Komm mal schnell rauf…

Kourou, 20.12.2008

„…komm mal schnell rauf“ sagt Andreas, und wenn er das sagt, so kuehl, dann ist meist irgendwie Gefahr im Verzug. Ein wildes Insekt, Gegenverkehr oder der Mast faellt uns auf den Kopf. Heute war’s ein bisschen anders, aber wir wollen ja nicht mit der Tuer ins Haus fallen. Darum chronologisch:

Am Mittwoch um 13:00 Ortszeit waren wir da. Franzoesisch Guyana, nach 10 Tagen und genau 1,5 Stunden sanfter Dauersegelei.

Am letzten Tag gab es fuer 6 Stunden Motorsegeln, waehrenddessen haben wir Wasser gemacht und haetten vielleicht auch schon frueher wieder segeln koennen; das waren aber die einzigen Motorstunden seit dem Start. Je naeher wir der Kueste kamen, umso weniger wurde der Strom, der uns ja ueber Tage sensationelle Geschwindigkeiten beschert hatte – in Spitzen ueber 9 Knoten. Als wir dann so
um die 4 kn „rumduempelten“ (da haetten wir bei der Aequatorueberquerung von getraeumt!) zweifelten wir einen kleinen Augenblick lang, ob die Entscheidung, so lange nach Nordwest zu steuern bis wir auf reinem Westkurs Kourou anliegen koennten, richtig war, aber es war… Frueher weiter westlich zu halten haette uns eben auch frueher aus dem Schiebestrom heraus- und laengere „Schleichfahrt“ eingebracht.

Der Anker faellt vor der Hauptinsel der Iles du Salut, genannt „Ile Royale“, am Ufer knistern die Palmblaetter im Wind, Affen schreien ein bisschen rum, Papageien und Zikaden vervollstaendigen die Geraeuschkulisse. Ein paar Gebaeude aus der Zeit der Strafkolonie sitzen zwischen den Baeumen, sonst nichts. Ein Touristenkatamaran verschwindet um 3, dann sind wir allein. Baden! Und eine Positionsmeldung abgeben: „…schoen hier“.
Der Eindruck bleibt, obwohl einem bei naeherem Hinschauen am naechsten Tag doch das Wort „schoen“ ein bisschen in der Kehle stecken bleibt. Allzu viele Gebaeude lassen einen ahnen, wie grausig – ein brasilianischer Graffitti-Kommentar im Trakt der Einzelhaftzellen sagt: „unmenschlich“ – es hier bis in die 50er Jahre zugegangen ist hinein. Dazu vielleicht spaeter mal mehr.

Der Inselrundgang durch tropische Vegetationsfuelle – riesige Mangobaeume und Brotbaeume ueberragen den zentralen Platz, den Friedhof (fuer Personal, nicht Gefangene!), das ganze Inselinnere. Es bleibt nicht aus, dass wir die eine oder andere Kokosnuss aufsammeln. Und das sind vielleicht harte Nuesse! Vor allem aussen, diese dicke, elastische Naturverpackung. Wir muessen uns dringend was ueberlegen, wie Kokosnuesse ohne a. schwerwiegende Verletzungen und b. effektiv zu oeffnen sind; so ganz richtig haben wir den Bogen noch nicht raus. Das brasilianische Muster – Machete geschwungen und „wutsch“ – entspricht nicht der Bedingung unter a. und ist auch nicht ganz so effektiv, wie ich wuensche, denn das Kokoswasser laeuft irgendwohin. Die Huelle halb abgemeisselt und dann die Nuss mit dem Hammer aufgeschlagen bringt uns zwar an das Fruchtfleisch, das nun aber von Bastbroeseln uebersaet ist. Wir lernen. Mal wieder.

Am Freitagnachmittag kommt Besuch, die Gendarmerie. Sehr nette junge Maenner, die eine Art Protokoll ueber AKKA und ihre Besatzung aufnehmen – das hat weder was mit Einreise zu tun, noch mit dem Zoll. Nein, reine Vorsichtsmassnahme, es koennte ja ein Spionageschiff sein: schliesslich startet am Samstag um 18:51 die Ariane und ploetzlich wimmelt die Bucht von Polizei- und Militaerschiffen. Und deswegen haben wir am Starttag spaetestens um 16:00 Uhr die Inseln – die der franzoesischen Raumfahrtbehoerde gehoeren
– zu verlassen. Wir tun das, allerdings navigatorisch klueger morgens um 8, dann ist naemlich bald Hochwasser und fuer die Einfahrt nach Kourou braucht man eben dieses. Ein kurzer Trip von knapp 2 Stunden, aber ausreichend graesslich, denn dieses Fahrwasser ist auch bei Flut extrem flach – waehrend Andreas fest darauf vertraut, dass „zwischen den Tonnen einfach genug Wasser sein muss“, bleibt mir ein paar Mal das Herz stehen, wenn ich auf’s Echolot gucke. 1,5 m – das bedeutet, dass wir mal knapp 40 cm
unter dem Kiel haben, und die Duenung ist auch nicht schlecht. Nix fuer mein Nervenkostuem, ich rufe sogar den Bagger GEMMA an, an dem wir vorbeischippern, um zu ergruenden, ob wir uns vielleicht mit den Hochwasserzeiten getaeuscht haben. „Pas de problà¨me, madame…“ sagt der Kapitaen. Genug Wasser – der hat vielleicht die Ruhe weg…

Kourou praesentiert sich als verschlafenes Nest, wie ein karibisches Inselstaedtchen. Die Bevoelkerung ueberwiegend schwarz durchmischt mit weißen Franzosen undallezusammen versorgt von reichlich Chinesen, die Restaurants und kleine Supermaerkte betreiben und wohl Ueberbleibsel der grossen franzoesisch-chinesischen Raumfahrtkooperaton sind; deren Dienste nehmen wir gern in Anspruch, denn leicht ueberteuerten Kaese, Joghurt, Quark und Wurst koennen wir uns nicht entgehen lassen. Dass Hochtechnologie im Umland im Spiel ist, kann man nur ahnen. Wir entscheiden uns – faule Stuecke, die wir sind – zum Start der Ariane nicht noch einmal an Land zu gehen. Die Ariane hatten wir vom Wasser aus sehen koennen, so falsch kann die AKKA nicht liegen fuer das Schauspiel. Alles klar zum Fotografieren?

Ach, holen wir doch mal die Spiegelreflexkamera raus, ich kriege die kleine … Auf alles sind wir vorbereitet, nur nicht auf den hellen Lichtschein, der 10 Minuten vor Zeit den Horizont erhellt; Franzosen scheinen nur bis 10 Minuten vor „Zero“ runterzuzaehlen. „Komm mal schnell rauf! Sie fliegt schon!“ Was dann kommt, laesst einem den Atem stocken.

Erst ein gigantisches Lichterspiel durch die Wolken am Horizont, dann die Rakete schraeg ueber uns, ganz klar zu sehen, nach einer Weile gesellt sich ein Donnergrollen dazu, bis der Feuerschein immer schwaecher und kleiner wird und ueber dem Atlantik im Nachthimmel verschwindet. Mag sein, dass das fuer die Leute hier Alltagsgeschaeft ist – ich bin ganz aus dem Haeuschen. Endlich ein Raketenstart fuer
den Space-Freak – schlaflose Naechte konnte ich schon immer gut mit „Space Night“ fuellen. Es dauert ein Weilchen, bis ich wieder „runterkomme“.

Toll. Nochmal!

Abenteuerurlaub

Ob das für einen kleinen Vogel auch unter „Abenteuer“ läuft, wenn man sich nachts ein fremdes Schiff sucht, um auf der tanzenden Reling, auf dem Solarpanel oder – besonders beliebt! – auf der LifeSling-Tasche ein Nickerchen zu machen? Beim erstem Mal vielleicht, aber mittlerweile kommt unser Gast schon mit schöner Regelmäßigkeit. 4 Nächte hintereinander, so rekonstruieren wir, ist der Vogel schon bei uns, und es MUSS derselbe sein. Seit ungefähr 300 Meilen mindestens werden wir also beobachtet und dann nachts heimgesucht. Als sich der dicke Federball das erste Mal im Mondlicht auf’s Solarpanel setzte, dachte ich: „Dohle“, und gleich auch „… die arme…“. Aber als im Morgengrauen die Silhouette von einer richtigen Gestalt abgelöst wurde, war bald klar: nix Dohle. Zu lang und spitz der Schnabel, zu schmal die Schwingen und – kleine Schwimmfüße umklammerten den Panelrand! Der gehört hierher, um den braucht man weniger Angst zu haben als um frühere Gäste. Braunes Gefieder, oben schwärzlich, unten etwas pudrig-aschig. Eine strichdünne, weiße Zeichnung, fast unsichtbar, zieht von den Augen nach hinten, und unter den Augen auch ein bisschen weiß. Für die Nacht danach wissen wir nicht, ob er irgendwo gesessen hat, aber heute war wieder „Päuschen auf AKKA“ angesagt, ehe es im Morgengrauen – nach dem Putzen und ein bisschen rücksichtsvoll leisem „kwäck-kwäck-kwäck“ (der Eigner schläft ja noch!) – wieder losging. Ob das „… bis später!“ heißen sollte? Wir tippen auf eine jugendliche Ruß- oder Zügelseeschwalbe, aber eigentlich auch egal. Bis auf den einen oder anderen Klecks an Deck ein angenehmer Gast. Und für ihn sicher auch nur noch wenig abenteuerlich, wir wissen uns ja zu benehmen. Gast auf dem Achterdeck? Dann werden eben weniger Segelmanöver gefahren!
Dafür war in den letzten Tagen bei uns „Abenteuerurlaub“ angesagt. Was macht den eigentlich aus? Ungewöhnlich muss es sein, ein bisschen gefährlich soll es aussehen, weit weg von der Zivilisation. Und „Action“ ist so unabdingbar wie Spannung. Hatten wir alles. Die Spannung ging eigentlich schon in Jacaré los: wie geht es eigentlich unserer edelstählernen Ankerkette?! Also haben wir die aus dem Ankerkasten ans Tageslicht geholt, auf’s Vorschiff gelegt und gesäubert; „action“, Teil 1, schließlich ist das Schiff in Bewegung und nicht schlecht, denn wir haben dieser Tage unsere besten Etmale herausgeholt, mit 7 bis 8 Knoten geht es teilweise dahin, gerefft. Ein bisschen Haaresträuben darf im Abenteuerurlaub ja auch sein, und das kam unweigerlich, als ich die ersten Kettenglieder mit „Zahnverfall“ entdeckte. Ab da war es vorbei mit dem Urlaub, es wurde geAKKAt. Das Ende vom Lied war dann die richtig große Action: Unterlegbrett in den Bugkorb, Schraubstock drauf, Säge zur Hand und – weg mit den ersten 19 Metern. Es ist schwer zu glauben, was die 7 Monate am Anker mit der Kette angerichtet haben. Wir waren ja gewarnt, von KIRA und GITANA, und hatten darum unser Silberstück liebevoll gepflegt, gewässert, geputzt, gelüftet, umgedreht, nicht „mal“ sondern regelmäßig. Leider gibt es keine Bilder von Bord aus, sie werden nachgereicht – welches wäre das schönste?

Das von Andreas, der gerade eine Zirkelnadel durch die Schweißstelle steckt? Wohlgemerkt: hindurchsteckt! Oder die tiefe Kariesstelle?

Füllung oder Überkronen hoffnungslos – dieser Zahn muss raus.
Und so haben wir nun a. 19 m Kette weniger, abzüglich weiterer 15 m am oberen Kettenende, das ein paar, vergleichsweise (noch) harmloser Schadstellen aufweist; b. die Frage zu lösen, wie schnell in Trinidad Ersatz zu beschaffen ist und c. ein Päckchen mit „Musterteilen“ nach Deutschland zu schicken. Beim Abenteuer geht man ja auch immer gern noch einen Schritt weiter als man eigentlich wollte – wir also auch. Andreas hat noch fix den „WASI Powerball“ geprüft, das ist das Verbindungsglied zwischen Anker und Kette, „german engineering“ pur und Germanischer Lloyd-geprüft – dazu am Rande: Mike, Australier, sieht unseren Powerball in Brasilien und sagt sarkastisch: „… well, I lost mine in the Chagos Islands!“; auch da hatten wir ein Auge drauf, äußerlich. Und nun der Blick in die Tiefe: Vom Schraubgewinde auf dem Verbindungsbolzen keine Spur mehr, nur die Sicherungschraube hielt das Ding zusammen. Schwein gehabt und rechtzeitig geguckt – und das war einfach zu beheben.

Natürlich sind ein paar Mails zum Sachverhalt nach Deutschland geflogen – Kurzwelle sei dank. Jetzt sind wir wieder ankerbereit, Zweitanker startklar, Sicherungsleinen dto. und segeln bei leichtem Wind und wieder entspannt den Iles du Salut entgegen. Noch 360 Meilen.

Wie ermüdend doch ein Abenteururlaub sein kann. Aber erleuchtend…

Routine

Geschirr klappert im Schapp? Nicht doch. Gläser und Tassen stecken in Tennissocken, in Brasilien im Großpack erworben, eigens zu diesem Zweck. Teller und Schüsseln wohnen schon lange in abgeschnittenen Blusenärmeln, die inzwischen klimatisch bedingt reichlich vorhanden sind. Es rollen keine Konserven mehr umher, oder nur noch . Es fliegen uns auch nicht mehr dauernd irgendwelche Sachen um die Ohren wie anfänglich… Wir sind einfach routinierte Langfahrer geworden. Wirklich?!
Ich durfte heute abend ein zweites Mal duschen. Der Guavensaft und der Seegang … Und wenn man es richtig überlegt, haben wir ganz routinierte Manöver auf Lager – wie „Genua ausbaumen“. Toll! Ich habe den Tanz auf dem Vorschiff schon immer geliebt, und jetzt – wie kann es sein, dass man nach 7 Monaten „an Land“ da vorn steht (naja, stehen ist was anderes! Hopst!) und sich fragt wo welche Leine hinführt. Um nach getaner Tat festzustellen, dass der Achterholer trotz angestrengtesten Nachdenkens doch
außen um die Schot läuft. Arrrg. Noch einmal – das übt! Sagt der Eigner.
Aber das wird schon wieder. Wer hier an Bord wirklich Routine hat, ist WiPi, der Windpilot. Je nach Stimmungslage auch „Pedder“ genannt, nach seinem Schöpfer. Der ackert unverdrossen, und da kommt dann doch auch unsere Routine ein bisschen ins Spiel: ganz langsam wissen wir, wie die AKKA zu trimmen ist, und das macht dem WiPi das Leben so viel einfacher. Und gerade in diesem Moment gespenstisch zu sehen, wie noch so kleine Trimmbewegungen am Hauptruder große Wirkung haben können: am Horizont tauchen
die Positionslichter eines Überholers auf, ein Haufen Container auf dem Weg nach Nola; in 20 Minuten ist er hier und 2 Meilen Abstand soll er haben. Als ich ihn auf dem AIS endeckte, waren es 18 Fuß – eine halbe AKKA-Länge (man könnte auch sagen: Treffer!) entfernt, da stehen einem bei aller Routine die Haare zu Berge. Aber der WiPi, der hält Kurs. Routine. Wir arbeiten dran.

… in den Roaring 40ies?

Hat es die AKKA irgendwie vertrieben?

Nein, die Bordfrau hat leider nicht gemerkt, dass sie bei der Positionseingabe zwei Tasten gleichzeitig getroffen hat. Ich sah es gerade, als ich die Morgenposition abschicken wollte. Nur zur Bestätigung: Wir sind immer noch auf dem Weg nach Guyana, heute früh ist es eher flau, mal sehen was kommt.

Restposten und neue Lieferung

8.12.2008, 4°23 S, 35°35 W, auf dem Weg nach Guyana

Ein paar Restposten an Jacare-Nachrichten liegen noch umher, dafür sind die Neuigkeiten von Bord eher dünn gesät. Am Sonntag um 11.00 Ortszeit sind wir nun endlich ankerauf gegangen – ein bisschen traurig war das schon, wir fanden es nämlich schön im Paraiba; die Dorfbewohner ungeheuer freundlich, wir haben ruhig und sicher gelegen, und die Musike hat auch eher selten mal gestört. Aber konditioniert waren wir schon auf den Zeitpunkt des Sonnenunterganges und die zwangsläufige Saxophonmusik, und so
fiel uns dann heute beim kalten Kaffee um 17 Uhr nichts Besseres ein, als den Bolero zu intonieren. Mal gucken, wann das besser wird… Ich glaube, ein bisschen „G’schichten aus Jacare“ müssen wir noch mal nachtragen. Fahrradfahren bei Dunkelheit, zum Beispiel.

Die letzten Tage waren halb gefüllt mit Tätigkeiten rund um Boot und Abreise, nochmal Wäsche waschen, schon mal die Mooringleinen einholen, Rumpf vom Bewuchs befreien, Elektrik und Elektronik checken. Ha! Das Echolot funktioniert nicht mehr – am Vorabend zu Andreas‘ Geburtstag entscheiden wir uns zunächst einmal dafür „drüber zu schlafen“. Und am Ehrentag selbst macht er sich ein kleines Geschenk, indem er das ehrenwerte, alte Teil wieder zum Leben erweckt. … das wäre was gewesen im brasilianischen
Outback. Rausgefunden hätten wir ja noch aus dem Fluss, aber später dann an den Ankerplätzen wird es mit dem Handlot dann doch mühsamer, als wir uns das so wünschen, und so eine Barre vor der Einfahrt nach Kourou… Ohne Echolot – ohne mich.
Aber ausser dem Ernst des Lebens waren dann auch noch so schöne Sachen wie das echt brasilianische Churrasco, zu dem uns Nachbars Bootsmann Attilio „Maguila“ einlädt, mitsamt Nadia, der brasilianischen Skipperin ein „Haus“ weiter. Es war KEIN Caipirinha-Wetttrinken, aber immerhin doch ein -Wettmixen – Nadia zeigt uns, wie man eine Maracuja-Caipirinha macht; sehr lecker!! Und da kann sich Maguila nicht lumpen lassen und muss noch eine richtige, eine mit Limonen nachschieben. Es wird zwangsläufig ein
lustiger Abend, an dem einem ununterbrochen Fleisch auf den Teller gesäbelt wird. Schräge Seitenblicke gibt’s nur, als ich mir die rettende 2-l-Flasche Wasser vom Schiff hole. Trinkfestigkeit WOLLEN wir gar nicht üben.

Das Ankerauf-Manöver unterstützt Daniel – „Weltumsegler“ aus Argentinien, seit 11 Jahren unterwegs und schon bis Cabedelo gekommen! – und das war nötig, denn es ging SEHR langsam: Tauchend hatten wir es nicht vermocht, die Kette vom Muschelbewuchs zu reinigen, und so schlage ich, während ich die Kette fördere, den Bewuchs ab. Und der liegt dann schön an Deck bzw. verschwindet mit der Kette im Ankerkasten, Daniel hat uns derweilen mit dein Hilfsleine in Position gehalten. Aber geschafft ist geschafft.
Und wir können flussabwärts verschwinden.
Womit wir bei den Neuigkeiten wären. Heute abend haben wir die Kette wieder herausgeholt – es stank einfach erbärmlich nach altem Fischkutter auf unserem Vorschiff. Gaaa! Morgen wird geschrubbt, wenn das Wetter es erlaubt. 12 Tage haben wir noch Zeit, ehe wir den Anker vor der Ile Royale versenken können – PRESENT macht uns per Funkmail schon Apppetit. Noch 1200 Meilen.

AKKA auf Shiptrak

Jacaré, 2.12. (jaja, immer noch!)

Wer Lust hat unsere Position auf einer netten Google-Weltkarte zu sehen, der kann das jetzt tun. Auf der Homepage haben wir eben das Link zu Shiptrak gesetzt. Warum ausgerechnet auf der Äquatorstrecke die Positionen fehlen, ist uns nicht bekannt – vielleicht können wir die noch wieder reinbasteln, aber eindrucksvoll ist die Karte allemal. Da sieht man mal, wie nahe wir doch noch am kühlen Deutschland sind!

Nachtrag: Das Rätsel mit den fehelenden Positionen ist schon – halbwegs – gelöst. Es liegt laut Shiptrak daran, dass ich nach Ankunft in Brasilien nur noch eine Position gesendet hatte und niemand unsere Postion auf Winlink gesucht hat, sondern, falls überhaupt, über das Intermar-Link. Wenn Winlink „merkt“, dass ein Boot verwaist ist, werden die Positionen nach 28 Tagen gelöscht. Nun haben wir ein hübsches Loch in unserem Track, aber das macht ja wohl nichts.

Weitermachen – die Leser mit Adventsvorbereitungen, wir mit „Fertigwerden“!

Zahnarzt und Staulisten und andere Freuden

Jacaré, 30.11.2008

Ganz langsam werden wir fertig. Soeben (Sonntag!) kommt Philippe, der Marinaeigner und bringt das Paket vorbei, in dem unsere Post und die neue 500 GB-Festplatte stecken, Sachen, die uns Traudl aus Deutschland nach Brasilien geschleppt hat. Mit dem Tracking von Postsendungen ham wa’s ja hier – das Päckchen ist sicher seit Freitag hier, aber im Tracking steht es seit 24.11. auf „encaminhado, Em trà¢nsito para CTE RECIFE“. Na, wenn es auch ohne Tracking ankommt, soll es uns ja egal sein. Blue Songs Ankerwinde ist auch da, so sind alle zufrieden; außer mir, ich hätte gleich zwei solche fetten Festplatten bestellen sollen.
Andreas berauscht sich während ich die Platte füttere (und Blog schreibe) an Rechnungen der Energiewerke Isernhagen und neuen Steuernummern. Aufwühlende Post, wie er sagt…

Seit Freitag nimmt die Aufbruchstimmung zu – ich habe Proviant gekauft, mal wieder nur mit einem peripheren Plan, aber voll sind die Schapps jetzt definitiv. Tomaten in Dosen gibt es nicht, und dabei schreibt Bernd aus Trinidad, dass Tomaten in French Guyana 15 ‚¬ pro Kilo kosten. Wir werden auf Papaya-Gemüse umsteigen müssen. Der Einkauf verlief ein bisschen kompliziert: mit dem Bus zum Carrefour, nur dort gibt es das Steviapulver für eben jenen Bernd, der eine Jahresdosis nach Trinidad geordert hat. Bei der Gelegenheit fiel mir auf, dass die Preise im Carrefour eigentlich ein bisschen hoch sind; also doch kein Provisioning beim Carrefour, sondern zurück nach Intermares! Und so ging dann der Maximalumsatz des Tages an den örtlichen Litoral-Supermarkt. Da kriegt man auf die billigen Preise auch noch Rabatt auf Barzahlung und eine Taxifahrt mit dem ganzen Gerödel „on top“. Es grinst die Bordfrau zufrieden. Brasilianischer Kaffee ist nun im Übermaß an Bord; wir erinnern uns an die verzweifelte Suche nach nicht-Instantkaffee in der Karibik – wahrscheinlich können wir dort mittlerweile in gemahlenem Kaffee baden, die Globalisierung hat bestimmt vor Grenada und Co. nicht Halt gemacht. Dennoch – die gebunkerten 50 Pakete werden ein Weilchen reichen. Verschiedene Mehlsorten für anheimelnde Brote, und „die Sache mit dem Konus“ wurde auch wieder belebt, alle PETflaschen sind wieder voller Fettucine und Spaghetti. Hatte ich dazu schon mal gesagt, dass ich das eigentlich ausgesprochen praktisch finde? Es kommt immer eine Portion Nudeln aus der Öffnung! Das Prinzip bleibt bestehen…
Seit Freitag sind wir auch mit unseren Zahnbehandlungen fertig – sehr nettes Gefühl, wir haben nämlich einen englisch sprechenden Argentinier ausgegraben, der hier ganz in der Nähe seit 4 Monaten eine Praxis betreibt und Verständnis dafür hatte, dass wir „mal ganz rasch“ alles durchgeguckt haben wollten. Guillermo Gutierrez und Frau Kenia, der Doctora der Parodontologia. Mit Andreas hat er sich ganze 10 Stunden beschäftigt, samt Extraktion und was allem dazu gehört; ich hatte an die 3 Stunden auf der Uhr – was aber auch daran liegt, dass die Praxis eine one-man-show ist, sprich: keine Helferin mal einen Bohrer wechselt. Und dann geht ein Teil der Zeit auch noch auf Kosten der Tatsache, dass wir Kurzabrisse in brasilianischer und argentinischer Geschichte erhielten, über Kultur und Unkultur in Brasilien berichtet oder Lebensgewohnheiten im Allgemeinen geschildert wurden; Karneval, Kriminalität und Eitelkeiten, Lula, Chavez und Morales. Hatten wir alles. Das alles auf englisch-portugiesisch-spanisch, und dem Patienten bleibt nichts anderes übrig als ein nasales „…ngngnng! Gaa, gaaaa!“ von sich zu geben, abwehrend oder bestätigend, ganz nach Wahl. Gefallen hat es uns allemal – erschwingliche Leistungen, beruhigende Ergebnisse und unterhaltsamer Aufenthalt. Und nun lächeln wir mit dem brasilianischsten aller Lächeln in die Welt – ein ganz breites mit polierten Zähnen. Einer der Kernunterschiede zwischen den Brasilianern und den Argenitniern: letztere halten sich nämlich eher die Hand vor den Mund. Sagt Guillermo.

Zähne wollen wir dann demnächst auch dem Atlantik zeigen. Wenn wir den täglichen Funkrunden mit der Present Glauben schenken dürfen, wird es zeitweise ganz schön windig. Und Welle hat’s auch. Aber nur zeitweise.

Drum ist jetzt Schluss – ich muss unsere Seebeine raussuchen. Wo hatte ich die noch mal gelagert?? Beim Roggenmehl?

Die einen kommen, die anderen gehen…

Es fing heute leicht emotional an: Tröten und Winken für die PRESENT. Fort sind sie, auf dem Weg zu den Guyanas. „We will miss you“ hatten wir schon gestern abend ausgetauscht und dabei ein Glas Champagner geschlürft; ich hatte dazu extra meine geheime Plastikkiste mit den Mundgeblasenen herausgekramt. Wat man nich‘ alles so mitschleppt – aber dies war ja auch ein würdiger Anlass. Zur Niedrigwasserzeit und nach dem Funk-Sked mit der Petite Fleur, denen es in den Iles de Salut vor französisch Guyana nur allzu gut zu gefallen scheint, kamen sie herübergerudert. Schon am Samstag waren die beiden im Fluss vor Anker gegangen, eine Art kleine Abreise, bei der wir die Leinen bedient hatten, und die bei mir schon dieses ganz leichte „bald geht es los“-Kribbeln erzeugte; aber Len und Janna waren eben schon ein Stück weiter, die Schapps gut gefüllt, alles gecheckt – los! Ein letztes Mal Klönen im Cockpit, das letzte Glas, die letzten „kleinen Mundvoll“, der versprochene „big hug“ auf dem Steg und dann „…auf Wiedersehen!“. Wir wollen es hoffen; geschlagene 7 Monaten haben wir jetzt in Sichtweite in Jacaré gelegen (naja, wir waren mal kurz 3 Monaten in den Anden, aber sonst…), 2 Wochen Transäquatorreise immer in Funk- wenn schon nicht Sichtweite hinter uns gebracht, gemeinsam Gambia River bereist und Dakars Dreckwasser genossen. So wie wir uns in Cascais kennengelernt hatten, verschwanden die beiden im Dunkeln: rudernd in ihrem Portabot.
Vielen Dank, Ihr beiden, für viel nette Gesellschaft, für noch mehr gute Tipps, Gespräche und Motivation, für gemeinsame Schwimmengehen und andere Späße mit Janna, für’s Verbinden eines abgerissenen Zehennagels, Funkberatung in Sachen Computer, Berge von Movies… Und nicht zu vergessen das viele Gelächter.
Vielleicht klappt es ja irgendwann mit der gemeinsamen Durchquerung des Panamakanals … Wir wünschen Euch jedenfalls eine gute Reise nach Suriname!

Wir basteln nun weiter an unserer Abreise – einen kleinen Schreck zuvor gab es gestern: die erste Schabe dieser Reise IM Schiff; draußen hatte es schon einmal eine gegeben, aber drinnen, nee… Jetzt wird gegraben und Goliathgel verteilt. Noch jemand ist angekommen – eine wunderschöne Grabwespe, die an meinem „Großen Liederbuch“ ihr Nest bauen musste. Ich dachte, sie raspelt sich Papier vom Umschlag ab und ließ sie gewähren; als ich heute vom Stadtgang mit Sabine/AIKANE und einer Runde Kartenkopieren zurück komme, hat Andreas den Niedergang zugehängt und das Buch steht draußen. Nix „Material abtragen“ – Material hinzufügen war angesagt: die Wespen-Laube war schon fertig. Und wie man sehen kann, fand die Wespe auch am „Schiffbruch mit Tiger“ Gefallen.

Was nun noch kommen muss, ist das Paket mit der neuen Festplatte und der Post – ist aber schon auf dem Wege. Und dann sind wir auch bald reisebereit. Wie schon gesagt: es kribbelt schon, ein zwischen angenehm und sehr gespannt angesiedeltes Kribbeln. Die Strecke ist mittellang, fast so lang wie die Äquatorreise. Erste Etappe: Kourou – wir müssen doch Ariane gucken. Aber bis dahin….

Der Winter ist vergangen…

… wir seh’n des Novembers Schein. Ganz klar: die Brasilianer kommen hier im Nordosten aus ihren Winterlöchern – wie mag das nur da sein, wo es wirklich (ein bisschen ) kühl wird während der Wintermonate, in Santa Caterina und Co.? Pedi fragt per Mail, ob denn der Weihnachtsmann auf der AKKA auch durch den
Schornstein kommt. Wir wissen es nicht, wir haben gar keinen Schornstein, wir brauchen keinen und werden den Nachweis so nicht führen können, es sei denn, der W’mann quetscht sich durch den Auspuff.
Die Stimmungsänderung, die mit dem Temperaturanstieg um geschätzte 3 ° einhergeht, zeigt sich an verschiedenen Stellen: Die Straßenverkäufer in Joao Pessoa haben sich seltsam vermehrt – mehr Cocoswasser, mehr Süßigkeiten, mehr Zigarettenbauchläden. Die Madels legen richtig los mit den freien Hautstellen! Am Wochenende ist das Leben auf AKKA unruhig; ab Freitagnachmittag wird fahrbaren Untersätze mit den vielen PS aus dem Bootslager geholt, und dann geht es ganz langsam an unserem Steg vorbei, die Bässe wummern dazu. Denn sie wissen nicht was sie tun, kann man da nur sagen – Verdrängerfahrt von „meiner ist länger“ ist so schlimm wie mit dem kleinen Spaßbötchen und „volle Granate“ über den Fluss brausen. Achtungsabstand hin oder her, wir tanzen in den Leinen. Ochsen, oder genauer geschildert, ein befreundeter Co-Segler springt des Abends an Deck und schreit schon mal „…you buggers!“. Nein, nicht die Present…
Zur Entspannung gehen wir sonntags da hin, wo alle nicht-Bootsfahrer hingehen – ins Manaà­ra Shopping Center, Computerfragen lösen. Der Konsumpalast ist nochmals um ein paar Grad weiter runtergekühlt, wunderbar; JETZT wäre es an der Zeit, die Eisbahn zu aktivieren, die uns im Juni/Juli hier erfreut hat. Aber nein, die musste der Weihnachtslandsc aft weichen, und alle Kindlein in Hot Pants und Flipflops müssen zwischen Polyethylen-Watteschnee beim weiß gekleideten Weihnachtsmann und seiner Frau (?!?) auf den Knien hocken und schöne Fotos machen lassen. Es glitzert und blinkt und natürlich tönt es auch. „Fröhöhöliche Weihnacht überahall“, Rudy the rednosed reindeer ist unterwegs und lässt seine Glöckchen klingeln. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir das so erleben, aber es bleibt merkürdig. Das Weihnachtssaisonbild in uns ist eben doch schwer in Winterstimmung betoniert. Entsprechende Mails kommen aus D’land. Aber wir vermissen die „wahre Adventsstimmung“ nicht wirklich. Vielleicht den einen oder anderen freundlichen Leser hier, aber Weihnachten in Südamerika geht auch sehr gut, und bis dahin sind wir sowieso in Guyana. Noch ein bisschen näher am Äquator. Was singen wir dazu?
„Summertime“…