Lummerland

Typisch für diese Gegend: HiTech und die Locals

Typisch für diese Gegend: HiTech und die Locals

Auf dem Weg in den Kumai River/Borneo, 11.10.2014

Wir sind fast schon da, noch 30 Meilen den Fluss hinauf, und dann stehen die Orangs* Spalier. Hoffen wir. Bislang sind es allerding eher die Schuten, die Orang-Utanhausen in Form von Baumstämmen nach Java schleppen und an unserer Kurslinie „Spalier fahren“. Bedauerlich.

Wir hatten eine ruhige Fahrt, über 1 Drittel konnten wir segeln, 1 Drittel motorsegeln – zur Zeit motorsegeln wir unter Vollzeug den Fluss hinauf – und sonst musste der Volvo alleine rappeln. Ist halt hier so – je näher am Äquator umso unbeständiger der Wind, oder nicht existent. Gerade segeln wir eher ungünstig, gegen die Tide, aber bislang geht’s noch ganz gut, trotz Vollmond und Springzeit. Wenn es nachher nicht mehr geht: hier ist es so flach, dass man sich neben die Schifffahrtsstraße verpieselt und den Anker wirft, bis die Tide wieder besser läuft.

Es fing erst ein bisschen wubbelig an, zwischen Lombok und Bali steht ein ordentlicher Jet, aber zum ersten Abend hatte sich alles wieder beruhigt. Vollmondnacht. Ich hatte mich nach dem Funken gerade hingelegt, als der Eigner herunterkommt: „…sag‘ mal, haben wir Mondfinsternis? Das sieht so merkwürdig aus?!“ Ja, doch, Bob McDavitt hatte von einer Eclipse geschrieben, kann schon sein, aber ich dachte das war am Vortag und am Abend des ersten Segeltages steht mir der Sinn mehr nach Pennen. Meine Erklärung: wir fahren Richtung Borneo, berüchtigt für viel Feuchtigkeit in der Luft, viel Smog von Bränden, da schaut der Mond schon mal merkwürdig aus. Schnarchnase. Wäre ich mal aufgestanden – wir hatten wohl eine sich über Stunden auflösende volle Mondfinsternis, der Eigner war beim Wachwechsel noch immer des Staunens voll über diese fast lichtlose Scheibe, an deren Rand sich erst ganz langsam eine silberne Sichel entwickelte, und sich vergrößerte bis der dicke Mond dann endgültig aus dem Erdschatten herausgetreten war. Gut geschlafen habe ich allerdings in jedem Fall.
Womit wir zu Lummerland kommen. Lummerland – Ihr wisst: „… eine Insel mit zwei Bergen und ein tiefes, tiefes Tal…“ Das war dann mein Wunder zur Morgenstunde. Die Verkehrsverhältnisse hier im Chinesischen Meer (genauer gesagt, der Java-See) sind schon ein bisschen anders als in den leeren Weiten des Pazifik, daran muss man sich erst einmal wieder gewöhnen. Nachtwache heißt hier: gucken, mit schöner Regelmäßigkeit, Rundumblick (Lichter?), Radarkontrolle (unbeleuchtete Fischer?), und dann AIS-Signale der Berufsschiffahrt, die ist hier in alle Richtungen unterwegs, Singapur-Australien, Jakarta-Philippinen… Anstrengend! Da ist frau dann froh, wenn der Morgen graut. Ich hatte ein ständiges Radarecho ziemlich voraus, Andreas hatte es schon vor dem Wachwechsel entdeckt und markiert. Bewegt sich das?! Bewegt sich, aber das war nicht mein einziger Problemfall, diverse Fischer wollten noch im Auge behalten werden. Am Horizont achteraus wird es langsam rosig, die wesentlichen Lichter sind umschifft, und dann sehe ich auch das Radarecho mit dem Glas. Ein kleineres Schiff, sogar mit schwacher Beleuchtung. Gut. Allerdings gar nicht gut ist, was ich leicht steuerbord von diesem Schiff sehe. Ein großer Felsklotz steht im Wasser, eine veritable kleine Insel, in der Dämmerung kann ich sogar so etwas wie ein Leuchtfeuer ausmachen, nur halt ohne „Feuer“. Wie geht das denn? Hier ist nichts! Navionics zeigt null Land in der Nähe. Nochmal geguckt: ein Fels, unregelmäßig geformt mit diesem Leuchtgestell oben drauf. Sind noch Boote in der Nähe?! Nöö. Runter, den Rechner anschmeißen, vielleicht hat OpenCPN den Felsen eingezeichnet? Nichts – so ganz leise fängt es bei mir an zu rattern, wie das ist, wenn wir keine Vollmondnächte haben und durch Gewässer ziehen, wo die Seekarten nicht stimmen… Nicht schön! Ich wecke den Eigner – „Du musst mal gucken, ich werd‘ verrückt, hier ist eine unkartierte Insel!“ Ich habe Lummerland entdeckt. Andreas: „Stimmt… da ist sogar ein Gestell drauf für ein Leuchtfeuer! Das kann nicht sein…“

Lummerland bei Lichte betrachtet...

Lummerland bei Lichte betrachtet…

Pause. Längere Pause, und dann: „… das ist ein Kran! Guck‘ mal, das ist eine Barge mit Holz! Das Schiff davor ist der Schlepper!“ Wenn sich der Cockpitboden jetzt aufgetan hätte, wäre ich leider nicht weit mit dem Versinken gekommen, da ist bei uns der Motor drunter. Kann man so doof sein? Nein, ganz normal. Bisschen müde, bisschen unsichtig, schon entdeckt frau Lummerland. Das war aber auch ein unordentliches Holzpaket…

Jedenfalls habe ich mein Fett weg für die nächsten Tage und Wochen. Lummerland wird mich noch eine Weile verfolgen.

... und noch einmal von Nahem!

… und noch einmal von Nahem!

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* „orang“ steht im Indonesischen für „Mensch“, ist aber auch ein unbestimmtes Zahlwort, wenn es um Personen geht, „einer“ oder „man“…

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