Butter bei die Fische

Frisches Gemüse für Great Guana Cay

Nassau, 24.4.2022

Yeesss, gemein, so lange zu schweigen, aber immerhin: wir leben noch.

Die Zeit in den Bahamas neigt sich schon dem Ende zu. Irgendwie werde ich – alte Leier – dieses unbeschreibliche Blau vermissen. Und unser Rumdödeln vielleicht auch.

Eines netten Sonntags vor langer Zeit verlassen wir die Exumas durch den Dotham Cut. Der Eigner hat sich es sich nicht nehmen lassen, dumme Fragen in der Facebookgruppe „Bahamas Land&Sea“ zu stellen, wie das denn nun ist mit den Tidenzeiten und den Strömen ist (dabei meistern wir das alles ja nun schon ein paar Jahre, so oder ähnlich). Toll, was man oder frau da für Antworten kriegt, alles eher allgemein gehalten, aber es gibt auch die, die raten daheim zu bleiben, wenn einen so etwas bewegt. Nein, wir wollen nur altengerecht und eben unbewegt durch den Cut fahren, kein Wind gegen Strom und damit keine resultierende Mörderwelle – es geht rein um den Zeitpunkt. Am besten war eigentlich in diesem Zusammenhang, dass wir bei Abfahrt aus Nassau in Richtung der Exumas auch schon nach Tidenverhältnissen für die „Yellow Bank“, ein Flachgebiet mit vielen Korallenköpfen, gefragt hatten. Ich konnte mich dann an einem bestimmten Punkt („I wonder how you can ask such a question with your sailing resume“. Döspaddel.) nicht enthalten, eine Antwort dahinzuschnoddern (… „Tonga Trench is easier. Only that you have drifting pumice islands“.)  Doofe Fragen sind immer unterhaltsam.

Bohog & The Rooters.

Egal, wir treffen den Dotham Cut natürlich zum richtigen Zeitpunkt. Wir halten für ein paar nette Tage in New Bight auf Cat Island, wo uns die Segler-Community einholt. Lisa aus South Carolina klopft an, ob wir nicht am Abend zum „Rake ’n Scrape“ an Land kommen wollen. Na jut, mit dem Argument, es sei für die Ortsansässigen, lassen wir uns breitschlagen. Die Runde entpuppt sich als fröhlicher Binational-Paarmix, US-Deutsch (Lisa und Stefan), Kanadisch-Ungarisch (Dave und Maryann), Kanadisch-Deutsch (Bill und Brigitte). Plus zwei Langweiler deutsch-deutsch und US-US (aus dem total maritim-marinen Arizona). Brigitte freut sich darüber, dass nach 20 Jahren im Exil endlich mal wieder Leute „Brigitte“ sagen können, und im Nebensatz stellt sich heraus, dass Brigitte in Altwarmbüchen gelebt hat, Seerosenring meets Kleiststraße. Witzig. Nach dem Essen und Plaudern Rake ’n Scrape  mit „Bohog & The Rooters“; Akkordeon, schlichte Percussion und eine gebogene Säge.  Das ist noch viel witziger als der Seglertisch und ziemlich „local“, zumal die Säge uns zuvor das Bier serviert und die Trommel für uns gekocht hatte.

Es folgt die Insel Eleuthera. Auf dem Weg ein Übernachtstopp vor Little San Salvador – eines der hier üblichen Horrorgemälde für Kreuzfahrerbespaßung, mit Koggennachbildung und vielen Burger- und Bierständen – macht nix, wir gehen sowieso nicht an Land, der betreffende Kreuzfahrer ist auch schon abgerückt, und nur ein bisschen Baumaschinenlärm vom fernen Ufer stört die subtropische Ruhe – Carnival, oder wem auch immer die Insel gehört, (genau, richtig, es sind private Inseln nur für Kreuzfahrer!) muss ja gucken, dass die Passagiere bei Laune gehalten werden, wahrscheinlich wird eine neue „Yihaaa-Riesenrutsche“ gebaut. Oder so.
Für seglerische Unterhaltung sorgt unser Ankermanöver in Eleutheras Rock Sound-Bucht, laut Seekarte an einigen Stellen „bad holding“. Da hat die Seekarte recht – wir haben selten mal 4 Versuche gebraucht, bis der Haken hält. Interessante Abwechslung, aber wir sind nicht allein mit dem Problem, nur dass die meisten entnervt abrücken –  so bekommt man einen feinen Ankerplatz ganz für sich. Nur die Taimada, die wir aus Trinidad kennen, liegt verträumt in der Gegend. Nach ein paar Nächten Umzug vor den Ort, wind- und vorratsbedingt. Schöner Supermarkt, zwei nette Restaurants, Eisladen. Nur Rake ’n Scrape fehlt.

Mittlerweile sind wir in Nassau zurück, via Highborne Cay – ein letzter Stopp auf den Exumas. Letzter Stopp? War da nicht was mit „nächstes Jahr nochmal Bahamas vor der Reise zu den Azoren“? Ja, war es. Um „Butter bei die Fische“ zu machen: wir hatten ein paar stille Tage. Bedrückt. Ein bisschen verwirrt. Ich hatte ja schon öfter angedeutet, dass uns die Energie ausgeht, und nun konnten wir schon den Boden in unserem Fass mit Energievorrat sehen. Macht es Sinn, ein weiteres Jahr anzuhängen? Dann sind wir noch ein Jahr älter – und segeln kann ja auch anstrengend sein (wir hatten gerade eine Episode „Wassermacher“, auch das ist anstrengend; in Sachen Technik war diese Saison sowieso vielfältig, um es milde zu sagen!). Was sind die Alternativen? Andere verschiffen ihr Boot nach Europa. Das fragen wir mal an, die Ostertage geben derweil Gelegenheit weiter zu diskutieren. 2 Tage danach kommt das Angebot, das so mancher vielleicht nicht ablehnen kann: West Palm Beach-Eemshaven/NL für nur 28.500 € („Wasser-Wasser“ wie es heißt, also plus Abfertigung und Zoll, Unterkunft, Flüge, Mietwagen etc. ). Ein Schnäppchen, quasi, und Akka hätte sicher gefallen, zwischen Superyachten zu stehen. Für manchen toll, nicht für uns. Alternative zwo: Akka wird in den USA verkauft. Wir fragen beim Broker in Deltaville an, und die sind geradezu begeistert („Kommt! Der Markt ist leer!“) und überschütten uns schon mit Anweisungen, was zu tun wäre (Import, Ausrüstungslisten, aber allem voran: Schiff ausmisten, schöne Fotos machen) – und an dieser Stelle trifft uns der Schlag: plötzlich ist die Idee real. Wollen wir das? Wirklich? Der Schlag geht absolut in die Magengrube, wir sind ein bisschen geschockt. Nee, wollen wir nicht. Alternative drei: zurück zum alten Plan – wir gehen mit Akka in den nächsten Tagen oder Wochen nach Bermuda, von dort auf die Azoren und weiter in die Ostsee, oder wohin auch immer es uns verschlägt. Sollte uns schon wieder die Energie verlassen, dann stellen wir sie einfach wieder bei der Marina Oostwatering ab, wo wir sie anno 2003 eingesammelt haben.  Deal!

Jetzt sind wir schon auf den Abacos, ein kleiner Schritt weiter Richtung Bermuda. Es gilt die Einreisevoraussetzungen zu schaffen, 4 Tage vor Ankunft will man dort einen negativen Covid-Test sehen. Also, nix wie ran!  Ist alles gleich um die Ecke. 4.500 Meilen* bis Cuxhaven. Es geht vorwärts-nordwärts-ostwärts!

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Ich empfehle, in Sachen Distanz die Flora zu verfolgen. 4.300 Meilen Galapagos-Hawai’i. Läuft gerade. Und „läuft“. Seit heute früh liegt der direkte Kurs wieder an.
Und eine andere Art der Distanz bringt gerade die Atanga hinter sich. Lieber nicht…