Sauber abgeschert

Stingray Point/Deltaville, 30.9.2021

Home, sweet home!
Boatyardleben.

Ei, ei… der Herbst ist da!  Der Herbst, der hier, wie Freundin Pat es aus dem mittleren Westen beschreibt, bedeutet, dass man vom Mittag bis 17 Uhr die Klimaanlage anwirft und in der Nacht dann Winterdeckenalarm ausgerufen wird. So isses. Oder so ähnlich. Wobei unsere Klimaanlage schon eine Weile stillsteht – hat jemand Interesse an einer 110 V Fensteranlage? Wir brauchen sie nicht mehr.

Auf Akka ist alles schön, der Eigner klopft Teakproppen ins Deck, die Schipperin wäscht die Schoten oder flickt irgendwelche Sachen, kocht, kauft ein oder kämpft mit den Rechnern und gesperrten Kreditkarten, die die Lieferung von Ersatzteilen behindern. Das AT&T-Netz hier  ist mittelmäßig schlecht, die Datenpläne teuer, das Boatyard-Internet ist auf Akka nicht einzufangen, alles doof; ein neues, aktives Verlängerungskabel und Antenne im Besantop hilft auch nicht. Aber nun… es liegt ein Tablet auf dem Cockpitdach und schubst uns – einigermaßen zuverlässig – 100 GB pro Monat in die Laptops. Geht doch. Hätten wir früher haben können.

Größere und kleinere Projekte hat es – neben dem Großprojekt „Abfahrt“ – reichlich. Das Dinghy… ist seit Jahren intermittierend schlapp. Wir stellen Versuchsreihen an, wann in welche Richtung Luft entweicht – es hat drei Kammern, einen Bugwulst und je einen rechts und links. Luft entweicht eindeutig aus dem Backbord- in den Bugwulst, wogegen der rechte absolut dicht ist, dabei ist das der verdächtige, denn er hat einen reparierten Austernschalenschnitt aus Wallis/Futuna. Nach außen können wir nichts feststellen, Spülilösungsexperimente zeigen nichts an, obwohl es auch das geben muss. Also wollen wir das Dinghy von innen abdichten, dazu gibt es Gummierungsflüssigkeit, die in die Wülste eingefüllt wird. Diese Lösung muss aber verteilt werden, also bringen wir mindestens zwei Tage damit zu, mit Taljen und Leitern eine Konstruktion zu ersinnen, die einem ermöglichen würde, das Dinghy von vorn nach hinten zu kippen und dabei gradweise zu drehen. Ein Fall für „Szenen einer Ehe“, nebenbei bemerkt. Anstrengend. Der Eigner ist für Drehen und Hebeln von Hand, in meiner Vorstellung sehr kraftraubend. Vielleicht hat er recht, und eine Beschreibung besagt, es reiche, das Dinghy bei Wellengang auf einen „wild ride“ zu nehmen. Ich kann mir das nicht vorstellen, das müsste ja in einer Eskimorolle enden, von „gradweise drehen“ keine Rede; ich bin für – übermäßig komplizierte? – Taljenlösungen. Das Dinghy bekommt unseren Jockey Pole untergeschnallt, das Heck wird per Talje aAkkas Bugbeschlag befestigt, das Vorderende auf eine A-Leiter gelegt. Die Leiter fällt beim ersten Versuch um. Wir schleppen einen hohen, hölzernen Bock an. Funktioniert auch nicht wirklich gut. Den Spibaum quer über den Bug legen und mit zwei Taljen…? Wir diskutieren, bis wir das Thema vertagen. Und das Ende vom Lied? Seit wir entschlossen sind, das „irgendwie hinzukriegen“, stellen wir keinen Druckverlust mehr fest. Projekt verschoben, die Flasche Gummierung packen wir ein, vielleicht gibt es eine Abdichtsitzung an einem schönen Bahamasstrand… Dinghyprojekt 2: wir haben beschlossen, das Aludinghy von der abblätternden Farbschicht zu befreien und danach in „Alu pur“ zu belassen, hat es doch in den letzten Jahren nicht nur hässlich ausgesehen, sondern auch zunehmend kleine Lacksplitter auf dem Deck hinterlassen, wenn es umgedreht auf dem Vorschiff gefahren wurde. Ach ja, und das neue Kühlaggregat steht immer noch auf dem Sofa und will eingebaut werden… Das wird nun wirklich Zeit, schließlich steht es in meiner Ecke, und wenn das mit der Tagestemperaturentwicklung so weitergeht, sind die Tage des Cockpits als Aufenthaltsraum gezählt. Die Pantry (Ihr seid Euch bewusst, dass das wieder einmal eine  Fehl-Eindeutschung eines englischen Fremdwortes ist? Siehe das deutsche „Handy“, englisch für „hübsch“. Und die Schiffsküche ist die galley, die pantry dagegen der Vorratsschrank…). Unsere Küche also sollte schon seit längerem eine neue Arbeitsoberfläche bekommen. Ihr wisst ja, wie die Arbeitsfortschritte bei uns verlaufen (gibt es das Wort verschleichen?), und so verschwinden manche Projekte leicht ans Ende der To-Do-Liste. So auch dieses . Als wir ankamen, hatte uns Rick (das ist der Motormann aus dem letzten Beitrag) freudig bestätigt, dass er auch Schreinerarbeiten macht, wie toll! Da lassen wir uns schickes Formica/Resopal schneiden und druff damit! Nun ist Rick aber recht beschäftigt, vielleicht ist auch unser Zutrauen in seine Künste im Allgemeinen etwas gemindert – und das Projekt rutscht zügig der Prioritätenliste abwärts, denn eher muss Rick uns mit dem Motor auf die Beine helfen! Muss er? 

Muss er nicht. Ich wage es kaum zu berichten, aber der Eigner, der Bordingenieur und Wunderknabe hat es wieder allein geschafft. Die Aktionen verlaufen vom zögerlichen „wir müssen in die Strümpfe kommen, wann hat Rick Zeit?“ über stille Entschlossenheit bis zum optimistischen „…eigentlich mache ich das ja doch ganz gern – man muss es nur anfangen“.  Kleine Entmutigungseinsprengsel inklusive.  Schritt eins: Propellerwelle ziehen. Rick hat „gerade“ keine Zeit, bringt schon mal eine große (eine überdimensionierte!) Klempnerrohrzange, das berechtigt zu schönen Hoffnungen. Die Zange stellt sich als so groß heraus – viel Länge, viel Hebel! – dass der Eigner diesen Schritt schon am gleichen Tag aus dem Ärmel schüttelt. Einhand, wie man in Seglerkreisen sagt, und Rick freut’s. Jetzt müssen die alten Motorlager (das sind die elastischen Füße, auf denen der Motor steht und mit dem Schiff verbunden ist!) raus. Tadaa! Ich hatte ja schon mehrfach angedeutet, dass ich das mit den Motorvibrationen nicht so dramatisch fand, vielleicht ein bisschen altes, hartes Gummi oder so… aber der Chief hatte den richtigen Riecher, da muss etwas Größeres faul sein. Richtig – beide

Passt doch! Fast.

…  kommt zusammen, was zusammengehört? Nö.

hinteren Motorlager sind unterhalb der Mutter sauber abgeschert. Wo gibt es denn so was?  Auch wenn das eigentlich katastrophal ist – der 450 kg-Klotz hat also eine nicht zu kurze Weile nur noch an zwei Bolzen gehangen, und das bei diesen Schiffsbewegungen! – den Eigner freut’s, die Ursache gefunden zu haben. Es folgen Überlegungen, wie man die Kraftverteilung auf die Bolzen verbessern kann, das dauert ein bisschen – und da kommt dann doch der Motortischler Rick wieder ins Spiel, denn er tischlert uns Distanzplatten aus irgendeinem tollen NASA-Material. Ich darf auch einmal mitspielen und mein ganzes Übergewicht zum Tragen bringen: den Motor diagonal kippen, um einen neuen Motorfuß in Position zu schieben. Nicht zu vergessen, dass  dabei auf dem zu bewegenden Teil noch der halbe Eigner liegt, aber was tun schon

Alt und neu. Beim rechten Lager ist was faul…

ein paar zusätzliche Kilos. Noch ein paar Tage Kleinarbeiten, und schon sind „wir“ fertig .  Der Eigner, dieser Ingenieurstyp, ist einfach der Hammer. (…ja, es hat gedauert, aber das liegt auch daran, dass man in Wahlkampfzeiten auch immer viel an politischen Nachrichten zu lesen hat). Das hintere Wellenlager ist auch neu, eine Empfehlung von Rick, der ansonsten froh ist, dass er, außer uns seine rieseige Klempnerzange und seinen Drehmomentschlüssel zu leihen, nichts weiter mit unserem Projekt zu tun hatte – aber man merkt, dass seine Hochachtung vor dem Bordingenieur massiv gestiegen ist. Wie gut alles geklappt hat, wird sich zeigen, wenn wir im Wasser sind.

Noch was? Wir haben Rick auch in seiner Funktion als Tischler überholt – die neue Arbeitsoberfläche wird doch erneuert und wird aus selbstklebender „heavy duty“-Folie bestehen. DC-Fix fixt alles – wir hatten im Erdhaus in Isernhagen von 1985 bis 2006 ein zwei Dekaden währendes, knallrotes DC-Fix-Waschtisch“provisorium“. Gute Erfahrung!  DC-Fix gibt es hier allerdings nur eingeschränkt – „not for the North American market“ merkt Amazon bei bestimmten Farben und leider auch bei Mattweiß an – aber es gibt ein vertrauenerweckendes Alternativprodukt aus US-Produktion.
Manche Projekt krabbeln eben auch wieder vom Ende der Liste nach oben. Hoffentlich kommt uns nun auch der Abfahrtstermin entgegen.