Eine Busfahrt

Huancavelica, Samstagnachmittag.
Draussen regnet es. Und kalt isses auch – es hat gehagelt! Ausgerechnet als wir uns auf den Weg machten, die naechste Busverbindung zu erkunden. Abwarten und Teetrinken, in diesem Fall mal Anistee. Der dazu servierte Kuchen war so reichlich, dass der Hauptabnehmer ein Abendessen fuer heute in Zweifel zog. Man hat es nicht leicht.

Die naechste Busfahrt startet, wie sich herausstellte, morgens um 04:30 und wird allem Anschein nach mit Kind, Kegel, Moehrensack und Huehnerkaefig stattfinden. Wir werden es sehen.

Schon die letzte Fahrt dieser Art war ein Erlebnis – nicht nur, weil man die Landschaft zeitweise von ziemlich weit oben betrachten konnte. Um 10 Uhr morgens sollte es losgehen mit Ticllas Transportes in Huancayo – wir sind da ja nicht soo anspruchsvoll und rechnen immer mal mit ein bisschen mehr Zeit. Nicht so die Mitreisenden, die wohl nur auf dem Ueberlandbus Huancavelica sassen, weil der Zug (den wir auch benutzen wollten), bis irgendwann im Oktober nicht faehrt, sehr zum Leidwesen des alten Eisenbahn-Spaehers Andreas… Wir lungerten also ein  bisschen in und vor der Wartehalle rum, vertrieben uns die Zeit mit Raetselraten ueber die globalisierte Welt: Frauen in Tracht verkaufen 1€-Uhren aus China! Maenner auch und halten ein Schwaetzchen.. Und alle beteuern, dass unsere Reise ein wirklicher Traum sei…

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Nach einem ersten Tumult unter den Reisenden werden wir von einem Wachmann 4 Blocks weitergeschickt, wo der Bus auf einem Hof stehen soll – gluecklicherweise konnten wir die Rucksaecke auf ein Dreirad laden. Am Bushof wird tuechtig geladen, vor allem Reis- und andere Saecke und undefinierbares Gruenzeug.

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Der Bus ist nicht ganz voll, wir koennen einen Fensterplatz beziehen, und dann geht es los. 40 Minuten Verspaetung, nicht wiklich der Rede wert. Der Rede wert allerdings der Vortrag, den wir als erstes einmal kriegen – wie schnell man doch auf „no hablo español“ umsteigen kann ;). Ein krueckenbewehrter Mann steht im Gang und erhebt seine durchdringende Stimme: „Gesundheits-Prediger“ wuerde ich das nennen. Zunaechst mal wird einem die Hoelle heiss gemacht – Verstopfung, Nierenbeschwerden, Kopfschmerzen, Uebergewicht – und dann wird die Noni-Keule geschwungen. Kleine Probentuetchen machen die Runde (gluecklicherweise verzichtet Andreas mal auf seine Beteuerungen, dass die Señora Spanisch spricht 😉 ). Verkaufsveranstaltung mit Krankheits-Ablasshandel. Nur 14 Tage „Noni“ repariert alles, Prostata, Menstruationsbeschwerden, Appetitlosigkeit. Klasse! Wir kaufen nix. Spielverderber.

Zwischenzeitlich wird es auch schon mal unruhig – der Bus schraubt sich die Serpentinen am Ende des Mantarotales hinauf; nicht dass es irgendwie zu eng an den immerhin doch existierenden Leitplanken entlang ginge oder aehnliches – nein, ab und zu haelt der Bus, wie unverschaemt! Polizeikontrolle! Und schon geht das „vamos, vamos“-Geschreie der Mitreisenden los, es wird mit den Fuessen getrampelt und an die Scheiben geklopft. Im Verlaufe der Fahrt verstehen wir ploetzlich, warum die Fahrerkabinen in Peru abgeteilt sind – der Fahrer muss vor dem wuetenden Mob hinter sich geschuetzt werden.

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Vamos!  Es wird lautstark diskutiert, dass der „Tren Macho“ das besser kann und wann wir wohl ankommen. 4 Stunden Fahrzeit versprach die Busgesellschaft, tapfer. Die Mitreisenden tippen auf 6 oder 7 und dann wird ordentlich gekakelt. Derweilen schaukelt uns der Bus ueber ziemliche Hoehen, wir sehen karges Andenhochland, eine wundervolle Vielzahl an nett anzuschauenden Viechern, vor allem Esel aller Altersklassen und Schweine, dicke oder sportliche, junge, alte. Kuehe mit Kaelbern. Und die zugehoerige Besitzerschar, vor allem, fast ausschliesslich, moechte man sagen, Frauen. In Tracht natuerlich. An den Haltestellen – der Noni-Mann ist in Izcuchaca ausgestiegen – kriegen wir Besuch von anderen Verkaeuferinnen, die gern ein paar Kilometer mitfahren. „Chicarrones, chicharrones“, „chiclo von queso“. Zerknallte Koteletts, gebraten, Maiskolben mit Frischkaese, Brot, Saefte, und die unvermeidliche „Gelatina“, Wackelpudding im Plastikbecher. Neuer Aufruhr: eine Baeuerin will aussteigen und laesst sich das Gepaeck aushaendigen, das auf dem Dach sein sollte – der „vamos, vamos“-Aufstand geht nahtlos in allgemeines Klagen ueber, dass man der armen Baeuerin das Gepaeck nicht geben konnte: zu weit unter den ganzen Saecken vergraben. Da wird dann nach Entschaedigung gerufen. Eine Busfahrt, so viel steht fest, muss einfach unterhaltsam sein. Wir kringeln uns jedenfalls streckenweise. Ankunft ist dann nach 3 Stunden 50. Ploetzlich sind alle Rufe verstummt.

Das also ist Huancavelica. Altes spanisch-koloniales Staedtchen, dessen Reichtum aus dem Silber-, Quecksilber und Kupferabbau aber weitgehend verschwunden ist, und dazu liegt es im hintersten Taleseck. Da wo sich die Wolken fangen. Siehe oben. Wir treten die Flucht wohl rascher an als gedacht.