Very British!

Unterwegs nach Falmouth, 29.7.2022
… der graue Himmel ist es, der so British erscheint. Battleship Grey, um in Kategorien klassischer Autolacke zu sprechen, und das schon seit Montag, an dessen Nachmittag unseren Driftplatz verlassen und wieder auf Kurs gehen (und, was soll frau sagen, uns beiden geht kurz durch den Kopf, ob der Anker klar ist! Schwieriges Ankeraufmanöver mit 1.500 m Kette.)
Von der Woche gibt es außer der Himmelsfarbe (und gegebenenfalls Menulisten) wenig zu berichten. Das Wetter ist sehr „milde“, was bei aller Windarmut den Charme hat, dass der Segler sich um dickes Wetter wenig Sorgen machen muss. Nur einmal – am Morgen nach dem Drifttag – verschwinden unsere Elektroniksachen im Backofen. Wetterwelt hatte für 9 Uhr mit Gewitter gedroht, und zack: 09:00 – grummel, grummel. Dauerte in der Tat auch nur die vorhergesagten 2 Stunden an, und schien mehr Höhengewitter zu sein. Mit der EMMA, die ungefähr 1 1/2 Tage vor uns her fährt, funken wir neuerdings abends, was mich vor alte neue Aufgaben stellt: es hat ein wenig gebraucht, bis ich gemerkt habe, dass ich auf nur einem Drittel der Sendeleistung stehe (als ordentliche Winlink-Funkerin muss das so!). Hatte ich schon mal über Satellitenkommunikation gemeckert? Ich glaube ja, oder?! Geht weiter so, oder zumindest bleibt es verwirrend, also texte ich den in Wacken (?) befindlichen Neffen an, ob er unsere Position sieht. Die Antwort war ein bisschen „Wacken“, mit den Zahlenfolgen hat man es auf Metal-Festivitäten wohl nicht so, aber immerhin: ja doch, er sieht sie! Hurra! Und: im letzten Blog gab es einen Nachsatz dazu, und es ist doch nett festzustellen, dass das gelesen wird – gestern Abend trifft ein Text ein von Helena Neal auf „AMALIA of LONDON“. Helena ist Betreiberin von Noforeignland, und bestätigt, dass die Positionen alle 4 Stunden frisch im Netz stehen. Ist das Service?! Ist es. Wir hätten dort viel früher anschließen sollen – liebe dauersegelnde Mitleser, schaut es Euch an. www.noforeignland.com . Lohnt sich! VIel Nützliches! Noch 500 Meilen bis Falmouth. Mal schauen, wie British es da ist!
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Uuund… Windstille

43°51N 25°43 N. Unterwegs nach England, 25.7.2022
Tja. Unterwegs… Schon. Wir driften mit 0,2 bis 0,8 Knoten ungefähr in die richtige Richtung. Könnte schlechter sein – das einzige Erlebnis dieser Art auf unserer langen Reise war die erste Passage nach Neuseeland – da mussten wir uns die 25 Meilen, die wir in Richtung der Kermadecs zurückgetrieben waren, wieder neu erarbeiten, als der Wind endlich aufkam.
Gestern gab es Post von der Wetterwelt, und die macht uns wenig Hoffnung auf frische Winde, die uns nach England tragen können – dieser Trip kann also durchaus noch dauern. Maßnahme 1: wir haben den Motor abgestellt und sparen uns den Dieselvorrat auf, um gegebenenfalls nochmal 1 oder 2 Tage Richtung Falmouth schieben zu können. Maßnahme 2: AIS- und Radaralarm aktivieren, damit sich die jeweilige Wache einen Schönheitsschlaf leisten kann. Die See ist mittlerweile spiegelglatt, nur eine alte Dünung wiegt uns ein bisschen. Geräusche? Ohrenbetäubende Stille, nur unterbrochen vom Patschen des Wassers in den Cockpitabläufen und in der Küchenspüle. Und ruhige Atemzüge aus dem Salon – der Eigner hat Freiwache. Gelegentlich knatscht es aus dem Rigg, wenn eine Welle uns rollen lässt, und die Flasche mit kaltem Tee neben mir auf dem Cockpitboden rutscht gegen die Wand. Bopp!
Bald ist Frühstückszeit. Mit rationierten Eiern. Man muss die Feste feiern wie sie vor sich hin dümpeln! Bis demnächst!
PS: ich hoffe, das Tracking auf Noforeignland ist wieder da – Janine, SY EMMA, ungefähr 150 Meilen voraus, konnte per SMS die fehlenden Daten beisteuern. Danke! Ich schimpfe auch nicht mehr über schlechten SMS_Empfang (nur manchmal. Denn: Iridium Go! und die Schipperin. Zwei Welten…)
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Noforeignland und so

Unterwegs nach England, Tag… 4. 24.7.2022
Noch ein sich sehr mühsam nährendes Eichhörnchen ist das hier. Wenig Wind, gar kein Wind… Die Wetterwelt verheißt nicht viel bessere Verhältnisse für die nächsten Tage (oder länger). Ich fange schon mal an Eier und Früchte zu rationieren.
Leider ist mir bei dem Gebastel mit diversen Rechnern das Tracking für noforeignland abhanden gekommen. Im Moment müsste das Tracking wie durch Wunderhand bei PredictWind.com erscheinen (eine automatische Grundeinstellung) – aber ich weiß noch nicht, wie man oder frau das aufrufen kann. Ich hoffe, die EMMA, die 120 Meilen vor uns läuft, weiß Bescheid und kann mir das Geheimnis enthüllen.
Also: wir sind noch hier, dödeln durch die Flaute und versuchen, das Tracking wieder in Gang zu bekommen.
Gruß von unterwegs.

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Beschaulich war’s

Porto Pim. Wirklich beschaulich

Horta, 21.7.2022

Lebenszeichen von den Azoren:
Wir haben die Zeit dahingehen lassen. Die Azoren sind ein schönes Fleckchen Erde, das Klima ist – zumindest jetzt im Sommer – angenehm. Während Festlandseuropa unter Hitzewellen stöhnt, geht hier alles moderat zu, und der Rhythmus ist gemächlich. Am Abend setzt sich der entspannte Segler gern an die uralte Hafenmauer von Porto Pim,

Treib(t)gut. Auf nach Europa, wie so viele.

wo die Taberna de Pim nette Sachen serviert. Zum Beispiel einen mit Kardamomkapseln, Minze und Sternanis aufgepeppten Gin Tonic , gefolgt von allerlei leckeren Schweinereien, von Tunfisch über geschmorte Blutwurst bis gebratenen Oktopus. Danach rollt es sich gleich doppelt so gut hinüber an den Hafen von Horta.

Pottwal. Das sind zwei, Kalb und Mutter (oder Tante)

Golfinhos. Die Verrückten unter den Delfinen

Nicht widerstehen konnten wir den Angeboten der Whale Watcher, und so sind wir vorgestern dann doch noch in den Genuss gekommen, ein paar Pottwalen beim Ruhen-Atmen-Schnaufen-Tauchen zuzuschauen. Viel zu sehen ist da leider nichts. Die  Delfine – gepunktete und gestreifte – sind da ungleich unterhaltsamer, aber so ein kleiner, neugieriger Baby-Pottwal (ab 6 m aufwärts), der auf das Watcherboot zuschwimmt, ist schon sensationell.

Und nun?
Gleich geht es los, wir heben den Anker und segeln nach England. Spannende Strecke noch einmal.
Bis demnächst von unterwegs.

Horta!

Akka und ihr Freund Pico

Horta/Azoren, 3.7.2022

Nach einer Woche auf Faial ist es wohl an der Zeit, sich mal kurz zu melden.   Schön finden wir es hier. Eine echte Urlaubsinsel – stramme Waden, Wanderstöcke und Segler, Segler, Segler. Mehr als wir dachten, die Hafenmauern sind mit 3er und 4er-Päckchen belegt.  Egal wo diese Segler herkommen, sie haben sicher ein bisschen mehr Blau- und Grünwasser hinter sich gebracht als die schlichten, wenn auch langen Transozeanstrecken auf der Barfußroute. Wir haben es ja zu kosten bekommen.

So richtige Jubelgefühle stellen sich am Freitagmorgen nicht ein, aber wir sind sehr froh, angekommen zu sein. Ein bisschen räumen, ein Getränk bei „Peter Café Sport“, ein langer Nachtschlaf. Am Sonnabend bemühen wir uns um Internetverbindung, und damit kommt der Tiefschlag von Floras aus Hawai’i: „Die Escape ist verunglückt! Meldet Euch bitte!“  Uns wird ganz kalt – was ist passiert? Mit Annelie und Volker haben wir in Bermuda Spaß gehabt, wir haben im Scherz vereinbart, dass wir für eine Panamakanalpassage gern als Linehandler einfliegen. Wir laufen gemeinsam aus Bermuda aus, wir nach Nordosten, Escapes in Richtung Kanada, Prince Edward Island ist ihr Ziel. Wir winken und funken hinterher. Das Leben hat allerdings manchmal schreckliche Wendungen in petto: bei extrem schlechtem Wetter im Golfstrom werden beide bei einem grauenhaften Unfall tödlich verletzt, die Abbergeaktion der US Coast Guard überleben beide nicht mehr. Das alles ist so unfassbar, dass wir wie betäubt sind.  Das schlechte Wetter ist das Tief, vor dessen Südostkante wir nach Osten ausgewichen sind – mittlerweile sind weitere Yachten hier eingelaufen und berichten Dramatisches zu den Seegangsbedingungen und zum Wind auch in Richtung Azoren. Unsere Gedanken gehen immer wieder zurück zu den beiden. Schrecklich, wirklich entsetzlich. Völlig unbegreiflich.

Basalt mit weißer Deko.

Und das Leben? Macht derweil „business as usual“. Wir schließen uns zögernd an; wir sind aber ohnehin ausreichend und nachhaltig kaputt. Wir traben durch eine kleine, portugiesische Stadt, Basaltpflaster mit cremefarbener Deko. Kirchen und Klöster aus dem 16. Jahrhundert. Das Leben ist vergleichweise preisgünstig – wir wundern uns manchmal, ob auf Rechnungen nicht irgendetwas vergessen wurde. 2 Milchkaffee mit einem Vanillepastetchen? 3,10 €. Undenkbar in den USA/Bahamas/Bermuda (in genau dieser Reihenfolge steigen die Preise).  Wie schön es hier ist, das lernen wir gerade neu zu schätzen. Morgens früh häufig nebelig-nieselig, am Nachmittag klart es auf und mit Glück schaut der Pico, seines Zeichens Vulkan auf der gleichnamigen Nachbarinsel, durch die Wolken. So wie im Bild unten. Wir haben nämlich unsere letzte Hafenmauer-Marke hinterlassen, hier noch in der Vorschau. Der Eigner bringt gerade die letzten feinen Striche an. Die erste war 2007 in Porto Santo – eine Akka, die gerade abhebt und keck über die Schulter schaut. Wie Ihr seht, landet sie jetzt. 15 wunderschöne Jahre später. Wir sind wirklich dankbar, dass uns das so beschieden war.

Das Akka-Gemälde und der Pico