könnte, und die – wieder einmal – ohne die geübten Augen eines Guides unentdeckt geblieben wäre. Und eine grüne Weinstockschlange sitzt hoch im Baum und verdaut. Schick. Kleine Leguane gibt es als Zubrot, aber die erhofften Faultiere verstecken sich gut und erfolgreich.

Nächstes „Muss“ in Tortuguero ist eine morgendliche Ausfahrt mit dem Ruderboot oder Kanu. Wo an einem Urlaubsort erlebt man um 6 Uhr früh einen solchen Auftrieb? Glücklicherweise verteilt sich das gut, wir sitzen zu vielleicht 10 Gästen im Boot, aber die Ausfahrt ist dann doch zeitweise beschaulich und ruhig, wenn sich nicht gerade 10, 12 Boote vor einem springenden Klammerschwanzaffen versammeln und „oh! Ah!“ rufen, ansonsten paddelt man recht still durch die Mangroven. Es gibt reichlich Reiher und Jacanas, Tukane, Fledermäuse im Tagversteck, Kormorane und natürlich die leider bedrohten grünen Soldatenaras. Schön! Sollte man mitmachen, wenn man hier ist! Im Nachhinein betrachtet hätten wir lieber ein Kajak genommen, mit dem man sich leichter absetzen kann. Wir unternehmen noch zwei ausgedehnte Spaziergänge allein, einen davon im fast unvermeidlichen Regen – die Regenmengen sind unglaublich.  Leider ohne Jaguarsichtung, obwohl doch kürzlich erst einer in der Nacht ins Dorf gekommen war, um sich einen der zahlreichen Hunde zu holen. Aber damit ist unser Karibikausflug auch erledigt – den Nationalpark Cahuita lassen wir aus.

Zurück nach San José. Aida im Hostal Trianon freut unser Wiederholungsbesuch. Der Eigner schwankt zwischen dem Erwerb neuer Wanderschuhe und Reparaturversuch an den Sohlen – also eher einfache Aufgaben – dann Abreise nun doch noch in den Nebelwald. Bus nach Puntarenas am Pazifik, ein bisschen an der Bushaltestelle abhängen und aus der pazifischen Hitze hinauf in die Berge des Monteverde – dass es sich um Nebelwald handeln muss, hatte man schon vom Strand sehen können, denn die Wolkenwalze, der wir uns nähern, ist gewaltig. Nicht auf dem Schirm hatten wir allerdings die geradezu gewalttätigen Winde, die den feinen Nebelregen waagerecht durch die Luft treibt: von Ost kommt der Passat, der auch die feuchten Wolken die Hänge hinauf treibt. Eine Passagierin im Lokalbus antwortet später auf die Frage, ob das immer so sei, knapp: si, más o menos. Mehr oder weniger. Gespenstisch – gleichzeitig ist Santa Helena aber ein viel netterer Ort als La Fortuna, trotz des Touristenaufkommens: es ist bergig und verwinkelt, also verteilen sich Bebauung wie auch Leute in der Landschaft. Wir buchen einen geführten Gang im kleinen Reservat Curi Cancha, gekrönt von einer Quetzalsichtung (eigentlich ein leichtes Thema, weil Quetzals gern in Avocadobäumen sitzen, wenn die Früchte tragen), und am nächsten Tag marschieren wir frei durch den Nebelwald. Was für Wassermassen! Manchmal peitscht einem der Wind den Nebel ins Gesicht, an der Stelle, an der man Atlantik und Pazifil gleichzeitig sehen kann, hüllt uns die Wolke vollends ein – es ist eben kein „ruhiger Tag“; dennoch gibt es ganz windstille Taschen im Wald. Und eine Hängebrücke in Höhe der Baumwipfel – das hätten wir  damit auch abgehakt. Manchen Besuchern geht es um so viele Brücken wie möglich, was auch ziemliche Kraxelei bedeutet; es gibt Nebelwaldtouren mit 6, 8, 15 Brücken. Eine reicht, der Weg ist beschwerlich. Und sehr lohnend.

Nach 3 Nächten geht es wieder auf, runter an die Küste Richtung Liberia, von wo es nicht mehr weit zur nicaraguanische Grenze ist, und wo der Schuster das Geschäft des Jahres macht – endlich werden die o.a. schon erwähnten Sohlen „professionell“ geklebt. Klingeling, 14 Dollar – diese Gelegenheit konnte er sich nicht entgehen lassen. TICA-Bus bucht freundlicherweise unsere bestehenden Tickets von San José nach Managua um – so viel Gemecker um die Firma, aber wir hatten nur Serviceglück, vor allem mit deren Chatverfahren. Perfekt. Auf nach Nicaragua!

 

(Jetzt muss der Eigner wieder einmal den Rechner für Bilder freigeben, dennoch: raus damit, wir hinken maximal hinter dem Zeitplan her, immerhin sind wir schon vier Länder weiter…)

 


* Bananen kommen mittlerweile auf meine Liste der zu vermeidenden Nahrungsmittel, sofern sie nicht zertifiziert organisch sind. So viel Plastikmüll (blaue Säcke gegen Insekten- u ndFledermausfraß. Und so viel Pestizide, dass an der Küste die Koralleriffe durch den Pestizideintrag von den Feldern geschädigt werden. Costa Rica, das Ökotourismusland…