Isernhagen, 27.9.2022
Ganz ohne Schlusspunkt soll unser Blog nicht bleiben. Ich – die Schipperin – gestehe, dass ich mich mit der Umstellung auf das Landleben schwer tue, aber die jederzeit und perfekt funktionierende Waschmaschine reißt alles raus. Ein Hoch auf Miele!
Die Reise von Cornwall nach Bremerhaven geht schnell und vergleichsweise unspektakulär vonstatten. Ein allerletzter Ankerstopp vor Salcombe, d.h. ein letztes Mal Wochenendvergnügen, bis sich die umhersausenden Jetskis und Wasserskiboote gegen Abend nach Hause verziehen. Ein nicht ganz allerletztes Bad als Zugabe. Über Nacht ziehen wir die Kanalküste entlang, Ziel Eastbourne – kein besonders attraktiver Platz, an dem die Marina angesiedelt ist, aber freundlich, komfortabel und mit guten Einkaufsmöglichkeiten in Reichweite. Zugabe hier: die Eastbourne Airshow, mit was wohl? Ei sicher, die Red Arrows folgen unserem Kielwasser, und nicht nur einmal treten sie auf, sondern gleich an drei Tagen. Die bekannte Badepier von Eastbourne liegt in Radelweite, wir mischen uns unters himmelwärts starrende Volk; die schisserige Schipperin fragt sich, ob sie lieber bei den Düsenjägern wegschaut oder bei der Luftcowboys mit den Propellermaschinen die Augen schließt. Natürlich schielt sie doch hin.
Next Stopp Ramsgate, vorbei an dem aufgelassenen Atomkraftwerk Dungeness (schuhuu! Atomkraft ist total sicher, man merkt’s am wiederholten Abschalten-Renovieren-wieder Anfahren wollen und… Rückbau). Dover mit seinem Dauer-Fährverkehr gilt es zu kreuzen, das Wetter wird sehr grau und Ramsgate scheint noch grauer. Ein freundlicher ex-Nachbar aus Eastbourne hilft uns mit den Leinen, und wie schon dort merken wir an den nun öfter aufkommenden Gesprächen, dass unsere Reise ein bisschen anders und etwas länger war. „… wo kommt Ihr her, was habt Ihr im Sommer gemacht.“ Drucks, drucks. Aus Falmouth! From Hamburg? „Dieses Jahr? Nee. USA, Bahamas, Bermuda“. Boom. Wir steigen aktiv ins Langfahrt-Beratungsgeschäft ein. Das wird uns inmitten der vielen Sommersaisonsegler bis Deutschland begleiten. Ramsgate entpuppt sich auf den zweiten Blick als typisch englisches Küstenstädtchen, aber langsam drängt die Zeit zur Weiterfahrt. Wir queren den Kanal in mittelmäßig direkter Linie nach Belgien, sofern es die zahlreichen Verkehrstrennungsgebiete erlauben und der resultierende Querverkehr. Einen Schreck hat die Passage bereit: ein großes, schwarzes Gummiboot treibt an uns vorbei – allerdings leer. Die britische Coast Guard fährt reichlich Patrouillen und birgt Geflüchtete ab – uns hinterlässt der Anblick ziemlich nachdenklich. Wir sind definitiv zurück in Europa.
Belgien bietet – außer Moules Frites und Schokolade – noch einmal ein bootstechnisches Schmankerl: beim Umparken vom – ordentlich strombeaufschlagten – Besuchersteg in Blankenberge betätigt der Eigner das Bugstrahlruder, während ich auf dem Vorschiff Leinen sortiere. Kurz das bekannte Propellegerödel, dann ein hohes Heulen, und die Leinensortierin bölkt ein „Kein Bugstrahl!“ nach achtern. Es geht zwar, gelernt ist gelernt, auch ohne, aber was das nun wieder ist? Es folgt eine Ausräumaktion im Vorschiff, um an den Antriebsmotor zu gelangen. Fehlanzeige – immerhin schätzt sich die Schipperin danach glücklich, dass auf diesw Weise die anstehenden Ausmisteaktionen initiiert werden können. (Think pink!). So kommt es im Hafen von Blankenberge, igitt, zum aller-allerletzten Badeeinsatz, und siehe da: der Propeller vom Bugstrahlruder hat alle drei Blätter verloren. Wir bestellen fix einen Ersatzprop (Gelegenheit, die Wartezeit mehrfach mit leckerem belgischem Essen zu überbrücken). Anfänglich gebe ich mich der Hoffnung hin, das Problem tauchend zu lösen, aber die Sicht ist so grottenschlecht, dass ich nicht einmal die Sicherungsschrauben erkennen kann. Wir gucken uns die Schlagbettanlage im Hafen an, deren Benutzung allerdings nicht nur extrem unsicher sein soll, sondern für Yachten auch verboten. Wir ziehen ins benachbarte Zeebrugge um. Marine Technics holt uns für 2 Stunden raus, der Prop ist ratzfatz montiert – das Abkärchern des Rumpfes dauert länger.
Und dann Holland. Das spätsommerliche Vlieland lädt zum Verweilen, das Langfahrtberatungsgeschäft nimmt weiter Fahrt auf (Nachbarn übernehmen unsere ollen Tipps für ihren Alu-Neubau, wer sagt’s denn?), es gibt Radeltouren und Pannekoeken und Poffertjes inmitten vieler Touristen – diese westfriesische Insel gefällt uns! Glücklicherweise trübt sich das Wetter ein. Eine allerletzte Nachtfahrt entlang der Nordseeküste. Anstrengend! So viel Fischereiverkehr und Baustellen-Schiffe.
Am 10. September 2022 um zwölf sagt der Schleusenwärter der Neuen Schleuse in Bremerhaven: „Macht backbord fest und fahrt vor dem Fahrgastschiff raus!“ So schleichen wir uns nach Deutschland rein, wie wir uns vor 16 Jahren rausgeschlichen haben. Akka fest in Bremerhaven. Wir lassen uns in Hannover Landbeine wachsen.