Traditionsschiffe, Henry und Fish&Chips

Harbour Light Fish&Chips

… und immer gerne Gaffelsegler!

Falmouth, 9.8.2022

Da dümpeln wir also im Tidenstrom: im Schatten des Kriegsschiffes „Argus“. Vor uns liegt, manchmal auch dahinter, der alte Gaffelkutter Greyhound. Andere Traditionssegler, Cornish Cutter und so, dümpeln wechselnd ringsum, sowie die modernen Freizeitsegler, die uns mächtig auf die Pelle rücken; frech (ayy! Die Franzosen!) – dabei sind wir hier die Platzhirsche. Seit letzten Mittwoch geht das so – und gestern haben wir  das 6. Ankermanöver gefahren. Es ist zu Zeiten ein bisschen eng hier in Falmouth, noch dazu haben wir die Rennwoche für den Aufenthalt erwischt, vielleicht sorgt das für noch mehr Auftrieb. Was macht der Segler da? Verzieht sich ganz an den Rand des Feldes, wunderbar ruhig, nur um aufgescheucht zu werden, wenn von der Pier ein großes Berufsschiff ablegen will. Macht nix. Da der Ankergrund gut hält, ist umankern leicht und tragen wir es mit Fassung. Mitten im Feld zu liegen kann außer der Enge durchaus auch andere Nachteile haben: ein freundlicher Brite riss vorige Woche den Anker der Shakti aus dem Grund und zusammen – die Shakti-Crew war gerade auf Landtour nach Land’s End… –  gingen sie auf Reise, bis sie gemeinsam an einem Motorboot am Ponton hängenblieben. Böse Überraschung.

Falmouth. Touristenflut (ab 17:00 ist Ebbe!)

Ansonsten? Nichts zu meckern. Das Wetter ist unbritisch sonnig, das hat die Stimmung nach der grauen Anreise ungemein gehoben. Landwärts, über einem uralten kleinen Hafenbecken für Fischerboote, bappen die Häuser des alten Falmouth am Hang, sehr idyllisch. Ein bisschen erschreckend für uns ist die Besucherdichte – wir hatten einen kleinen Fischerhafen erwartet, das war naiv, denn schon die 600 Mooringbojen für Segler und Motorboote den Fluss entlang deuten auf einigen Freizeitverkehr. Aber die Stadt ist auch voller fußläufiger Briten im Ferienmodus, und ich frage mich, was für Geschäfte wohl früher auf der Market Street angesiedelt waren, wo sich heute die Restaurants und Souvenirshops reihen; bestimmt Bäcker und Schlachter und Gemüse- und Fischhöker. NIchts mehr davon da für uns, nur ein TESCO Express.  Aber wir wollen uns nicht beschweren: das Angebot verlockt dazu, Flat White zu schlürfen und Victorian oder – hui! Moderne Zeiten! – Zucchino Sponge Cake zu schlotzen. „High Tea“ mit Scones, Clotted Cream und Jam gefällig? Im kleinen Thailaden um die Ecke lässt sich ein Abendessen trefflich genießen.

Zurück zu unserer Ankunft in England, noch im tiefen Grau: vor Coverack legen wir eine Nacht vor Anker ein, die gelbe Flagge unter der Saling, zugegebenermaßen nicht das geradlinigste Zollverfahren. Der Brexit hat für nicht-Briten eine ordentliche Einklarierung als Folge, aber das haben die Briten kommod gelöst: schon in der Azoren hatten wir das Einklarierungsformular heruntergeladen und ausgefüllt, als Exceldatei (die Alternative ist ein bisschen weniger kommod, nämlich als PDF, das man in einen Umschlag stecken und per Schneckenpost versenden soll. Also, so was!). Am Morgen nach dieser Absackernacht – es tut so gut, mal wieder durchschlafen zu können!  Ohne Wachwechsel! –  zeigt der Himmel schon Silberstreifen, die Hoffnung auf Wetterbesserung stirbt bekanntlich zuletzt. Wir senden das Einklarierungsformular an den Zoll, hieven den Anker und schieben uns bald durch die zunehmende Zahl an Freizeitseglern – für die schisserige Schipperin wirklich anstrengend. Ich fürchte mich jetzt schon vor der Kieler Bucht! Aber siehe da, als der Anker in Falmouth Harbour fällt, klart es richtig auf. Schnell einen Anruf bei der „Yachtline“ lancieren – wir haben ein bisschen Telekom-Verbindung, denn die Telefongesellschaften haben sich geeinigt, dass die Europa-Roamingregeln auch nach dem Brexit noch eine Weile gelten. Das Gespräch ist superfreundlich und sehr effektiv, schnell sind wir mit den Zollangelegenheiten durch. Können wir die Quarantäneflagge runter…?  Neiiin! „Since you are Germans you have to do immigration first!“ Ach, ja… Nächste Rufnummer. 7x klingeln, dann Besetztzeichen. 1mal. 2mal. 10mal. Rückruf bei der Yachtline – ist die Nummer falsch? Nö. Vielleicht ein bisschen zu beschäftigt. Aber man kann auch direkt in Plymouth anrufen. Das tu ich und treffe auf einen eher muffigen Beamten, der zunächst an eine falsche Nummer weiterverweist, nämlich an einen Survey-Desk, wo man eine Bewertung für die Immigrationdienste abgeben kann, witz, witz. Nochmaliger Rückruf dort und damit die ultimative Alternative: ruf doch mal die Yachtline an. Toll. Da kommen wir gerade her. Um 16:30 geben wir auf. Akka ist drin in England, wir noch nicht. Tags drauf verläuft alles relativ rasch, kurz telefonisch durch die Personendaten, dann den ganzen Sums nochmals per eMail an das „Home Office“ senden, eine letzte Rückfrage bezüglich der Geburtsdaten beantworten – schon sind wir drin (was eigentlich, wenn ein einreisendes Boot keine Internetverbindung oder Mobiltelefonie aufweist?!). Egal. Flagge Q runter, Union Jack rauf! Ich singe zu Ehren der alten Queen die Nationalhymne (Rule Britannia ist mir zu nationalistisch).

Pendennis Castle

Kanonen in alle RIchtungen

Kanonen in alle Richtungen

À propos alte Queen. Über Falmouth erhebt sich Pendennis Castle, das dürfen wir natürlich nicht auslassen. Am Beginn es 16. Jahrhunderts fürchteten sich die Tudors vor Spaniern, Franzosen und dem „Heiligen Römischen Reich“. Das hatte seinen Grund unter anderem in der Ehe-Politik von Heinrich dem Achten; wegen Mangels an männlichen Nachkommen wollte er bekanntlich die Ehe mit Katharina von Aragon, der höchst katholischen, annullieren lassen. Die war aber leider gut im Katholischen vernetzt, Kaiser Karl, der Papst und andere, kurz: das Ansinnen brachte die katholische Welt gegen ihn auf. Heinrich ließ also eine Befestigung an der Mündung des Flusses Fal bauen (daher auch „Fal Mouth“. Pendennis ist übrigens, wo wir schon bei Sprachen sind, eine Verballhornung von Cornisch „Pen Dinas“ , Befestigung der Landspitze. As simple as that.). Die vielen Frauen Heinrichs erfuhren bei unserer Besichtigungstour allerdings keine Berücksichtigung  Fazit: die waren eigentlich, bei aller turbulenten Religionspolitik und den vielen, auch männlichen Köpfen, die in diesem Zusammenhang rollten, total egal. Ach, hätte doch nur eine mal einen männlichen Nachkommen serviert! Aber nein. Ehefrauen sind prima Verbrauchsmaterial.*
Dafür ist die Befestigungsanlage beeindruckend und war sicher auch effektiv, Kanonen weisen in alle Richtungen, jahrhundertelang, von Elizabeth I. über anti-Napoleonische Zeiten bis in die Weltkriege – diese südöstliche Ecke Englands ist sehr exponiert. Von den Zinnen des Wehrturms aus sehen wir in der Ferne einen Tanker liegen – das ist bestimmt ein Spanier oder Franzose, und man ist versucht, Henry eine warnende WhatsApp-Nachricht zu schicken. Was wohl der alte Heinrich zur modernen Europapolitik gesagt hätte? Alles eins!  Wie schrecklich, und sehr verständlich, dass England da nicht mitmachen kann. Ungefähr so. Eine lohnende Besichtigung!
Aber was tun die Akkanauten abschließend? Lassen sich auf einen Caféstuhl sinken, vergleichen rückwärts und finden, dass Brompton Hill Castle auf St. Christopher in den Antillen noch interessanter war. Verwöhnte Bande!

Abends sitzen wir mit der Crew der EMMA bei Fish&Chips, letztere leider nicht in Zeitungspapier gewickelt, wie es die Tradition verlangt, sondern sehr gesittet auf Porzellan in dem F&C-Restaurant der Stadt. Wir können zwischen Colin und Henry wählen, Cod oder Haddock (Spaß auf der Speisekarte muss sein!). Ganz lecker. Siehe oben, verwöhnte Bande! Fish&Chips sind erst einmal abgehakt, bis uns die richtigen in Zeitungspapier unterkommen. Aber da die Emmas ausgesprochen nette Gesellschaft sind, genießen wir den Abend unterm Strich sehr. Langzeitreisende treffen auf Atlantikrundensegler mit, wie wir hoffen, weiterführenden Ambitionen. Wir können unsere Art zu reisen immer nur empfehlen und werben ausgiebig.

Heute Nachmittag bekommen wir übrigens Besuch: die Red Arrows werden Falmouth überfliegen. Hm. Muss das? Aber bei der Race Week wird an nichts gespart. Außer am Wind.
Auf den warten wir jetzt, denn es uns weht eher entgegen aus und auf dem Kanal. Mal gucken, ob wir ein Flautenloch nutzen und Richtung Isle of Wight tuckern. Verglichen mit den Red Arrows wäre der Kraftstoffverbrauch gering. Aber Falmouth im Sommer ist auch nicht schlecht. Wir lassen es Euch wissen, wann es weitergeht!

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* … natürlich hatte es einen männlichen Erben gegeben, das war Edward der Sechste (1547-1553), Sohn von Jane Seymour, die aber im Kindbett verstarb. Seine Halbschwester Mary wurde die Nachfolgerin, gefolgt von Elizabeth (zwischendrin gab es noch eine Cousine als 9-Tage-Königin, die der Mary zum Opfer fiel. Nett, diese Tudors).
Gar so „mörderisch“ war die Ehepolitik gar nicht: 2 annullierte Ehen (Katharina von Aragon und Anna von Kleve), 1 natürlichen Todes gestorben (Jane Seymour) und eine, die ihn überlebt hat (Catherine Parr) . Nur 2 geköpfte Ehefrauen (Anne Boleyn und Catherine Howard; paar Kollateralschäden dazu), Henry war wohl doch ein gutmütiges Kerlchen.