Südafrikanische Ansichten

Strauß müsste man sein. Man könnte den Kopf in den Sand stecken

Strauß müsste man sein. Man könnte den Kopf in den Sand stecken

Beit Bridge Border Post, 28.2.20160, 4:00 h morgens.

Wir stehen in einer endlosen Schlange von Bussen, die nach Zimbabwe wollen. Immigration ist erledigt, aber so wie es aussieht, will der zimbabwesche Zoll alle Gepäckanhänger auspacken. Uns soll’s egal sein, wir haben Südafrika termingerecht vor Ablauf der Visa verlassen. Warten wir’s ab.

Solange der Akku reicht, noch einmal kurz zurück zu unserer Kurzreise entlang der Garden Route.

A1 Yotclub mit regionstypischem Frühstücksei

A1 Yotclub mit regionstypischem Frühstücksei

Oudtshoorn war ganz lustig. Wir sind eben doch recht wählerisch geworden, und so überraschten wir unsere Gastgeber im hübschen A1 Yotclub zunächst mit der Ankündigung, gern einen Tag anhängen zu wollen, den wir aber dann mit einer ausgedehnten Frühstückssitzung im Garten verbrachten, um am Nachmittag noch schnell das Oudtshoorn-Pflichtprogramm abzuhaken: Straußenfarm. War interessant, aber oh und ah kamen uns nicht über die Lippen. Saumäßig verwöhnt eben.

Blue Train für Arme. Hostel in Mossel Bay

Blue Train für Arme. Hostel in Mossel Bay

Unsere Garden Route… Wir haben einfach schon zu viele wunderbare Sachen gesehen, um in stete Begeisterungsstürme auszubrechen. Am Start, noch am Kap, die Pinguine am Boulder Beach, toll. Der „Blue Train“ am Strand, in dem wir unterkamen. Die Fahrt durch den Urwald zwischen Knysna und Uniondale wäre erwähnenswert. Das Durchqueren von weißem Kernland. Ein kleines, feucht-kühles Bergdorf namens Greyton, voll im Griff der Wochenend-

Pinguin am Boulder Beach, SImons Town

Pinguin am Boulder Beach, SImons Town

Mountainbiker. Die verrückten Motorradfahrer auf den Pässen Richtung Kapstadt. Franschhoek – ganz Schickimicki-Cape Town ist am Sonntag im SUV angerollt und sitzt beim Wein im sonnenbeschienenen, aufgeputzten Hugenotten-Städtchen. Eher nervig. Dafür war der Besuch des Franschhoek Motor

Bugatti gefällig?

Bugatti gefällig?

Museums eine Überraschung, aber passt zum Thema „reiche Weiße“: ein südafrikanischer Luxusartikel-Tycoon stellt im alten Weingut seine bescheidene Sammlung aus. Wir halten die Nasen in veritablen Öl- und Gummidunst und suchen uns einen der Ferraris aus den 50ern als Ruhestandsfahrzeug aus. Oder wahlweise doch einen Tret-Maserati, vielleicht ist das unserem Budget eher angemessen. In jedem Fall nicht nervig, dieser Abstecher.

Zum Abschluss unserer kleinen Südküstenreise sitzen wir im Schatten großer Platanen im Park von Boschendal ( ja was wohl? Weingut!) und breiten unsere Picknickdecke aus. Kaffee. Um uns herum sitzt man auf den frei verfügbaren Bean-Bags und füllt die Leih-Picknickkörbe und Kehlen und Adern mit (nicht ganz frei verfügbaren) gekühlten Schaum- und anderen Weinen, jedenfalls tun das die anderen Ausflügler alle. Nett, aber nicht wirklich unsere Welt, dafür bietet uns die gutseigene Schlachterei eine Boerewors und der Bäcker das, wie sich herausstellen soll, beste Roggenmischbrot seit… Panama oder so. Pure white, pure Europe. Nur die Kaffee-und Weinverkäufer haben die korrekte Hautfarbe; und kriegen für ihre Dienste wahrscheinlich nicht sonderlich viel (Hotel-Hauspersonal 15 Rand/Stunde. Das ist nicht ganz ein Euro…).

Das ist Kayalitsha. Teilansicht...

Das ist Kayalitsha. Teilansicht…

Und dann heim. Ein paar Kilometer hinter der Abschlussidylle rollen wir an Kayalitsha vorbei, einem erschreckend anzusehenden Township gigantischen Ausmaßes. So ist Südafrika. Das Thema –  soziale Schere, fehlgeleitete Politik, Apartheid und Rassismus –  lässt einen nicht los. Ich verleibe mir gerade ein Buch eines Journalisten ein, der, ursprünglich selbst eingefleischter Anhänger, harsche Urteile über den aktuelle Regierungspartei und den Präsidenten fällt, aber auch über die unverändert schwarzenfeindliche Haltung vieler oder gar der meisten Weißen, es heißt: „We Have Now Begun Our Descent“, von Justice Malala (wer andere Bücher empfehlen kann, nur zu!).  Als in der vergangenen Woche wieder einmal Studentenproteste beginnen und dieses Mal Bilder weißer Förderer der Universität von Kapstadt in Flammen aufgehen, forsche ich im Netz nach – und lande auf einer ultrakonservativen „News“-Seite, die mit den ganzen alten Kamellen aufwartet; die Überlegenheit der Weißen, diesmal in Form massiv und offen rassistischer Medienkommentare. Da hat sich überhaupt nichts geändert, und wenn sich nicht alles zum Schlimmeren wenden soll, dann muss eiligst dafür gesorgt werden, dass schwarze Südafrikaner wirklich gleichberechtigt werden, von Schul- über Berufsausbildung bis zur qualifizierten Beschäftigung. Genau dafür steht die derzeitige Regierung nicht, die lässt stattdessen zu, dass – wie in der gesamten Provinz Limpopo 2013 geschehen – über 9 Monate, also fast ein Schuljahr lang keine Schulbücher zur Verfügung stehen. Die Vela schickte mir zum Thema Proteste heute das Link zu einem Spiegelartikel. Übrigens ist die Gleichschaltung der Medien in Südafrika ein neuer, sich rasant ausbreitender Sport. Sagt Malala… Gefährlich.

Wir gucken uns inzwischen – es ist Montagabend, wir haben die Grenze zu Zimbabwe erfolgreich überquert und sind in Victoria Falls eingetrudelt – an, wie es auch in Südafrika enden könnte: Einparteienstaat, kollabierende Wirtschaft, Gewalt und ein Exodus weißer Mitbürger. Hier bekrabbelt man sich zwar langsam, aber Wohlstand ist was anderes. Dennoch genießen wir nach Südafrika nun „Afrika“, und darum ist hier jetzt Schluss mit dem Lamentieren, und morgen gibt es dann eine Ladung Reisespaß „afrikanisch“. Bis dann!

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