Yogyakarta

Eine Rikscha von vielen

Eine Rikscha von vielen

Medana Bay, 7.10.2014

Wir machen uns auf die Socken – langsam drängt die Zeit, die Orang Utans haben schon Kuchen gebacken für unseren Besuch auf Borneo, darum schnell zurück zu unserem Trip nach Jogja.

Der Garten des Puri Artha

Der Garten des Puri Artha

Erster Tag. Frühes Aufwachen im Hotel Puri Artha, Frühstück am Rande des herrlichen, kleinen Gartens, lediglich der Gamelanspieler und sein singender (!?) Kollege, die neben der „egg corner“ sitzen, wirken ein bisschen (ver)störend.  Aber, ha! Für mich  gibt es Früchte bis zum Abwinken und Indonesisches wie Cap Cay mit Tofu. Natürlich auch Labbertoast und süßes Gebäck.  Antonius, der Küchenchef, setzt sich zu uns und erzählt vom Hotel, von seinem Leben in den Küchen der Welt, von Jogja und bringt mir schnell mal einen der javanischen Tür- und Mienenöffner bei, madur nuwun, was nichts anders heißt als „danke“, aber gern gesehen ist bei den Javanern. Üben und merken.

Gamelan - kunstvoll, aber schwierige Musik!

Gamelan – kunstvoll, aber schwierige Musik!

Wir entschließen uns zu einer Portion Großstadt, indem wir uns zu Fuß in Richtung Sultanspalast aufmachen, durch’s ganz normale Leben halt. Mit Shopping Mall (leer), Jackfruit probieren (lecker und klebrig), Holland-Häuser gucken (Reste des colonial bastard style). Als wir auf der Haupt-Shoppingmeile der Stadt ankommen, empfängt uns der Batikwahnsinn, ein Laden am anderen, über Hunderte von Metern. Jogja hat vor einiger Zeit

Gamelan-Partitur

Gamelan-Partitur

den Balinesen das ganz große Batikgeschäft abgenommen, heißt es. Will sagen: es gibt hier mehr Arbeitskräfte, die das für einen Magerlohn machen.  Man wird häufig in Batikproduktionsstätten gebeten, nein: gelockt, mit dem Hinweis auf „Government factory“, nur dass es gar keine von der Regierung geförderten Batikproduktionen gibt. Natürlich soll dort dann eine ordentlich Packung Batik an den Touristen gebracht werden. Wir waren auf

Batikmalerin

Batikmalerin

der Hut. Dennoch war ja Stoffgucken eines meiner Ziele, und ich probiere zwei Läden, gleich am Anfang – einer mittel, einer „ganz gut“. Interessant. Es gibt ein paar fertige Blusen oder Hemden, die ganz reizvoll aussehen, aber ich würde das nachnähen müssen, aus gutem Grund – die Indonesierin an sich ist irgendwie anders gebaut…  Leider sind die entsprechenden Stoff nicht erhältlich.  Abgesehen davon ich bin auch schon wieder

Batik im Detail

Batik im Detail

„voll“, das ist mir zu viel, zu eng. Pause. „Batikshop! Batik factory!“ ist wie zu erwarten Dauerprogramm, aber gegen Ende der Malioboro-Straße kommen uns die ersten Taxi- und Rikshafahrer entgegen, die uns vom Gang zum Sultanspalast abhalten wollen; „… closed for 5 days!“  Wirklich?  Wir laufen weiter, kommen auf einen riesigen Platz der ehemals dem Exerzieren der Sultanstruppen diente.  Stimmt. Palast geschlossen, aber

Einfach nur... schön

Einfach nur… schön

zumindest bis zum Eingangsbereich dringen wir vor, einem großen offenen Pavillon und hier finde ich mein Tagesziel.  Klasse!  So fühlt sich das also an, wenn ich in einem Baumarkt abhänge und der Eigner sich voller Enthusiasmus durch Niro-Schrauben und Pumpenteile wühlt.  Der arme Kerl sitzt am Rande einer … Batikausstellung. Ich schwebe von Stand zu Stand, rieche heißes Wachs, verbeuge mich innerlich vor den Frauen, die da mit sicherer und vor allem freier Hand Muster auf Stoffe malen, gackere mit den Schöpferinnen, lasse mir verschiedene Pflanzenfärbungen erklären und bewundere natürlich die Stoffe.  Schöne Sachen, wie ein warmer Regen. Ich kann mich kaum lösen und fasse auch schon mögliche Objekte für den Kauf ins Auge – zwischen 200.000 und 500.000 Rupien werden für die Stoffe verlangt, die meisten um die 2 m lang und 1 m breit, aber eigentlich ist dies keine Verkaufsausstellung, sondern eine Show anlässlich des Geburtstages der jüngsten Sultanstochter. Hier muss ich nochmal hin, das ist klar. Rückfahrt zum Hotel (ab Bahnhof gefordert 40.000 Rp., aber nach Taxameter waren es dann knapp 25.000. Schlehmil).  Kaffee, Abendessen im Garten, fertig.

Rikscha, Rikscha, Batikläden

Rikscha, Rikscha, Batikläden

Wieder ein Frühstück mit Antonius-Begleitung, sehr nett, zumal er uns auch verspricht, am Donnerstag ein indonesisches Frühstück für uns zu bereiten, „nur mit der rechten Hand zu essen!“.  Wir nehmen die Taxe durch die Stadt, unseren Gewaltmarsch muss man nicht unbedingt täglich wiederholen, und lassen uns am Palast abwerfen, der wie zu erwarten nicht geschlossen ist – am Vortag waren wir einfach zu spät. Wir werden von einer

Am Haremsbade...

Am Haremsbade…

freundlichen Dame durch die offenen Teile des Palastes geführt und bekommen einiges zur Geschichte, vor allem des 9. Sultans – wir sind jetzt bei Nummer 10 – zu hören, der aktiv in den Unabhängigkeitskampf eingegriffen hat. Interessante Genealogiebäume waren zu sehen: Blätter die Mädchen, Früchte die männlichen Nachkommen, und so mancher Baum bis zum 7. Sultan hing ganz schön voll: 70 oder 80 Kinder

"Karneval" zu Ehren von Sultans Töchterlein

„Karneval“ zu Ehren von Sultans Töchterlein

keine Seltenheit. Wir sehen allerlei Geschenke aus aller Welt – augenscheinlich musste man sich im Rahmen des Gewürzhandels die Sultane recht gewogen halten – und prächtige Repräsentationsräume für diverse Rituale. An einer Stelle überrascht mich die Führerin mit der Nebenbemerkung, dass hier „eigentlich nur noch die Beschneidung der Jungen und Mädchen“ durchgeführt wird. Mädchen?  Ich habe nachgelesen: es stimmt, es ist sehr üblich, und leider hat die Medikalisierung des Rituals die Nebenwirkung, dass der kühne Mediziner sehr viel weiter beschneidet als es früher üblich war… Hmm.
Um gleich beim Thema Frauen zu bleiben, nach dem Palast ist vor dem Palast, und zwar war auch das „Wasserschloss“ zu besichtigen – eine Anlage, die für den Harem vorgesehen war und im Innenhof drei große Wasserbecken enthielt. Dort konnten die Frauen sich vergnügen, überragt von einem Aussichtsturm für den Sultan, der sich so die Favoritin des Tages aussuchen konnte. Schick…

Vom Wasserturm zum Vogelmarkt, irgendwie muss man ja doch zu seinem Gewaltmarsch kommen. Es zog sich, und der Markt war… interessant. Die meisten Vögel taten uns Leid in ihren Käfigen, gaanze schwärme von kleinen Finkenvögeln, Täubchen etc. zusammengepfercht. Große und kleine Hühnervögel, teils mit groteskem Gefieder Am nettesten fand ich den Beo, der, wenn ihm danach war, wie ein Hahn krähte, aber so richtig lustig war der Besuch nicht, auch wenn die Anlage wie ein schattiger Garten angelegt ist und damit eine kleine Oase darstellt im Getümmel. Wir laufen ein Stück staubige Straße zurück, haben aber keine Lust auf Plattfüße, und so passiert’s: wir landen in einer Rikscha, der peinlichste Moment der ganzen Reise. Als mittlerweile „routinierte Indonesienfahrer“ liefern wir auch noch ein ziemlich niedriges Feilschergebnis ab. Ich nehme Platz, Andreas zweifelt, ob er sich überhaupt noch dazu quetschen kann (er konnte!) und dann geht es los. Den Großteil der Strecke habe ich gehofft, dass mit niemand sieht oder gar erkennt, denn der arme Fahrer musste mehrfach vom Sattel absteigen, um die Fuhre Europäer von der Stelle zu kriegen. Jedes Schlagloch ein Tort für die geschundenen Oberschenkel, jede Kreuzung ein Anfahr-Drama.  Natürlich kriegte der Fahrer, als wir wieder vor’m Sultanspalast ankkommen, den ursprünglich geforderten Preis.  Rikscha? Nie wieder, jedenfalls nicht zu zweit.

Ramayana Ballet mit den Tempeln von Prambanan

Ramayana Ballet mit den Tempeln von Prambanan

Am Abend gab es dann Kultur – beim ersten Stadtgang hatten wir das städtische Ramayama-Theater gesehen und uns gefragt ob das wohl eine Touristenfalle sein könne, und Antonius hatte uns stattdessen die Fahrt zu den Hindutempeln von Prambanan empfohlen. Gesagt, gebucht. Während in der Stadt der Strom ausfiel, ließen wir uns 10 Kilometer hinaus kutschieren zum Ramayana-Ballett. Schwierige Sache das, wenn man a. die

Rama und Lakshmani

Rama und Lakshmani

Geschichte kaum kennt und b. mit der Kultur nicht vertraut ist. Die Musik ist, denke ich, ein bisschen an globalen Geschmack angepasst, will sagen; das Gamelanorchester wirkt manchmal geradezu schwungvoll und auch die Gesänge sind anhörbar – das war im Sultanspalast, wo es klassisch zugeht, schon ein bisschen anders!. Um das Ballett und seine Handlung wirklich zu verstehen müsste man  sich wahrscheinlich Jahre damit beschäftigen – zumal die Handlung auf 2 1/2 Stunden komprimiert ist. Es gibt Ramayana-Vorstellungen mit der ganzen Geschichte, die eigentlich aus 7 Büchern besteht, die jeweils über viele Stunden an mehreren Tagen laufen (dazu sagt ein Reiseführer: „… Kissen nicht vergessen!“).  Wir sahen Folgendes: Prinz Rama (eine Reinkarnation des Gottes Vishnu) gewinnt den Kampf, der um die Hand von Prinzessin Sita austgetragen wird, man heiratet. Rama wird, obwohl Thronfolger, für 14 Jahre in die Verbannung geschickt, in Begleitung von Bruder Lakshmani und Sita. Der Dämonengott Ravana hat ein Auge auf Sita geworfen  und lockt Rama mit einem Trick fort und später auch Lakshmani, der Sita beschützen soll, so dass er Sita entführen kann. Ein Vogel überbringt die Kunde den beiden Männern, die versuchen Sita zurückzuholen. Rama gewinnt einen weiteren Verbündeten, Sugriva. Hanuman, der Affengott, schaltet sich ein. Nach einigen Kämpfen besiegt Rama schließlich Ravana und Sita ist frei. Und dann der abgeschmackte Schluss: Rama hat Zweifel an Sitas Reinheit und schickt sie in eine Feuerprobe, was sie natürlich besteht (Rama, Du Knallkopp!). Ein sehr künstliches Konzentrat, aber beeindruckend, die Tänzer zu beobachten.
Eigentlich müsste man das Ramayana mal in Gänze lesen, denn im gesamten hinduistisch-buddhistischen Bereich findet Teile der Geschichte.

Borobudur am Morgen

Borobudur am Morgen

So geschehen am Mittwoch, der uns frühmorgens zur größten buddhistischen Tempelanlage Indonesiens in Borobudur führte, und dann noch einmal zur Besichtigung der Tempel von Prambanan, die wir im Abend hinter der Bühne hatten aufragen sehen. Ein (autodidaktisch) deutschsprachiger Führer, Samir, diente sich uns an und erklärte einiges rund um die hinduistischen Gottheiten, die unglaublich reichhaltige Symbolik, die Bedeutung der Reittiere in den Skulpturen. Und die vielen, vielen sexuellen Bezüge, auf die Samir ganz besonderen Wert legte. Immerhin konnte man in den Fresekn rund um den Krishnatempel die Ramayanageschichte noch einmal in einer anderen Konzentration sehen. Leider fehlte dort meine Lieblingsballettfigur, Hanuman.

EIn paar Stupen in Borobudur

Ein paar Stupen in Borobudur

... und das ist drin in der Stupa!

… und das ist drin in der Stupa!

Das Indonesische Frühstück. Nur mit rechts zu essen!

Das Indonesische Frühstück. Nur mit rechts zu essen!

Kam der Donnerstag und Abreisetag. Zunächst das indonesische Frühstück, Antonius freute sich wie ein Schneekönig, dass es uns schmeckte und wir Spaß hatten. Dass ich das Bananengetränk dann doch löffelte statt es zu schlürfen, darüber lacht er wohl heute noch.  Vielen Dank für das schöne Erlebnis, Antonius!

Vor der Vredeburg. Der Mann ist einfach eine Sensation!

Vor der Vredeburg. Der Mann ist einfach eine Sensation!

Wir gaben uns zum Abschluss noch eine Dosis modernerer Geschichte, denn in der alten niederländischen Festungsanlage, der Vredeburg (!) , befindet sich eine Ausstellung aus vier Dioramen zum indonesischen Unabhängigkeitskampf. Schnell skizziert: 1942 hatten die Japaner „Niederländisch Ostindien“ besetzt, und als sie nach Ende des zweiten Weltkrieges, abzogen, erklärte sich die ehemalige holländische Kolonie schnell für unabhängig, hatte aber die Rechnung ohne den alten Wirt

Indonesien im Selfiewahn!

Das geht aber auch, egal wo… Indonesien im Selfiewahn!

gemacht, die Holländer kamen zurück. Und hier kommt Yokyakarta ins Spiel – in dem sich entwickelnden, hüben wie drüben ziemlich brutalen Guerillakrieg  wurde der Regierungssitz zwischen 1945 und 1949 bis zur endgültigen Unabhängigkeit Indonesiens nach Yogyakarta verlegt.  Ein sehr interssante Ausstellung, auch bezüglich der unterschiedlichen Interessengruppen innerhalb Indonesiens, die sich peu à  peu in Sachen Unabhängigkeit zusammenschlossen.

Und dann war es nicht mehr lang bis zur Rückreise. Der CO2-Hammer – unser Direktflug von Jogja nach Lombok kostete genau so viel wie das Schnellboot von Lombok nach Bali. Nur dass man mit dem Aluvogel statt 18 Stunden Reisezeit nur 1,5 benötigt.  Wer kann dem widerstehen?  Wir nur halb.

Auf geht’s nach Borneo!  Wir werden 4 Tage brauchen. Der Orang-Utan-Kuchen muss wohl noch einmal neu gebacken werden…

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