Beamtenspaß

Karibik-Kitsch. Sandy Island, Carriacou

Sandy Island/Grenada, 31.1.2018

Damit sich die Blogverteilung über den Januar ein bisschen schöner ausmacht, kommt hier eine Monatsabschlussgalerie. Morgen geht es wieder auf einen ganz schweren Schlag nach Norden. Union Island. Ich glaube, das werden 6 harte Meilen… Masten und Häuser sind schon in Sicht!

Dazu haben wir heute ausklariert. Die Bekanntschaft der Frau Zollbeamtin hatte ich gestern schon gemacht, ich bin nämlich jetzt alt genug und brauche auch eine Lebensbescheinigung – damit die demnächstige Rentenzahlung nicht ins Leere läuft. Die Notwendigkeit einer Unterschrift in fernen Regionen „offiziellen Stellen“ zu erklären, ist immer sehr erheiternd. Am besten eigenlich vor diversen Jahren der Polizist auf der Ile des Pins in Neukaledonien – der hat lange erwogen, dem Eigner den Wunsch zu erfüllen und sich, obwohl der Stift in seiner Hand schon zuckte, dann doch dagegen entschieden. Zu viel Verantwortung… In Trinidad verlangte der Zollbeamte neulich nach ebenfalls langem Überlegen einen Handstand zum Nachweis der Lebendigkeit; wenn der Vorgang ins Scherzhafte übergeht, ist die halbe Miete schon eingestrichen. Auch meine Customs Officerin war sich so schlüssig nicht, aber dann ging’s doch. Prima, und so waren wir heute zum Ausklarieren schon alte Bekannte. Die Unterschiede der Klarierungsvorgänge sind wirklich eklatant. Manchmal per Maschine, manchmal persönlich, dafür aber ruck-zuck. In Tonga begibt man sich auf mehrstündige Wanderungen durch den Ort, um die zuständigen Beamten aufzustöbern. In Singapur reicht man die Papiere im Kescher auf’s Behördenboot – hier nun wieder eher langwierig. Karibisch eben. Was nicht schlecht ist, weil man ja auch – sorry an die hinter uns Wartenden – das eine oder andere Schwätzchen abhält. Der Eigner war diese Mal mit – ich bin ja die Sekretärin und gewöhnlich für schnöde Behördengänge zuständig -, und er geniert sich ein bisschen, weil ich zu den Caribe-Rap-Klängen aus dem Zoll-Lautsprecher auf dem Stuhl wackele. Die Immigration Officerin mochte dann ihre ernste Miene nicht lang durchhalten: „It is carnival!“  Karneval?  Nee, Karneval ist doch im August! „You are in Carriacou! Carnival is next week! Grenada Carnival is in August!“  Und grinst sich eins: wir in Carriacou haben eben Karneval and „Spicemas“. Lots of partying…  So rocken wir dann von dannen. Zwischenstation: den Pelikanen und Tölpeln auf Sandy Island einen letzten Besuch abstatten.
Und dann: St. Vincent & The Grenadines. Mal schau’n!

 

 

 

Erinnerungstrunken

St. Georges/Grenada, 21.1.2018

Es regnet Hunde, Katzen, Bindfäden, alles zusammen, und eigentlich wollten wir heute 5 Meilen weiterrücken – aber nix da. Vor die Abfahrt hat das AKKA-Bastelkommitee das Verschrauben der Radarschüssel gesetzt, und das macht bei diesem Wetter keinen wirklichen Spaß. Die Schüssel war offen… naja, Ihr ahnt schon. Der für-uns-neue (das ist eine neue Sitte aus dem Englischsprachigen für Gebrauchtes, dort „new-to-us“) Plotter versieht wunderbar seinen Dienst, aber warum nun das Radargerät plötzlich seinen Dienst einstellt, das weiß der Geier. Der Eigner schiebt ein paar Tage vor sich her, was die Schipperin vorschlägt, nämlich die Verbindung zwischen Geräteanschluss und dem Kabelverteiler im Mast durchzumessen (alles in Butter) und auch in den Besan zu steigen und zu schauen, ob irgendwas zu sehen ist. Natürlich ist die Schipperin nicht schlau genug zu wissen, dass das dort oben alles ziemlich gut verpackt ist (hat ja auch 13 Jahre ohne Mucken funktioniert!), aber vielleicht hängt ja ein Kabel lose… Er lässt sich erweichen. Wir öffnen die Schüssel – stimmt, alles gut verpackt und nix Loses in Sicht. Er kommt runter, er schaltet das Radar ein… und die Antenne fängt an zu drehen. So ist das mit den vibrations der Schipperin. Dann machen wir die Schüssel provisorisch zu. Und das Radar steigt wieder aus. Die Stimmung sinkt. Wir machen einen Ausflug zum örtlichen Raymarinevertreter, der will – frühestens – am Mittwoch kommen, freut sich aber über des Eigners Wochenendlektüre, ein DIN A4-Blatt, dicht beschrieben mit der Abfolge der Fehler. Checking Hardware, antenna not rotating, no data, Antenne dreht aber kein Signal – eine veritable Kurzgeschichte, aufgepeppt mit vergeblichen Versuchen, dem Problem durch Softwareupdates beizukommen. Auf dem Rückweg – die Stimmung steigt wegen einer extrem lustigen Busfahrt wieder auf den Normalpegelstand – entscheiden wir schon, die Verabredung abzusagen. Es geht auch ohne. Nur noch die Schüssel wieder verschrauben, und das machen wir Sonntag, vor der Abfahrt. Und jetzt ist Sonntag! Wir schicken die Katzen, Hunde und Bindfäden rauf in den Besan, sollen die sich kümmern. Ach, Nachsatz: gestern konnte der Eigner es nicht lassen und hat mal das Radar angeschmissen. Läuft.

Während wir also das Wetter misstrauisch beobachten, kommt von einer Freundin über Facebook das Link zu einem Blog, der mir diesen griesen Tag gleich bunter gestaltet: die Unterschiede zwischen den verschiedenen Robbenarten. Nicht, dass es unzählige Robben in der Karibik gäbe, aber ich weiß, dass die Bezeichnung der Seelöwen und Seebären auf unserer Reise – Galapagos/Neuseeland/Südafrika/Argentinien… – nie wie aus der Pistole geschossen kam, und hier gibt es ein paar eingängige Erklärungen. Steffi schrieb dazu: „… schöner Blog!“ und ich sofort zurück: „… ich will keine schönen Blogs mehr!“  Tatsächlich, das ganze social media-Gebell und die vielen mehr oder weniger wertvollen Verlautbarungen gehen mir zunehmend auf die Nerven. Aber weil der verlinkte Artikel so schön ist,  habe ich doch gelinst. Bei vielen Blogs ist sofort klar, dass man mit den Inhalten nichts anfangen kann – meine Schublade dazu heißt: „und dann hat die Oma Apfelkuchen gebacken“-Blog. Was unseren eigenen betrifft, begegnet mir immer wieder, letzte Woche erst „massiv“, dass Leute beteuern, unseren Blog zu kennen und zu schätzen. Dann wird mir immer ganz mulmig, und ich frage mich, wer das alles liest. Meine Antwort dazu später, aber erst zum „Passenger on Earth“: der hat mich gleich gefangen genommen, nicht nur wegen der uns bekannten Robben, sondern auch wegen des Titelbildes von einem der Namibia-Highlights, der Spitskoppe, und vielen anderen „kennen wir doch“. Oodnadatta Track. Patagonien. Galapagos. Schließlich fand ich eine Erklärung zur Intrusion an den Torres del Paine… – o.k., dies ist ein Blog mit Inhalt, den möchte ich öfter mal anschauen; und hier bin ich als Leserin sicher willkommen, denn er wird explizit für die Leser geschrieben.
Und unser Blog? Meiner? Der wird vorrangig für uns geschrieben, und für ein paar Familienmitglieder, ein paar Freunde, alles andere mag ich gar nicht wissen. Weil er für uns geschrieben wird, muss ich ihn natürlich auch lesen, und heute ist die Gelegenheit günstig, mal über die Suchfunktion nach Seelöwen- oder Seebärenfehlern zu suchen! Los geht’s. Und dann passiert, was mir öfter passiert – ich tauche in eine Reiseretrospektive ein, ganz tief. Heute die zwiespältlige Wahrnehmung von Südafrika. Und unsere Bahnreise nach Zim. Und die Victoriafalls. Als unser Zug längst in Dar es Salaam angekommen ist und wir über Zanzibar in der Serengeti gelandet sind, ist es Mittagszeit, und ich muss mich losreißen. Haben wir tolle Sachen erlebt und gesehen? Haben wir. Und doch: mit den Erinnerungen ist das so eine Sache! Als ich neulich ebenfalls über Facebook Kontakt zu einem Segler hatte, der sich gerade anschickte, von Reunion nach Kapstadt zu segeln und sich Sorgen machte, verfiel ich in meine „Geduld-und-Spucke“-Routine. Und dass für uns der Indische Ozean, aber insbesondere die Strecke nach Südafrika nicht besonders aufregend gewesen sei, Betonung auf „besonders“. Ich erinnere mich bis auf die letzte dicke Front mit den langanhaltenden Gewittern tatsächlich nicht an Extremes, aber die Nachfrage ließ mich das alte Logbuch aufschlagen. Neben des Eigners immer schönen Zeichnungen steht da doch: „… A. ist schlechter Laune. Das Salzwasser ist bis in die Pantry geflogen!“  Habe ich tatsächlich vergessen. Verdrängt?! Verdrängt. Also lese ich meinen moderat formulierten Blog und weide mich an den schönen Erlebnissen. Wenn die schlechten erwähnenswert waren, wird es schon da stehen. Warte mal, was steht denn da für den Tag mit der schlechten Laune, südlich von Madagaskar?! Steht da was?  Klar. Klingt munter, es ist ordentlich Wind und Welle, und wir hatten Besuch von den „Madagascar Jumping Dolphins“, die eine gigantische Schau für uns abgezogen haben. Erstens: daran erinnere ich mich sonnenklar, denn nicht nur wir, sondern auch die Damen und Herren von der Delfinshow hatten ein unglaubliches Vergnügen. Zweitens: bis zum Zeitpunkt des Blogschreibens war ich wohl schon wieder trocken. Und drittens: es ist gerade wieder passiert – ich lese meinen Blog und bin erinnerungstrunken.
Schön so. Mögen unsere Erinnerungen uns noch lange erhalten bleiben.

Er ist da!

LIR… und davor ein Kap Hoornier – die Galatea aus Regensburg…

Prickly Bay, 9.1.2018

… er ist da, oder: Die Sache mit der Kiefersperre

Hier, in den südlichen Antillen, gibt es derzeit schicke Sachen zu sehen, und wir haben wieder einmal das alte Problem: Kiefersperre.
Man liegt am Tag nach Neujahr auf der Cockpitbank, schaut vom Buch auf und… hui, hinter uns kommt aber jemand dicht vorbei.  Aufsetzen, gucken… (im AKKA-Jargon heißt das: „… das Erdmännchen machen“). Und siehe da, es kommt niemand wirklich nahe vorbei, sondern die normalen Größenverhältnisse sind ein bisschen verschoben. Vorbei geschlichen kommt: LIR, genauer gesagt: „Child of Lir„. Eindeutig Nautor’s Swan, silbergrau, sehr elegant. Kinder hüpfen auf dem Vorschiff, dazu gibt es ausreichend Platz. Ein Männlein steht neben dem Ankerkasten. Kasten?  Ich glaube, der Ankerkastendeckel ist fast mannshoch. LIR dreht einen komischen Kreis durch unsere beengtes Ankerfeld – die wollen doch wohl nicht hier mittendrin…?! Nein, wollen sie nicht, oder sie wollen nicht mehr. Irgendwie ist Größe doch manchmal etwas unhandlich. In der Vorbeifahrt winkt ein einsamer, weiblicher Gast – oder die Eignerin? – freundlich aus dem Cockpit. Was man als Fahrtensegler immer für Vorurteile hat: natürlich winkt sie freundlich, denn wahrscheinlich sind das ganz normale Leute, nur mit einem geringfügig größeren Boot… Ich hatte mich auch nicht entblöden können, „woo-hooot!“ zu rufen, da muss man ja zurückwinken. Ich gebe zu, ich bin / wir sind beeindruckt. Wir googeln natürlich sofort – Google schweigt sich zwar meistens über die persönlichen Details der Eigner großer Yachten aus, aber wir stellen fest, dass die schicke LIR nicht mal ins Googleverzeichnis der größten Superyachten passt. Geht erst bei 112 Fuß los, mickrige 104 Fuß sind da nicht erwähnenswert.
Das bringt unsere Erinnerungen in Fahrt, insbesondere an unsere erste größere Kieferklemme: 1988 in Puerto de Mogan, als wir „Blue Fascination“ sahen. Schon in meilenweiter Entfernung – ich glaube, wir kamen aus Teneriffa –  staunen wir: „… was ist das denn für ein Spargel?!“. Der Mastenwald der Marina ein Wald von Streichhölzchen und dazu ein einzelner Spargel. Wir erinnern uns gern, Google leitet uns auf You Tube, das uns einen netten Abend bereitet. Wer ein bisschen Zeit hat, kann die frechen Beiträge über die Weltumsegelung der „Blue Fascination“ über You Tube anschauen. Wir finden den 3. Teil namens „Das ist Segeln – wie bitte, das nennt Ihr Segeln?“  besonders nett… Wir hatten damals so lange in Puerto de Mogan an der Yacht herumgelungert, bis man uns an Bord gebeten hat. Auslöser war, glaube ich, dass ich – laut genug – bemerkt hatte. “ … Isernhagener. Da hängt ein FFN-Ballonseidenanzug!“ (sie kann so peinlich sein, die Schipperin!). Zwar war die Familie aus Kirchrode, aber hannöversch ist hannöversch, und das tut einer Kieferklemme keinen Abbruch. ich hatte sie wegen des Kühlraums, wegen des echten Warhol (statt Marilyn die Eignerin!) und wegen des Feinporzellans, der AKKA-Eigner, damals noch schnöder Chartergast auf einer – immerhin – Swan mit Melamingeschirr, war ganz allgemein platt.
Das wirkt nach. Dabei waren weder die Blue Fascination  noch die LIR die größten Schiffe, mit denen wir jemals das Badewasser geteilt haben: das größte war die Twizzle2, an der àŽle des Pins in Neukaledonien, die wir allerdings mit 188 Fuß für unseren Bedarf etwas überdimensioniert finden (aber eine Kieferklemme wert).
Irgendwann ist die LIR weg vom Ankerplatz, schon kommt eine neue Silhouette am Horizont auf: „MARIE“. Die rangiert größenmäßig dicht hinter der hypermodernen Twizzle , aber die neue Mode ist – wie wir schon letztes Jahr in Uruguay bei der „Dona Francesca“ gesehen haben – Schiffsneubauten auf alt zu trimmen. MARIE ist so eine. Nach MARIE kommt TALIMA, und wir gewöhnen uns an die klemmenden Kiefer. Lediglich die großen Motoryachten aus St. Georges mögen nicht mit AKKA kuscheln kommen, aber die großen Segler haben eben Geschmack. Mittlerweile versiegt der Strom der Luxusyachten, deren Eigner sich nach den Weihnachtsferien wieder auf die Golfpätze verziehen (hatte ich oben was zu Vorurteilen gesagt? Nee…). Und die Skipper haben ihre Ruhe und segeln gemütlich ans nächste exotische Ziel.

Und was soll der Titel dieses Blogeintrags?!
Ja, er ist da! Wir haben unser Elektronikproblem gelöst, die Risikotaste gewählt und aller Wahrscheinlichkeit nach gewonnen: nach einigem Überlegen haben wir nochmals eBay bemüht, einen zuverlässig erscheinenden Anbieter ausgesucht und einen Ersatzplotter des alten Typs in den USA bestellt. Ein funktionierender, alter Raymarine C80, unser altes Radar, das alte AIS – alles spielt miteinander. Ist doch gut, wenn reiche Eigner (siehe oben?!) gern mal ihr Elektronikequipment wechseln und die gar nicht so betagte Ausrüstung als Brosamen für AKKAnauten und Co. abfällt. Gestern konnten wir unser Päckchen bei eZone abholen. Die Lieferprozedur hatten einen lustigen Moment, denn ich dachte, man könne im bestehenden eZone-Konto aus Trinidad einfach die Anschrift ändern. Man kann, doch das heißt mitnichten, das an diese Adresse geliefert wird! Glücklicherweise war ich gerade online, als die Nachricht kam, dass das Paket innerhalb zwei Tagen in Trinidad landen soll…  Stooop! Wir sind in Grenada! Ich hätte ein eZone-Grenada-Konto eröffnen müssen; aber es ging dennoch alles glatt, dank wirklich netter Mitarbeiter in Trinidad und Grenada. Guter Service.

Und jetzt? Noch einmal Wäschewaschen, noch einmal Zoll wegen eines kleinen Absperrhahns für unseren Wassermacher (und eine ungleich teurere Abwicklung mit Fedex) und dann auf nach… Carriacou. Immer noch Grenada. Mal andere Buchten sehen.