Deltaville, 25.7.2020
Wo fangen wir an? Dass es Akka gut geht? Dass die Crew gemault hat, dass sie weder Pest noch Cholera „Choronera“ an Bord hatten? Der alte Bär und seine Kumpane hatten was läuten hören, sind aber mit der Nomenklatur nicht so ganz auf dem Laufenden. Oder ist es wichtig zu sagen, dass es in der Chesapeake Bay heißer ist als am Fluss in Guatemala?
Yes, Ihr Lieben – die Akkanauten sind zurück bei ihrem Schiff. Spannend war das schon, und auch ein bisschen traurig, weil wir uns von der Insel und den Insulanern, vor allem von den Hunden trennen mussten. Getriggert hat den schon länger angedachten Vorgang ein Foto, das uns die Segelyacht Flora von der Durchreise durch die Fishing Bay schickte. Akka ging es augenscheinlich gut – selbst die Sonnensegel (Urteil des Segelmachers, der eine neue Sprayhood gefertigt hatte: bloß nicht drauf lassen im Winter!) standen noch wie eine Eins.
Irgendwie, ach irgendwie… müsste man doch langsam versuchen zurückzureisen. In Guatemala steigen seit Wochen die Infektionszahlen, in unserem departamento zwar nur leicht, aber insgesamt zieht sich die Schlinge zu, und weitere Maßnahmen – zum Beispiel 14 Tage Total-Lockdown, wenn die Tageszahlen über 500 steigen – kann sich Guatemala einfach nicht mehr leisten. Mittlerweile sind die Zahlen über 1.000, mit Schwerpunkt in den dicht bevölkerten westlichen Regionen des Landes. Also schauen wir uns die Lage in den USA an. Insgesamt niederschmetternd, die Gesamt-USA und besonders die Südstaaten, aber wir vergleichen Coronasituation am Rio mit Middlesex County/Virginia, wo Akka steht. Und siehe da: der alte Bär hat recht, auf Akka und umzu gibt’s „gar kein Choronera*“, sogar noch weniger als im Departamento Izabal. Die gedanklichen Mühlen fangen an zu arbeiten. Wir diskutieren mit den Mitinsulanern. Dave, das 85jährige Einhandseglerwunder, möchte gern für eine Weile nach Seattle. Jim hat Geschäftliches und Familiendinge an der Ostküste – aber beide haben ein Problem, das wir nicht teilen: sie wollen wieder zurück ins hermetisch abgeschlossene Guatemala. Das ist der Schlüssel, denn das müssen wir nicht.
Flüge in die USA gibt es aus Guatemala City regelmäßig bis unregelmäßig, alles läuft unter „repatriation“, und nur noch eine Fluglinie bedient die Strecken. Maximal 5x pro Woche nach Houston – ohne Corona wäre das unser Lieblingsziel, kurzer Flug, lange Autofahrt (auf Bus haben wir „irgendwie“ keine Lust mehr) durch die Mitte zur Atlantikküste. Start unter Coronabedingungen im schwer gebeutelten Texas? …eher nicht so verlockend. 2 Flüge pro Woche jeweils nach Los Angeles (zu weit, und Kalifornien ist nicht besser dran als Texas), New York (merkwürdiger Umweg, dahin können wir auch segeln, wir dürfen sogar…) Also das nächstliegende Ziel: Washington. Wir buchen, und wir suchen uns einen Flug aus, der für 100 Dollar extra Business Class bietet, will sagen: fort von der möglicherweise infizierten Menge (als so voll wird sich der Flug nicht erweisen, aber dennoch angenehm). Wir ziehen aus!
Bleibt nur die Frage, was Customs and Border Protection zu unserem „Besuch“ sagt. Und in der Tat, das macht es für die letzten 24 Stunden noch einmal spannend. Montagmorgen. Schon unterwegs auf dem (5 Stunden langen Taxi-)Weg nach Guatemala City sendet United Airlines die Nachricht, dass man unseren Reisezweck prüfen müsse, die USA erlauben derzeit keine Einreise für Besucher auf Touristenvisa, sondern unsere B1/B2-Visa gelten nur für geschäftliche oder anderweitig wesentliche Einreisen. Wir sitzen im IN/OUT-Hotel am Flughafen und schwitzen ein bisschen nervös. Die bis zum Feierabend versprochene Freigabe erfolgt nicht. Himmel – was tun wenn das nicht klappt? Der Eigner sendet schon mal ein „… please hold our cabin!“ an Jim nach Rio Dulce.
Um 05:30 schultern wir die Rucksäcke und laufen hinüber zum Airport, noch ist die Schlange nicht lang, wir werden ein letztes Mal von Guate-Souvenir- , nun auch Desinfektionsgel-/Masken-/Handschuhverkäufern belagert, dann rückt die United-Bodencrew an. „Bitte bleiben Sie vor der Tür, wir versuchen uns zu kümmern!“ Wir pfeifen uns ein Lied – unser Taxifahrer aus Rio Dulce, OtiTours, hat versprochen, uns im Zweifelsfall am gleichen Tag mit zurückzunehmen. Das ist so ungefähr Plan D oder E aus unseren ratternden Hirnen. Und dann… „…we got news from CBP, you have been cleared!“ Juhuu! Wir konnten dank mitgeführter Bootspapiere und Marinabestätigung nachweisen, dass wir einen triftigen Grund für die Reise haben. Oder andersherum: ein freundlich gesonnener CBP-Mensch hat das als triftig anerkannt. Das hätte auch anders kommen können. Der Rest ist einfach: einchecken, durch einen gespenstisch leeren Flughafen laufen, der eigentlich berstend voll mit Mayas und anderen Guatemalteken und mit mayageschichtsgierigen Touristen sein sollte. Wir finden eine Kaffeestation, außer einer kleinen Apotheke das einzig offene Geschäft – die Damen freuen sich über eine Handvoll Passagiere. Es ist wirklich elend. Abflug. 4 Stunden später erreichen wir wiederum einen gespenstisch leeren Flughafen, diesmal Dulles International Airport, Hauptflughafen der US-Hauptstadt. Wahnsinn. Die erste CBP-Kontrolle ist freundlich, mündet aber im Verweis an eine Zweitprüfung, dem jungen Officer ist die Yachtgeschichte ein bisschen unheimlich. Der Zweitprüfer versteht und nickt und fragt nach Yachtreisen und dem Ozean – außer Plaudern ist ja auch sonst nix zu tun: in dieser Stunde landen 3 (drei!) internationale Flüge. Irgendwie erschütternd.
Wir greifen ein Auto bei Enterprise ab – ein gigantisches „midsize SUV“, das billigste Angebot. Als wir gestern auf dem Supermarktplatz zwischen zwei richtige SUVs der US-Kategorie rutschen, wird uns klar, warum dieses – an ein 7-sitziges Leichenauto gemahnende – Auto nur „mittelgroß“ ist. Wir übernachten in Dumfries, weil wir keine Lust auf Leitersuche im Dunklen haben, essen standesgemäß Hühnerfutter von Kentucky Fried Chicken (super Show, zu Fuß durch die Drive-Through-Spur, Restaurants sind ja geschlossen! Amerikaner hätte für die 100 m natürlich die Karre angeworfen…). Wir frühstücken in einem vergleichsweise maskenfreien „Dumfries Café“ (T-Shirtaufschrift: „Always on the left in Dumfries“ – ob da ein Stück Politikprogramm drinsteckt? Eher nicht. Der Diner ist voller star-spangled banners und Veteranensouvenirs – das Etablissement steht lediglich auf der Verkehrsinsel zwischen zwei Einbahnspuren…) . Danach rollern wir durch die mittlerweile schon bekannte Landschaft Virginias und erinnern uns an die Hitze des letzten Jahres – in Gloucester besorgen wir uns kurzerhand eine Fenster-Klimaanlage. Die Virginians sind übrigens ziemlich dispzipliniert im Maskentragen. Bis auf den sehr breitschutlrig auftretenden Herrn bei Home Depot, der es gern mit Tuchfühlung hat. Ich spreche ihn nicht an, sondern weiche zurück. Gut so – beim Rausgehen sehe ich die Rückseite seines TShirts : „You may give peace a chance, but I cover for you if it doesn’t work out“ steht da um ein fettes AK 47 Schnellfeuergewehr herum gepinselt. So sind die USA. Freundliche Leute (in der großen Überzahl), doofe Leute (umso auffälliger).
Abends sitzen wir im Kreise von mehr oder weniger bekannten Yachtcrews (Arcadia, Worlddancer, Tin Lizzie und Obelix, für die Insider), grillen und reden Zeugs. Die kleine deutsche Deltaville-Yachtwelt. AKKA hat uns wieder.
Jetzt ist Schluss! Wir müssen die Klimaanlage montieren! Tadaa! Zurück in den USA!
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* kleine Anleihe beim ZDF aus dem März: Straßeninterview in Kassel. „Ei, hier is nix! In Kassel gibts kein CONORA!“