Port Elizabeth, 13.1.2016
Schwiieerig! Schwierig, dieses Südafrika!
Ich komme gerade aus der Dusche, nach 3 Seetagen immer prima, und der Algoa-Bay-Yachtclub bietet da etwas in dieser Richtung. Mit heißem Wasser . Geräumig, hell und sauber. Super, auch wenn Meckerpötte das Gegenteil behaupten. Aber ehe man die Dusche erreicht, gibt es schon einen Schnack auf dem Steg… „… na, wo is‘ man denn ssu Hause?! Ick bin schon seit viele Jahre hier! Wat? Hannover? Na, juut, kleene Stadt, aba immahin trinken se da schon Cola! Ick mein‘, dit is in‘ Osten ja furchtbar, jottseidank schicken se nu‘ all dit Jesindel hin…“
In was für einer Schublade sind wir denn hier gelandet? Maannn. Zusätzlich haben wir gestern schon Berühmtheit erlangt, weil ich die freundlichen Leinenhelfer angebölkt habe. Ich bitte einen, die Spring über die Klampe zu legen, „… und bitte nichts weiter!“ , der drückt daraufhin die Leine einem Kumpel in die Hand, und während Andreas in die Spring fahren und ich die Spring derweil fieren will, belegt der wache, aber nicht über unsere Absichten informiert Geist am anderen Ende die Leine. „Nooo, please – untie it! Please!“ „Wir können auch deutsch sprechen, Frollein! Und außerdem, ich wollte doch nur helfen.“ „Super, danke!“ Wir wollten doch nur anlegen… Und ohne so ein „Hauptsache irgendwie fest“-Ding.

In der Lüneburger Heide. Oder Allgäu
Na, juut, dann jetzt chronologisch weiter!
Die Fahrt von Swaziland zurück nach Südafrika war so: Piet Retief, einkaufen, unterwegs ein Waldrand-Picknick mit Buchung des nächsten Hotels (übrigens empfehlenswert: B&B „Chez Nous“ in Dundee!). Und dann durch die Mitte. Die Mitte von Deutschland, Lueneburg, Braunschweig. Eigentlich hatte das Picknick in Hermannsburg stattfinden sollen, aber irgendwie lag das dann doch nicht so direkt am Wege. Hier haben die deutschen Missionare (und die schwedischen!) reichlich Spuren hinterlassen, es gibt – tz.B. The Larsen-Filter-Memorial – typisch kaiserliche Mahnmäler für in den Zulukriegen Gefallene, und die Farmen, an denen wir vorbeirumpeln (der Cityhopper braucht unbedingt unbefestigte Straßen!) sind nicht von schlechten Eltern. Filter, Beneke, Gevers. Alles durchmischt mit kleinen Ansiedlungen der Arbeiterfamilien, Kleinbusse, die kwela-kwelas, preschen durch die Landschaft, voll beladen und noch voller besetzt – es ist der Samstag zum 4. Advent. Und diese Landschaft ist durchaus atemberaubend, man kann sich vorstellen, dass ein Siedler-Missionar aus dem 19. Jahrhundert hier eine Art Paradies vermutet hat. Weite Hügelformationen, teils Wald, teils Weidewirtschaft, hohe Berge am Horizont. Nach vielen, vielen Kilometern und einem gerüttelt Maß Zweifel, ob diese Straße nun doch für Cityhopping geeignet ist oder nicht, erreichen wir die Asphaltstraße, die uns nach Dundee führt.
Das ist eine Gegend mit einer überaus kriegerischen Geschichte: in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts waren die Buren der britischen Regeln in der Kapprovinz überdrüssig geworden waren – die Briten hatten freie Weiße und Schwarze gleichgestellt und verfolgten nun auch noch die abwegige Idee, die Sklaverei aufzugeben! Nun gut, sie waren auch sonst dominante Kolonialherren über Schwarz und Weiß (nämlich die Buren oder „Afrikaaner“), die Afrikaans als Amtssprache, vor allem aber als Gerichtssprache unterbinden wollten und mehr. Also machten sich die „Voortrekker“ in Richtung Osten, ins Landesinnere, auf und gründeten im Laufe der Jahre 3 burische Republiken, Natalia (das sie ganz schnell an die Engländer verloren), TransVaal und den Oranje Freistaat. Alles zum Ärger der dort ansässigen Zulus, die sich nach Kräften bemühten, ihre traditionelle Kriegsführung gegen die Eindringlinge straffer, militärischer zu organisieren. Was ihnen gelang, zum Beispiel brachten sie einen der Haupt-Vortrekker, Piet Retief, um, bis sie am Ncome-Fluss eine schreckliche Niederlage erlitten, denn leider (oder glücklicherweise) war der Schusswaffengebrauch in ihren Bemühungen noch nicht inbegriffen. Wir waren da – der Ort heißt Bloed Rivier, also Blutfluss bzw. Blood River, und es gibt zwei Museen. Das burische, das mit einer Wagenburg aus 64 bronzenen Ochsenkarren aufwartet sowie einem überdimensionalen steinernen Karren, auf dem das Gelöbnis der Trekker abgebildet ist, das täglich neu ausgesprochen wurde. „…wenn wir obsiegen, dann ist dies Gottes Wille, und wir werden ihm dafür ein Gotteshaus errichten.“ So etwas in dieser Art. Am 16. Dezember

64 Ochsenkarren
1838 kam es dann zur Schlacht, die Zulus unter Dingane in einer Übermacht von 1:50. 470 Buren gegen 20.000 Zulus und mehr. Die Buren gewannen dank dreier Kanönchen und einiger Gewehre, und der Ncome-Fluss hieß fortan nicht ohne Grund Blutfluss. Ein schrecklliches Gemetzel (was auch mehrfach verfilmt wurde…). Dies war eine der großen Schlachten im Krieg zwischen Buren und Zulus und ist bis heute einen Nationalfeiertag wert: erst war es der Tag des Gelöbnisses,

Schwülstige Erinnerung an den Sieg
„Covenant Day“, dann, nach 1994 für eine Weile in Erinnerung an die Zulus „Dinganes Day“, heute ist es der Tag der Aussöhnung. Schwierig, dieser Platz, mit all der heroisch-burisch-nationalen Geschichtsaufbereitung. Aus meiner Sicht ist das Burenselbstverständnis absolut abstoßend, allein schon, weil die Überzeugung vorherrscht, man könne schreckliche Verbrechen einfach wegbeten. Wen wundert, dass das Ncome-Mahnmal gegenüber immer wieder für Zulu-Nationalismus missbraucht wird?
Nächste Station: „Der“ Burenkrieg. Eigentlich der 2. Anglo-Boer War, es gab schon einen in den frühen 70er Jahren.. Briten gegen die Buren, die Deutschen für die Buren, dazu Russen, Amerikaner, Schweden… ein Kolonialpolitklassiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Engländer hatten sich einen Sonntagsspaziergang durch diesen Krieg vorgestellt, der dann im Endeffekt 3 Jahre dauerte, über 20.000 Tote auf ihrer Seite kostete und den Einsatz von mehr als einer halben Million britischer Soldaten, gegenüber 88.000 Buren, die militärisch 7.000 Totel zu beklagen hatten – aber dank Konzentrationslagern und einer grausamen Politik des verbrannten Bodens durch die Engländer fast 28.000 in der burischen Zivilbevölkerung dazu.
Zu sehen sehr schön scheußlich außerhalb von Dundee am Talana Hill. Dundee zeichnet sich durch eine Vielzahl von historischen Führungen aller Art aus, und wer militärhistorisch interessiert ist, wird sich die Armeeaufstellungen und Scharmützelplätze dort haarklein erläutern lassen, andere konzentrieren sich auf den Anglo-Zulu-Krieg, oder auf den Bürgerkrieg der Zulus… Blutiges Land. Wir ließen es beim Überblick, aber wer ein paar Stunden Zeit erübrigen kann, sollte keinesfalls das kleine „Ladysmith Siege Museum“ auslassen, wo man alle Perversitäten der Belagerung von Ladysmith verfolgen kann. Meine persönliche Essenz aus all dem ist der Spruch eines der führenden britischen Offiziere: „… diese Höhe einnehmen? Aber wozu…“
Wenn schon Ladysmith, dann halte ich es lieber mit den Ladysmith Black Mambazo. „…ahoummmm, ahoummm…“ Wunderbarer Background-Chor auf dem Graceland-Album von Paul Simon. Müsste man mal wieder hören.

Sanipass
Wir waren also „out-parked“ und danach „out-historied“, also nichts wie ab in die herrliche Bergluft an den Drakensbergen. Tagesausflug den Sanipass hinauf zu den Basuto, Spaziergänge durch grüne Weidelandschaft, eine Runde Golf auf dem Hotelgolfplatz – der war ein bisschen heruntergekommen, wie das ganze „Resort“ aus dem Jahre 1958, so fiel auch gar nicht auf, dass ich mit einem abgebrochenen Ast unsere Trinkwasserflasche auf’s Grün schlug, wir waren ohnehin die einzigen „Golfer“. Ein schöner Ausflug – uns kam zum Weihnachtsfest die leicht koloniale Stimmung am Kaminfeuer und das prächtige Essen gerade recht. Sehr nett.
Und dann: AKKA. Home, sweet home, bevor wir sie wieder in „boat, sweet boat“ wandelten und über Nacht nach Durban segelten. Ohne nennenswerten Strom übrigens, obwohl doch der Agulhas-Strom gleich vor der Haustür liegen müsste. Der Point Yacht Club hat die gleiche, klapperige Steganlagenarchitektur wie Richards Bay, und mittlerweile stellen wir fest, dass Marinaanlagen ohne Poller, nur mit Ketten verankert, in Südafrika die Konstellation der Wahl sind. Man gewöhnt sich an allem…

… der Ponton ist kilometerlang…
Durban war mittel-klasse, irgendwie haben wir ja doch einen Afrikanagel und mir reicht zu meinem Glück schon vollends, einfach durch’s Gedränge zu schieben, ein bisschen Kolonialgeschichte zu begucken, sich dem Konzert der schrill pfeifenden Türschieber an den kwela-kwela-Bussen hinzugeben, die nicht nur pfeifen oder schreien, sondern auch ohrenbetäubend auf Motorhaube oder Tür hauen. Je Krach, umso Fahrgast. Die

Unvermeidlich…
Türschieber schieben übrigens weniger die Tür selbst, denn die geht häufig sowieso nicht zu, nein, sie schieben mehr die Fahrgäste durch die Tür… und wenn man nicht aufpasst, holen sie einen mitten auf dem Fußgängerüberweg ab und verfrachten einen in ein kwela-kwela in eine Richtung, in die man gar nicht will. Kurz: Durban ist spannend, wild und spaßig. Nicht immer. Wir haben in unserem Leben noch nie so viele Warnungen gehört, was man alles nicht tun soll – und ganz ehrlich, ich war Trinkwasser holen gegen 18:00, und da die Läden geschlossen hatten, musste ich ein Stück die große Einfallstraße am Hafen entlang laufen, rechts Bahnlinie und alter Baumbestand, AKKA im Hintergrund (der Ponton ist kilometerlang!), nach links Gebäude von praktisch-modern über Art Déco zu kolonial-viktorianisch. Nicht schlecht anzuschauen – aber wenn sich gegen Sonnenuntergang die Straßen leeren, fängt man doch an, von Eingang zu Eingang zu peilen, schätzt die Wachleute ab, die dort sitzen und beschleunigt im Endeffekt die Schritte. Allzu viele arme Leute kommen in die Stadt, schlafen in den Parks oder in Hauseingängen, und wenn dann so ein Yachtie-Dussselchen mit großem Rucksack (mit 2×5 l Wasser drin…) vorbeikommt… wer weiß!? Die Warnungen hören wir von allen Seiten, und sie wirken. Andererseits fragt man sich, wieviel davon traditionelles Gerede ist. Kommt Robert, ein deutscher Exilant an die AKKA und begrüßt uns, ist ja immer nett mal deutsch zu reden. „… was, einkaufen?! Ja klar, ich fahre Euch in die Mall! Tolle Malls und gute Supermärkte!“ Hm, so hatte ich die Frage nach Supermärkten nicht gedacht. „Nein – in die Stadt könnt Ihr nicht zum Einkaufen. Da gibt es nichts in den Supermärkten, das ist alles für die Schwarzen…“ Yihaa, here we go. Also, wir waren in der Stadt, und wir sind als Weiße die absolute Ausnahme, aber die Supermärkte sind sehr gut, Shoprite hat alles Notwendige, Woolworth „Central“ noch ein bisschen mehr, und ja, es stimmt, die Supermärkte in den Malls sind noch besser; übrigens Malls, in denen immer noch die natürliche Bevölkerungsschichtung erkennbar ist. Reicher schwarzafrikanischer Mittelstand tummelt sich im „Gateway“ oder dem „Pavilion“. Und doch fragt man sich – wieviele von den Anwesenden sehen uns und halten uns für weiße Armleuchter? Richtig erlebt haben wir das nicht, nur andersherum, denn weiße Südafrikaner lassen kaum eine Gelegenheit aus, sich entsprechend abfällig über ihre schwarzen Mitbürger zu äußern.
Und so sind wir denn in Port Elizabeth gelandet. Gerade ist die „Alwine Oldendorff“ an den Kai gegangen, das gibt, wenn man den Gerüchten glauben darf, Schweinerei. Es wird Eisenerz und Mangan verladen, und der Staub verteilt sich wunderbar über alle Yachten. Heißt es. Wir sind gespannt.
… übrigens war ich heute in der Stadt. Zu Fuß, und komme beladen vom SuperSpar zurück. Schicker Supermarkt, und da gibt es vieles für Weiße, die haben nämlich hier plötzlich wieder die Überzahl im Straßenbild. Der Weg ist weit, ich kürze ein bisschen ab, gehe über einen Trampelpfad die grasbewachsene Böschung dem Hafentor entgegen. Halten mir zwei Männer an, solche mit der politisch korrekten, dunklen Hautfarbe: „… wir werden Dich beobachten, bis Du im Hafengelände bist, Du kannst hier nicht einfach so rumlaufen. Da hinten in den Abbruchhäusern wohnen Leute, die Dich ausrauben wollen…“
Sagt mal, wo bin ich denn? In der Stadt. In Port Elizabeth. In Südafrika. Schwierig.