Noch ein Hui und ein bisschen grrrr…

O’ua, 9.9.2011

...gleich geht die Kammuschel in den Mund! Haa'pai-Snack...
O’ua  …gleich geht die Kammuschel in den Mund! Haa’pai-Snack…

Da waren wir aber vorhin schnell aus den Federn: es war schon kurz vor 9, wir plaudern gerade über den immer noch anhaltenden Ost, der doch eigentlich längst über Nord auf Nordwest gedreht haben sollte, als es „rrrrrrr – bobb“ macht. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie schnell man an Deck sein kann und schon unterwegs die Möglichkeiten für ein solches Geräusch bewertet: Anker?! Nein, zu weit hinten. Ruder?! Eher nicht, ich hatte im Aufstehen schnell an die Ruderachse gefasst. Rigg? Was sollte das sein?? Windsteueranlage? Komisch… aber jetzt sind wir im Besitz einer feinen, aber unverständlichen, weil tonganischen Naturschutzbroschüre und wissen, dass Lumo die Seegurke ist, denn „rrrr“ war ein Schraubengeräusch und das „bobb“ muss der kurze Kontakt zwischen dem anliefernden Fischerbötchen und der AKKA gewesen sein. Guten Morgen! Dass wir so sensibilisiert waren, lag am Wind. Um 12 waren wir gestern aus Ha’afeva hier eingelaufen und hatten Ha’ukas Familie ein bisschen traurig und vorzeitig zurückgelassen, aber wir wollten vor dem drohenden Nord- und Westwind gern in der ringsum von Korallenriffen geschützten Lagune von O’ua sein – man fährt in der Tat im Zick-Zack hier herein. 10 m Tiefe, Sand, viel Platz, da einziges Schiff – was wollen wir mehr. Nach 3 Stunden, als der Regen hefitger und die Bewölkung ziemlich finster wird, ziehen wir den Stift, der die Kettenreserve zurückhält. 60 m Kette, 6-fache Wassertiefe, das muss reichen. Schuhuu, es bläst mit stetigen 30 Knoten und mehr aus Ost. Und dann blies, und blies und blies es. Dank der Korallenriffe hielt sich das Gewackel in Grenzen, und ich konnte die „Ernte“ aus Ha’afeva in ein Abendessen verwandeln: Ha’uka hatte uns nämlich im Ausstausch gegen eine Tüte Geschenke (Süßigkeiten und Filme, Batterien, Honig etc.) zum Abschied einen „lobster“ in die Hand gedrückt… Hätte die Languste noch gelebt, wäre sie vielleicht über Bord gegangen und hätte sich noch einiger Jahre am Riff erfreuen können (es sei denn, es handelte sich um einen doofen Lobster, der jedem Fangversuch anheim fällt…), wir sind ja doch recht tierfreundlich. So aber gab es Rösti und Langustenklötzchen mit Zwiebel-Spargel-Gemüse, in Knoblauch-Sahne. Ein Grund, vielleicht doch den nächsten Lobster in den Topf statt ins Meer zurückzuwerfen. Und der Wind sorgte für die Dinner-Musik. Hui! Ha’uka war natürlich stolz gewesen, uns dieses Geschenk machen zu können – und wir haben bei Abreise verabredet, dass wir auf der Rückfahrt möglichst noch einmal Station in Ha’afeva machen, vielleicht nochmals zu einem „lunch“, dann mit Schwein. Der Lunchtermin war nicht ganz so gewesen wie erwartet, denn wir aßen nicht mit, sondern mehr für die Familie: die AKKAnauten und die EXPEDITeure an einem Tisch, links stand Moeka mit 3 Kindern, vor Kopf steht Ha’uka und wirbelt mit einem Handtuch nicht vorhandene Fliegen davon (alternierend das Transistorradio am Ohr, denn die Rugbyweltmeisterschaft geht los!), hinter ihm Linda mit dem einen oder anderen Kleinkind auf dem Arm und zur Tür ein Meer an staunenden Schulkindern… Wir lachen viel, lassen uns vom Leben auf Ha’afeva erzählen, schlürfen Kokoswasser aus den Trinknüssen und schmausen: Kleine Riff-Fischfilets in Teig gebacken sowie das, was der Umu hergibt: Brotfrucht, Yamsscheiben und köstliche Taro-Päckchen, die Moeka mit Fleisch gefüllt hat; zur Feier des Tages musste eine Dose Corned Beef dran glauben – Letzteres war so lecker, dass wir das bald mal kopieren werden. Taro kennen wir mehr als Suppe, zum Beispiel in Callaloo, oder allgemein als Spinatersatz, aber dies hier war wirklich gut. Die Blätter werden gehackt, mit dem Fleisch gemischt und gewürzt, dann in ganze Taroblätter eingewickelt und ab in den Erdofen. Wir wissen nur noch nicht, wo wir einen Umu auf AKKA platzieren sollen…

Die Kinderflut auf der Türschwelle läuft auf und ebbt wieder ab, aber ein Mädchen fällt uns besonders auf – hat sie Geburtstag oder sind wir der Grund zum Feiern? Dieses Kleid ist mit Abstand das feinste, das wir ausmachen können – über einem schwarzen T-Sirt ein Trägerkleidchen in Pink und Weiß mit einer riesigen, seidigen rosa Schleife. Extrem hübsch. Aber dann müssen wir feststellen, dass dies das Ausgehkleid für den Doktor ist: „… kannst Du mal die Beine anschauen?!“

Das Mädchen und der ... Pilz?!
Das Mädchen und der … Pilz?!

Ach je, man hätte vielleicht doch Medizin studieren müssen für diese Regionen. Wir stehen ratlos vor einem großen, trockenen Ekzem, sehen abgeheilte ähnliche Flecken auf den Ärmchen.

... und so wieht das von Nahem aus
… und so wieht das von Nahem aus

Ja, es juckt. Nein, nicht neu, seit 3 Jahren hat sie das. Ja, die Dorfschwester hat schon einiges probiert – Allergie?! Pilzinfektion?! Wir machen Bilder, die wir demnächst mal rumschicken werden, vielleicht fällt ja jemandem etwas Gutes dazu ein, aber akut machen können wir nichts. Traurig. Der nächste Fall ist einfacher: ein quiekender Einjähriger auf dem Arm der Mutter – die Kniekehle sieht ganz nach Flohbissen aus. Ich glaube, es gäbe noch einiges mehr zu behandeln an diesem Ort, glücklicherweise wurden uns lebensbedrohliche Zustände nicht vorgeführt… Und Ha’ukas Mutter, die die ganze Zeit hinter einem wehenden Vorhang gesessen hatte, kriegt von uns einen Topf Honig – die macht sich ihre Medizin nämlich selbst. Wogegen, das werden wir beim nächsten Besuch erfragen. Ende der Sprechstunde. Auf dem Heimweg sprechen wir mit Gay und Mike über die ärztliche Versorgung auf den Inseln. Vor ein paar Jahren war ein Hamburger Arzt mit dem Boot unterwegs, die Pfeiffers – und die gondelten von Insel zu Insel und hielten Sprechstunde, wo es ging. Ob hier überhaupt mal ein Arzt nach dem Rechten schaut?! Aus der Ferne sehen wir zwei Gestalten entgegenkommen, weißes Hemd, Ta’ovala mit rotem Gurt. „… ich wette, das sind Mormonen-Missionare!“ Es sind welche, „Elder Peter“ und ein tonganischer Adlatus (ohne Namen, ich glaube, Polynesier gehören eigentlich zur falschen Rasse; mir kommt beim Schreiben die Galle hoch…). Können die nicht vielleicht mal einen ARZT entsenden?! Aber nein, es wird eine pfuschneue Kirche und ein adretter Priesterbau in dieses Dorf gesetzt. Hatten wir ja schon im letzten Jahr: Seelenheil vor Heilkunst. Grrr.

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