Wahrnehmungssache

Happy Island. Ein Ritual: Fruit Punch zum Sonnenuntergang

Ile Petit Tabac/Grenadines, 4.2.2018

Ganz schön voll da drüben, wenn man ins berühmte Horseshoe Reef in den „Tobago Cays“ guckt. Es gibt ein Bild aus 2009, da lag die AKKA dort fast allein, nur Chamicha war noch dabei. Aber das war natürlich in der nicht-Segel-Saison. Selbst hier in Petit Tabac, wo eigentlich nicht mehr als 4 Schiffe hineinpassen, ist tagsüber der Kitesurf-Bär los  – die Tagesgäste schmeißen zu meinem Missfallen ihre Anker gnadenlos auf die Korallen vor der Insel –  aber das ist eben nur am Tag, abends kehrt die Ruhe ein. Vor allem die Chartersegler zieht es dann an die Strandbar, aber außer Strandgut gibt es hier gar nichts. Gut so. Ob wir noch drüben anhalten auf unserem Weg nach Norden wird sich zeigen. Wieviele Schiffe – überwiegend Charterkatamarane – mögen da liegen? 50? In der Nacht sah es aus wie eine kleine Stadtsilhouette, ein Topplicht am anderen. Aber dieses Riff ist zugegebenermaßen schön und eine der großen Attraktionen in den südlichen Grenadinen.

NDinghyparkplatz in Clifton

Der Besuch in Union Island war mit 2 Tagen eher knapp, die Moorings kosten ordentlich Geld und das Örtchen Clifton erinnerte uns etwas an den Besuch in San Pedro de Atacama: nett, aber völlig auf die Gäste ausgerichtet; dort war die Backpackergemeinde bestimmend, hier rekrutiert sich das Gros der Gäste aus den Seglern. In benachbarten Ashton ist sicher „mehr Union Island“, aber bis dahin laufen die Segler nicht. Wir auch nicht. Steil ist es! Im Ankerfeld

Der Charterflotte den Rücken zudrehen…
Petit Tabac

wieder ein paar große Brocken, Katamarane wie die Ocean View aus Polen, und die Ruwani mit ihren 88 Fuß und dabei fast so breit wie eine AKKA lang ist – Monsterkatamarane kommen sehr in Mode, vielstöckig und schwerst luxuriös; die früher erwähnten Super-Monohulls lassen sich nicht lumpen. 130 Fuß, 150 Fuß… für 90 gibt es nur noch ein müdes Lächeln. Allen gemeinsam wohl der Wunsch, den Sonnenuntergang bei Jonte (John T.?!) aus seinem „Happy Island“ zu beobachten und sich die Nase mit Rumpunsch zu begießen. Ein Seglerritual, dem wir uns zumindest für einen Abend nicht entziehen.
Außer den Großen und den Kurzfrist-Seglern gibt es aber auch ein paar, die offensichtlich länger unterwegs sind; so unsere Nachbarn heute Nacht im einsamen „End of the World“-Riff, eine holländische Familie, die ihre Teenietöchter für die Nacht im Zelt auf Petit Tabac

DIe Kehrseite. AKKA und Zeester in P.Tabac.  Im Hintergrund das Horseshoe Reef

aussetzen (mit Abendessen und Frühstücksservice zum Sonnenaufgang. Sehr nett). Wir sprachen kurz, kennen die Verhältnisse alle aus früheren Jahren und finden doch, dass sich immer noch schöne Stellen finden, um die es sich lohnt, die Antillen zu bereisen. Man muss nur den Katamaranmassen den Rücken drehen.

Aber um positive Stimmung muss man/frau sich natürlich auch bemühen. Mit den Locals fällt einem das leicht, egal auf welcher Insel – na gut, mal mehr, mal weniger. Als wir in Clifton nach St. Vincent & The Grenadines einchecken, entwickelt sich, kaum dass der Zollbeamte hinterm Papierstapel sein Mittagessen aufgegessen hat, ein angeregtes Gespräch: „… does Germany have a government now?!“ Nee, sagen wir, Angela ist noch nicht zu Potte gekommen, und machen gleich weiter bei großen und kleinen Koalitionen, bei Randparteien und der Welt- und Europapolitik mit einem Abstecher auf die Kleinen Antillen. „…unsere Regierung ist echt gut, schönes Leben in St. Vincent. Vor allem vor den Wahlen!“ Wir lachen.  Also, ich finde solche Begegnungen immer klasse.
Die Tür geht auf. Zwei Segler. Zollbeamter: „… what can I do for you?! How can I help you?“  „… you kän hälp mie wiz ze pepers!“. Und zu uns: „Unfreundlicher Kerl. Aber so ist das hier, und so war es schon vor 30 Jahren. Nix dazugelernt! Immer unfreundlich.“  Wie bitte?! Ich bin dann auch gleich mal unfreundlich, zur Demonstration, mir fällt kurzfristig das von mir abgefragte Datum nicht ein. Kleiner Scherz von mir.  „… so ist das unter Rassy-Eignern!“, sagt der Herr Rassy-Eigner. Ein Segler, der die Welt durch die graue Brille sieht und uns in eine Bootsmarken-Schublade schieben will. Ich muss rasch raus aus dem Zimmer.
Ein Spaziergang auf den Berg mit weitem Blick auf Petit Martinique und Petit St. Vincent und Carriacou hat meinen Hals schnell abschwellen lassen.   Selektive Wahrnehmung ist, wenn man nur recht intensiv sucht und tatsächlich Negatives findet.
Oder? Wenn wir nur recht gut hinschauen, finden zumindest wir immer etwas Schönes. Eine Frage der Wahrnehmung.

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