Unterwegs zu den Azoren, Tag 7. 15.6.2022
Frühe Morgenstunde. Die Sonne ist schon eine Stunde zugange, ich habe 05:03 Bordzeit/Bermudazeit für den Aufgang notiert, es wird wohl Zeit, die Bordzeit der erreichten Länge anzupassen – das ist jetzt so ungefähr 49° West, und noch knapp 1000 Meilen nach Horta. Das ist ein ziemlich wildes Wettergefrickel hier und im Moment laufen Diskussionen, ob Horta überhaupt erreichbar ist: ein dickes Hoch stellt sich uns in den Weg und beschert uns schlecht überwindliche Gegenwinde. Mal gucken. Alternativ bieten sich eigentlich nur der Englische Kanal oder A Coruna in Spanien als Ziel an.
CHronologisch: am Montag, 6.6., kam Alex in St. Georges zu Besuch. Ziemlich spannend, im Sinne von anspannend, denn die Wetterprognosen nähern sich über Tage immer weiter an, und da das eine Modell Alex östlich der Bermudas sah und ECMWF knapp westlich, sah es nach einem „Hit“ für Bermuda aus. Predict Wind bietet eine parallele Darstellung von GFS und ECMWF an – unser Dauerbrenner auf den Rechnern über Tage. Sonntag werden noch einmal Leinen gezuppelt und eine sehr lange Spring zur vor uns liegenden Straßenbrücke gelegt, und dann… warten. In den frühen Morgenstunden geht es los, erst aus Süd – da schützen uns das Hafenmeistergebäude und das „White House“. Der Durchgang ist schulbuchmäßig, Süd, Südwest, West, Nord. Bei Südwest bläst es unter der Brücke durch, die unruhigste Zeit. An Schlaf ist nicht wirklich zu denken, ich schrecke so gegen 4 auf und klettere ins Cockpit. Der Eigner steht an Land und korrigiert Leinen und Fender, er in Öljacke, neben ihm Fabian, unser Hinterlieger aus Wien, in Badehose. Praktisch denken… „Ab! Geh‘ ins Trockene!“ Yes, Sir. Bei West ist der Windeinfluss auf Akka schon gebrochen, weil parallel zur Inselkante, und Nord bedeutet, dass wir im Schutz des Berges sind. Um 7, volle Südwestlage, gehen wir raus und schauen uns an, was die Kollegen draußen an den Ankern so machen – es sieht teilweise wild aus, obwohl ja die Bucht von St. Georges eigentlich voll geschlossen ist. Five&Dime tanzt in der Gischt und zerrt am Anker, beim Docknachbarn hat sich die Fock halb gelöst und knattert im Wind. Ein infernalisches Geräusch. Es ist bei aller Anspannung toll, einigermaßen geschützt im Cockpit zu sitzen, den irren Wolkenzug zu beobachten und Hoffnung machende Wolkenlücken zu entdecken. Berechtigte Hoffnung: zu Mittag bläst es noch gut, aber eben aus Nord und damit über uns weg, und die Sonne scheint. Vorbei. Das war Alex, der erste atlantische Tropensturm 2022. Gesehen haben wir selbst 50 Knoten, aber ich gucke da ungern hin – die Ankerlieger draußen berichten von mehr. Gesamturteil: Ging so. Einen ausgewachsenen Hurrikan muss frau nicht miterleben. Wir gönnen uns wie alle einen Ruhetag, aber der Sturm hat wohl die Seglergemeinde aus dem friedlichen Bermudaschlaf gerüttelt: es muss weitergehen. Am Mittwoch gehen diverse Boote raus, wir ziehen den Donnerstag vor. Weniger Welle am Reisebeginn macht sich besser. Die ersten Tage sind ziemlich ruhig, so ruhig, dass wir am Abend des zweiten Tages beschließen, den Genaker zu setzen, auch wenn das nicht meine Lieblingsbesegelung für die Nacht ist. Die Genua wird weggenommen, damit der Autopilot den Kurs halten kann, bekommt er kurzfristig Motorunterstützung. Ich bastele schon mal den Genakersack aus dem Vorluk, gehe wegen der Schot nach achtern und denke: „… klingt echt sonor, der Motor!“ Da springt schon der Eigner an Deck: „Kein Kühlwasser!“ Mannnn. Klar. Eigentlich hätte ich jetzt Freiwache, gleich wird es dunkel. Wat nu? Weitermachen. Der Pinnenpilot hält den Kurs tapfer auch unter reinem Be,sanantrieb, gutes Kerlchen. Wir zerren den Genaker hoch, schöpfen kurz Luft im Cockpit und dann ein ergebenes: „Ich geh dann mal runter, Diagnose und Instandsetzung!“. „O.k. – ich bleibe so lange am Ruder!“ Genakerblase vorn und Windpilot vertragen sich nämlich nicht hundertprozentig, da bedarf es ab und zu einer zackigen Korrektur. Während unten Türen klappern und Werkzeug klirrt genieße ich den frühen Abend. Angenehm. Akka zieht ordentlich davon, es hat auch ein bisschen Wind zugelegt, vielleicht sogar einen Ticken zu nah an der Windstärkengrenze für die dicke Blase. Nach einer Weile kommt von unten eine mittelmäßige Entwarnung. Es ist eindeutig so, dass wir dünnhäutiger geworden sind und solche Zwischenfälle rufen gleich irgendwelche Horrorvorstellungen von nicht reparablen Defekten hervor. Nicht so schlimm, wenn man nicht gerade mehrere hundert Meilen von Land entfernt ist. Aber nun „… ist tätsächlich nur der Impeller!“. Es klappert weiter. UNd bei mir? Ritsch! Das war das Vorliek vom Genaker, ach Du Schande. Das Riesentuch flattert wild im Wind. Jetzt braucht es den Motormann leider auf dem Vorschiff. Hoffentlich kriegen wir das Teil ohne Theater runter. Obwohl der Genaker defekt ist, hat er noch genug Zug, um den Eigner, der die Bergesocke herunterzieht, auf dem Hintern sitzend über’s Deck zu hoppeln. Aber doch, das Vieh kommt runter. Ein Teil geht baden – eine schöne Demonstration, wie schwer so ein „Leichtwindtuch“ plötzlich ist, wenn frau es aus dem Ozean heraufzerren muss. Das nasse Teil wird gestaut, der Eigner geht seiner Impelleraufgabe nach, und kaum ist meine Freiwache vorbei, läuft der Motor, Akka zieht unter Genua friedlich dahin, und wir genießen ein Stück Belgische Importschokolade aus Bermuda. So viel Belohnung muss sein.
Ach, übrigens: eMailverkehr ist immer noch quälend langsam. Aber Wetter kriegen wir trotzdem – nachdem so viele Leute berichtet hatten, dass sie Wetterwelt und Predict Wind parallel benutzen, gab es einen Predict Wind-Testballon auf Akka. Und siehe da: großräumige Gribfiles kommen herein! Nicht in Windeseile, aber doch in angemessener Geschwindigkeit! Schönen Dank für die Ermutigung aus Hawai’i an die Flora. Sagt der Eigner kürzlich, als der Satellitenrouter einen kurzen Schluckauf hatte: „Siehste! Der Computerkram ist Dein Impellerstress!“ Stimmt.
Wir laufen gerade vor einem Tief weg, in Richtung Hoch, das uns nicht nach Horta lassen will. Aber davon lassen wir uns nicht stressen. Kochen, essen, schlafen. Hörbücher hören. Lesen. Passagealltageben
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Alex
oder: spannende Sache das.
St. Georges/Bermuda, 5.6.2022
Ankunft in St. Georges, wir verholen Akka kurz an die Zollpier, unkompliziertes Einklarieren bei den netten Behörden-Damen. Danach Anker unterhalb des Barrack Hill, Ausruhen, Schwimmen, Ausschau halten nach einem Wetterfenster für die Weiterfahrt. Wir sind wie immer etwas pomadig mit unseren Plänen, und als wir am Montag ins Wetter schauen, gibt es eine Überraschung: auf der Pazifikseite von Mexico sitzt Agatha und robbt hinüber in den (karibischen) Golf von Mexico. Was’n daas? Die Wetterwelt schreibt: könnt Ihr schnell weiter? Am Dienstag, am Mittwoch? Schöne Südwestwinde und ein direkter Kurs zu den Azoren; und aus dem Golf von Mexico rückt ein Sturm hoch. Ich bekomme die Nachricht – Internet ist hier zwar „frei“, mehr oder weniger, aber nicht an Bord zu empfangen – auf der Towne Hall Plaza sitzend. Ui. Andreas schraubt gerade die Wanten wieder zusammen, es hatte an den Püttingen ein bisschen geleckt. „Das werden wir wohl aussitzen müssen“, schreibt die Eignerin zurück. Ganz kurz zucken wir, ob wir nicht doch die Hufe schwingen sollten, aber so eine Hektik… Nö. Das DIng sieht nicht wirklich katastrophal aus. Die FantaSea, eine deutsche Feltz, die in der Nachbarschaft liegt, bestärkt uns, mehr aus touristischen Gründen: „Ihr seid doch gerade erst angekommen, und es gibt so schöne Dinge zu sehen!“. (spricht’s und lupft planmäßig den Anker…) Uns ist ein verlängerter Aufenthalt nicht unrecht – was sich sich durchaus lohnt, wir haben mittlerweile Fort St. Catherine besichtigt und den Dockyard besucht, der sich als eine gigantische Festungsanlage entpuppte. Aber dieser Sturm… je näher das aufkommende Teil rückt, umso mehr fragen wir uns, wohin wir uns einigermaßen sicher verholen können. Schwierige Frage, zumal ja auch nicht wirklich klar ist, zu welcher Stärke sich dieser erste Atlantische Wirbelsturm der Saison entwickelt. Pünktlich am 1. Juni (da startet die Wirbelsturmsaison offiziell!) wechselt die pazifische Agatha den Namen und heißt fortan Alex. Wir legen uns ins kleine Hafenbecken zwischen Town Hall und Zoll und hoffen das Beste. Das Allerbeste wären moderate Windstärken – die Wetterwelt hat am Freitag einen kleinen Scherz dazu auf Lager, indem sich das Zentrum des Sturm genau über den Inseln als lang gestreckte Rinne schwächerer Winde durchgeht; leider wurde das mit der nächsten Vorhersage revidiert. So sitzen wir hier mit 6 anderen Yachten am Dock und warten auf Alex – der Rest der Flotte hatte entweder spätestens zum Ende der Woche die Flucht nach vorn ergriffen oder hat sich in der relativ weiten Bucht ein Plätzchen gesucht, wo man an zig Meter Ankerkette frei schwingen kann. Morgen zum Frühstück wissen wir mehr und noch mehr zum Abendessen. Doof. Nervig, so ein Alex. Aber er könnte sich schlimmer benehmen, 35 bis 40 Knoten sind „machbar“; ein paar Püster werden dazukommen.
Und wie weiter?! Keine Ahnung: für die nächsten Tage sieht es windmäßig eher mau aus. Predict Wind fasst es in der Routenplanung nett zusammen: 35 Tage bis Horta, ohne Motor Dann doch lieber noch ein paar Tage Britisch-Amerikanische Militärhistorie erforschen!
Ganz ruhige Kugel
21.05.2022
Vaters 112. Geburtstag feiern wir heute auf vielfachen Wunsch eines einzelnen Crewmitgliedes mit einer Tafel Milka Vollmilch zum kalten Kaffee. Zu dieser frugalen Feier hätte der alte Heinrich sicher eine Bemerkung auf Lager. Happy Birthday, lieber Heinrich (und das Gleiche an Enkel Christian!). Das Leben geht einen extrem ruhigen Gang auf Akka. Mittlerweile zumindest. Die Geburtstagsschokolade haben wir uns mit einem äußerst harmonischen Setzen des Genakers verdient. Genaker kommt nicht sehr oft vor, aber die Windarmut erfordert besondere Anstrengungen. Der erste Versuch gestern war durch ein da Capo gekrönt, weil sich die mühsam ins Masttopp gewinschte Wurst als leicht vertörnt herausstellte, aber danach… erste Sahne, die Fahrtzunahme. Bis gegen Abend dann der Wind es sich anders überlegte und den Dienst quittierte. Wussten wir ja.
… … … … …
Ein paar Tage später der Rückblick auf die Reise: 27.5.2022, St. Georges/ Bermuda. Am Anker
Punkt 1: Wind überwiegend Mangelware – immerhin hilft uns der Genaker über diverse Schwachwindphasen hinweg, ansonsten ist „Durststrecke“ angesagt, Durst auch im Sinne von Dieselverbrauch, und das leider allzu oft. Die letzten 24 Stunden zum Ansteuerungspunkt nördlich der Bermudas im Wesentlichen mit Motor im Dauerbrüll- und Turbopfeifeinsatz – wir hätten auch die Südspitze anlaufen können, aber daraus hätte ein finales Gebolze gegen Wind, Strom und Welle resultiert.
Punkt 2: Das Willkommen. Gestern früh meldet sich das UKW-Gerät – eine nette Überraschung, sind wir doch noch 6 Stunden vom Ziel entfernt. „Sailing vessel AKKA – this is Bermuda Radio!“ … … I picked you up on the AIS!“ Und alles in feinstem Queens English. Wir sind Europa ein kleines Schrittchen näher gerückt (genauer gesagt: Schottland auch, die nachmittägliche Funkwache rollt schottisches R und gibt lustige Vokallaute von sich.)
Punkt 3: der Daueraufreger der Passage ist die Satellitenverbindung. Was in drei Teufels Namen ist mit dem Iridium Go! los? Oder ist es mal wieder Fehlerquelle 040? (Der Verursacher sitzt 40 cm vor dem Display?) . Oder… darf ich meinem Groll auf die so oder so dämliche Providerfirma Satphonestore freien Lauf lassen? Prinzip: Hauptsache Umsatz. „If you encounter problems you made a mistake“. Zumindest bleibt es dabei, dass die zugehörige Software, die für die Verbindung zwischen den Laptops und dem Satellitenrouter sorgt, schlampig (… und das von mir!) programmiert ist. Kleines Beispiel: schreibe ein neues Mail, klicke auf „senden“ – und schwupp ist das Mail fort. Ohne jedoch mit dem Router verbunden gewesen zu sein. Sie steht so lange im Ordner „sent“, bis sie NICHT gesendet worden ist, dann steht sie im Ausgangspordner, aus dem sie sich aber nicht senden lässt… Im Logbuch steht: „Fuchs flucht und kämpft!“ Ich könnte mir in den Arxx beißen, dass ich von AST weggegangen bin, denn die Kombination AST/UUPlus/Onsatmail war von Malaysia bis Kuba problemlos. Nun hatten wir zwei Jahre überwiegende Küstensegelei mit fast durchgehendem Internetempfang über die Mobiltelefonie und haben daher keinen wirklich schlüssigen Eindruck, woran unser Problem liegt. Das heißt: eine Wettervorhersage braucht Zeit, mindestens so viel wie wir früher über die Kurzwelle benötigt haben. 3 oder 4 Anwählversuche sind eher die Regel als die Ausnahme; à 5 Minuten und mehr. Teuer. Mühsam. Geduldfordernd. Immerhin funktioniert der SMS-Dienst, der direkt über Iridium geht, drum gehen die Positionsmeldungen zuverlässig raus. Dank an Neffe Benjamin, der das bestätigen konnte. Die Unsicherheit erschwerte auch die Kommunikation mit der Wetterwelt, die angeforderten Vorhersagegebiete mussten extrem klein gehalten werden – nicht so toll, wenn frau weiß, dass voraus doch noch ein Tief lauert. Es wäre schön gewesen, besser über die Großwetterlage informiert zu sein. Und was macht frau da: reaktiviert heute mal die Kurzwellenanlage. (Wünscht mir Glück!)
Zunächst strecken wir die müden Knochen aus, heute ist noch hard-core-Ruhetag angesagt, weil auch an Land gefeiert wird; ich glaube, Bermuda Day wird nachgefeiert. Wenn es Internet gibt, können wir uns die weitere Wetterentwicklung anschauen und uns dann auf die lange Strecke zu den Azoren machen. Bis demnächst!
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Geht los!
Man o‘ War Cay, 18.5.2022
Wir liegen direkt vor dem Cut, durch den wir morgen in der Früh in den Atlantik hineinstechen werden.
Wir haben ganz schön herumgedaddelt mit dem Wetter, aber vorgestern überredet mich der Eigner endgültig, dass es gut sei, mit schwachem Wind loszueiern. Also fein. Wetterwelt bestätigt den Gedanken. Zum Ende mag es uns wohl leider etwas entgegenwehen. Mal schauen – das wird eine schöne Bananenkurve nach Norden und bei den schwachen Winden rechnen wir mit 7-8 Tagen bis Bermuda.
Überraschungen gab es zwischenzeitlich auch, erst schmort ein Solarstromladekabel, die Reparatur kostet uns den Sonntagsausflug nach Hopetown, aber nun lädt das Panel wieder. (Merkt Ihr was? Früher war weniger „irgendwas ist immer!“). Und vorhin dann kurzfristiges Gedankenkarussell:
Die Schipperin schmeißt den Wassermacher an, unverzichtbar für eine mehrtägige Reise, auch wenn unterm Salontisch 3 Kanister Notreserve stehen. Wasser kommt aber nicht aus dem Feederzulauf. Gleich erst mal „Scheiße“ rufen und ins Cockpit weitertröten. Lässt sich der Wassermacher locken? Hochdruckpumpe an… nüscht. Feederpumpe (unterm Bodenbrett vorm vorderen Klo) läuft, und jawoll, die Ventile sind alle offen. Die Schipperin denkt: „Verstopft. … da muss ich wohl tauchen!“ , der Eigner übernimmt den Problemfall. Die Schipperin steuert ihr Gedankenkarussell Richtung: „Mist, wir sind voll ausklariert!“ und der Eigner bescheidet mich, langsam in Richtung Man o’War zu tuckern, denn seines dreht sich Richtung „… eventuell müssen wir umdrehen. Wasser tanken!“ Mache ich. Das wäre eine doofe Verzögerung, siehe oben, nach hinten weht es uns vielleicht entgegen. Unten wird ausgiebig geschraubt und geklappert, Schranktüren ausbauen und so. Ich genieße derweil einen sonnigen Segeltag und mein Karussell dreht sich noch, als ich ein „Ha! Ich glaub‘ ich hab’s!“ vernehme. Bisschen gestresst ist er ja, aber der Chiefengineer kam dann doch durch Ausschlussdiagnosen (Anschluß an der Hochdruckpumpe: nüscht; an diversen anderen Stellen ebenfalls nüscht – bis zum Anschluss an den Wasserfiltern. Huch, schnell wieder festziehen, es sprudelt!) darauf, dass schlicht der Ventilhebel für den Zulauf sich gelöst und auf „zu“ stehengeblieben war. Erleichterung, Stressmittagessen Spaghetti mit Paprika, Hühnchen und Tomate. Ende Gedankenkarussellfahrt.
Nö. Langweilig ist uns nicht.
Gleich packen wir die Fahrräder in die Taschen und stauen sie weg; wir waren nämlich heute früh zum Hochwasserzeitpunkt rasch ausgelaufen. Während der letzten Springtidentage (hat jemand den pinken Mond gesehen?!) stand Akka nämlich hübsch auf dem Grund und lehnt sich gemütlich ans Dock – so weit war das Wasser gefallen. Nebenschauplatz: ich überlege noch, wie ich an eine Bermudaflagge komme. Roter Grund und Union Jack in der Ecke ist ja machbar (reuse-recycle, zum Beispiel von den Cook Islands…), aber dieses Bermudawappen kriegt niemand hin. Es gibt schlaue Leute, die Flaggen doppelseitig auf Papier drucken und in Klarsichthüllen packen, aber so viel Rot gibt der Drucker nicht her. Und a. sollen die Bermudans locker sein und b. … Zeit, die Nähnadel zu schwingen, wäre ja. Nur Wappen sticken – nicht mein Ding.
……….
hier nochmal das Link zum Norforeignland-Tracking
Geht los, geht nicht los
Marsh Harbour, 13.5.2022
„… und ich habe schon das Cockpit sauber gemacht, so ein Sche…!“, sagt der Eigner gerade. Sauber gemacht, damit wir morgen oder übermorgen ganz sauber Richtung Bermudas aufbrechen können. Während der Eigner wischt, kassiere ich Applaus für eine Radtour vom Maxwell’s Supermarket zurück zum Boot, zwischen den Schauern, mit fettem Rucksack und nicht nur einer, sondern zwei Lenkertaschen. Orangen, Kohlkopf, Käse… das volle Programm. Es applaudiert der Wagenschieber ob der Last. Das arme Fahrrad…
Wir sind also voll gerüstet – letzte Notrationen für das Grabbag sind gepackt, heute noch die Abfolge der notwendigen Bürokratieschritte: Covid-Test, Bermuda Travel Permit beantragen, Testergebnis hochladen, bezahlen, Pre-Arrival Notice abschicken, Auschecken beim Bahamas Zoll – kurz: wir müssen früh aufstehen. Um 6 wird es hell, die Wetterwelt schickt die neueste Vorhersage. Der Eigner, noch in der Koje „… was für ein Mist! Willst Du mal gucken?!“ Nein, möchte ich nicht. Tolle Einstimmung an einem ohnehin trüben Morgen. Das sowieso etwas wackelige Wetterfenster sieht wirklich kacke aus, egal wohin man den Abfahrtzeitpunkt schiebt. Viel Welle am Anfang – es gab ein wirklich fieses Tief vor der US-Ostküste – durchsetzt mit Gewitter, dafür schwacher Wind, ganz unser Humor. Und das alles, damit es ab Montag nach Motoren aussieht. Geht los?! Geht nicht los. Das Ganze ist ein Glücksspiel, und wir setzen auf eine zweite Chance in 8 Tagen. Hoffentlich. Dann läuft nämlich unser Cruising Permit für die Bahamas aus, das wir großmäulig „Ach! Bis dahin sind wir längst weg!“ auf 3 Monate beschränkt hatten. Kost‘ im Zweifelsfall 300 extra. Also, bitte sehr: drückt die Daumen.
Aber wenn es so weit ist: man kann uns jetzt auf einer weiteren Quelle verfolgen – die Schipperin hat es nach jahrelangem Zögern geschafft, den Iridiumrouter darauf zu dressieren, dass er alle 4 Stunden eine Position verschickt (das stündliche Intervall habe ich wohlweislich vermieden – bei unserer Geschwindigkeit macht das doch einen eher peinlichen Eindruck). Wer Lust hat, schaut sich das bei Noforeignland an. Wenn man hineinzoomt, erscheint unter dem Schiffssymbol ein grauer Punkt, hinter dem sich Position, Kurs und Geschwindigkeit verbergen. Wer andere Schiffe sehen will oder sucht, schließt das AKKA-Fenster oben links. Viel Spaß beim Surfen! Ich hatte jetzt 25 Tage Spaß, weil die Flora sich auf den langen Weg von Galapagos nach Hawai’i begeben hatte. Ganz so sportlich wird es bei uns allerdings nicht ausschauen…
Bis es aber losgeht, sagen wir uns nochmal ein paar Mal: geht los? Geht nicht los!
Butter bei die Fische
Nassau, 24.4.2022
Yeesss, gemein, so lange zu schweigen, aber immerhin: wir leben noch.
Die Zeit in den Bahamas neigt sich schon dem Ende zu. Irgendwie werde ich – alte Leier – dieses unbeschreibliche Blau vermissen. Und unser Rumdödeln vielleicht auch.
Eines netten Sonntags vor langer Zeit verlassen wir die Exumas durch den Dotham Cut. Der Eigner hat sich es sich nicht nehmen lassen, dumme Fragen in der Facebookgruppe „Bahamas Land&Sea“ zu stellen, wie das denn nun ist mit den Tidenzeiten und den Strömen ist (dabei meistern wir das alles ja nun schon ein paar Jahre, so oder ähnlich). Toll, was man oder frau da für Antworten kriegt, alles eher allgemein gehalten, aber es gibt auch die, die raten daheim zu bleiben, wenn einen so etwas bewegt. Nein, wir wollen nur altengerecht und eben unbewegt durch den Cut fahren, kein Wind gegen Strom und damit keine resultierende Mörderwelle – es geht rein um den Zeitpunkt. Am besten war eigentlich in diesem Zusammenhang, dass wir bei Abfahrt aus Nassau in Richtung der Exumas auch schon nach Tidenverhältnissen für die „Yellow Bank“, ein Flachgebiet mit vielen Korallenköpfen, gefragt hatten. Ich konnte mich dann an einem bestimmten Punkt („I wonder how you can ask such a question with your sailing resume“. Döspaddel.) nicht enthalten, eine Antwort dahinzuschnoddern (… „Tonga Trench is easier. Only that you have drifting pumice islands“.) Doofe Fragen sind immer unterhaltsam.
Egal, wir treffen den Dotham Cut natürlich zum richtigen Zeitpunkt. Wir halten für ein paar nette Tage in New Bight auf Cat Island, wo uns die Segler-Community einholt. Lisa aus South Carolina klopft an, ob wir nicht am Abend zum „Rake ’n Scrape“ an Land kommen wollen. Na jut, mit dem Argument, es sei für die Ortsansässigen, lassen wir uns breitschlagen. Die Runde entpuppt sich als fröhlicher Binational-Paarmix, US-Deutsch (Lisa und Stefan), Kanadisch-Ungarisch (Dave und Maryann), Kanadisch-Deutsch (Bill und Brigitte). Plus zwei Langweiler deutsch-deutsch und US-US (aus dem total maritim-marinen Arizona). Brigitte freut sich darüber, dass nach 20 Jahren im Exil endlich mal wieder Leute „Brigitte“ sagen können, und im Nebensatz stellt sich heraus, dass Brigitte in Altwarmbüchen gelebt hat, Seerosenring meets Kleiststraße. Witzig. Nach dem Essen und Plaudern Rake ’n Scrape mit „Bohog & The Rooters“; Akkordeon, schlichte Percussion und eine gebogene Säge. Das ist noch viel witziger als der Seglertisch und ziemlich „local“, zumal die Säge uns zuvor das Bier serviert und die Trommel für uns gekocht hatte.
Es folgt die Insel Eleuthera. Auf dem Weg ein Übernachtstopp vor Little San Salvador – eines der hier üblichen Horrorgemälde für Kreuzfahrerbespaßung, mit Koggennachbildung und vielen Burger- und Bierständen – macht nix, wir gehen sowieso nicht an Land, der betreffende Kreuzfahrer ist auch schon abgerückt, und nur ein bisschen Baumaschinenlärm vom fernen Ufer stört die subtropische Ruhe – Carnival, oder wem auch immer die Insel gehört, (genau, richtig, es sind private Inseln nur für Kreuzfahrer!) muss ja gucken, dass die Passagiere bei Laune gehalten werden, wahrscheinlich wird eine neue „Yihaaa-Riesenrutsche“ gebaut. Oder so.
Für seglerische Unterhaltung sorgt unser Ankermanöver in Eleutheras Rock Sound-Bucht, laut Seekarte an einigen Stellen „bad holding“. Da hat die Seekarte recht – wir haben selten mal 4 Versuche gebraucht, bis der Haken hält. Interessante Abwechslung, aber wir sind nicht allein mit dem Problem, nur dass die meisten entnervt abrücken – so bekommt man einen feinen Ankerplatz ganz für sich. Nur die Taimada, die wir aus Trinidad kennen, liegt verträumt in der Gegend. Nach ein paar Nächten Umzug vor den Ort, wind- und vorratsbedingt. Schöner Supermarkt, zwei nette Restaurants, Eisladen. Nur Rake ’n Scrape fehlt.
Mittlerweile sind wir in Nassau zurück, via Highborne Cay – ein letzter Stopp auf den Exumas. Letzter Stopp? War da nicht was mit „nächstes Jahr nochmal Bahamas vor der Reise zu den Azoren“? Ja, war es. Um „Butter bei die Fische“ zu machen: wir hatten ein paar stille Tage. Bedrückt. Ein bisschen verwirrt. Ich hatte ja schon öfter angedeutet, dass uns die Energie ausgeht, und nun konnten wir schon den Boden in unserem Fass mit Energievorrat sehen. Macht es Sinn, ein weiteres Jahr anzuhängen? Dann sind wir noch ein Jahr älter – und segeln kann ja auch anstrengend sein (wir hatten gerade eine Episode „Wassermacher“, auch das ist anstrengend; in Sachen Technik war diese Saison sowieso vielfältig, um es milde zu sagen!). Was sind die Alternativen? Andere verschiffen ihr Boot nach Europa. Das fragen wir mal an, die Ostertage geben derweil Gelegenheit weiter zu diskutieren. 2 Tage danach kommt das Angebot, das so mancher vielleicht nicht ablehnen kann: West Palm Beach-Eemshaven/NL für nur 28.500 € („Wasser-Wasser“ wie es heißt, also plus Abfertigung und Zoll, Unterkunft, Flüge, Mietwagen etc. ). Ein Schnäppchen, quasi, und Akka hätte sicher gefallen, zwischen Superyachten zu stehen. Für manchen toll, nicht für uns. Alternative zwo: Akka wird in den USA verkauft. Wir fragen beim Broker in Deltaville an, und die sind geradezu begeistert („Kommt! Der Markt ist leer!“) und überschütten uns schon mit Anweisungen, was zu tun wäre (Import, Ausrüstungslisten, aber allem voran: Schiff ausmisten, schöne Fotos machen) – und an dieser Stelle trifft uns der Schlag: plötzlich ist die Idee real. Wollen wir das? Wirklich? Der Schlag geht absolut in die Magengrube, wir sind ein bisschen geschockt. Nee, wollen wir nicht. Alternative drei: zurück zum alten Plan – wir gehen mit Akka in den nächsten Tagen oder Wochen nach Bermuda, von dort auf die Azoren und weiter in die Ostsee, oder wohin auch immer es uns verschlägt. Sollte uns schon wieder die Energie verlassen, dann stellen wir sie einfach wieder bei der Marina Oostwatering ab, wo wir sie anno 2003 eingesammelt haben. Deal!
Jetzt sind wir schon auf den Abacos, ein kleiner Schritt weiter Richtung Bermuda. Es gilt die Einreisevoraussetzungen zu schaffen, 4 Tage vor Ankunft will man dort einen negativen Covid-Test sehen. Also, nix wie ran! Ist alles gleich um die Ecke. 4.500 Meilen* bis Cuxhaven. Es geht vorwärts-nordwärts-ostwärts!
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Ich empfehle, in Sachen Distanz die Flora zu verfolgen. 4.300 Meilen Galapagos-Hawai’i. Läuft gerade. Und „läuft“. Seit heute früh liegt der direkte Kurs wieder an.
Und eine andere Art der Distanz bringt gerade die Atanga hinter sich. Lieber nicht…
Dover? Klintholm?
Bitter Guana Cay/Bahamas, 28.3.2022
Es ist blau. Und schön. Und sonnig. 3 Millionen – oder mehr – Jahre alte Erdgeschichte vor unseren Augen, und die Damen und Herrn, die am Strand umherrennen, haben Vorfahren aus diesem Zeitalter: Felsleguane. Cyclura cychlura, hier auf dem Bahamas mit drei Unterarten vertreten. Auf Bitter Guana Cay ist es Cyclura cychlura figginsi. Echte Urviecher, mit einem Scheitelauge, und leider eingestuft als „vom Aussterben bedroht“, zumindest die Unterarten figginsi und die von Allan Cay, C.c. inornata. Der Andros-Leguan ist lediglich „bedroht“ – ganz interessant deswegen, weil Andros eine größere Insel ist und daher den Leguanpolulationen mehr Rückzugsraum bietet als die kleinen Cays der Exumas. Das spielt vor allem bei Naturkatastrophen eine Rolle, vor allem Hurrikane beeinträchtigen den Lebensraum – bis sich die Vegetation erholt hat, dauert es nach einem Wirbelsturm eine Weile, bis dahin ist „Hungertuch“ angesagt. Was nicht heißen soll, dass unsere Leguane nichts anderes kennen als die ewig gleichen trockenen Blättchen und die gelegentliche Fliege… nee, es kommen ja fast täglich Touristen zum Glotzen. Damit kommt gleich das größte Bedrohungspotenzial ins Spiel – der Mensch, der Ziegen mitbringt, die den Leguanen das magere Essen wegschnappen. Oder der Feuer macht. Hunde oder Katzen ansiedelt. Die Touristen bringen gern irgendwelche Dinge zum Anfüttern – wäre schön, wenn es beim Salatblatt bliebe, was ich nicht glaube, aber selbst das tut den Kerlen nicht gut. Der Bestand ist in stetigem Schrumpfen begriffen. Das machen sich die Besucher wahrscheinlich nicht klar, die hier für 5 Minuten anlanden (die Leguane sind ja nicht so niedlich wie die berühmten, für uns eher berüchtigten schwimmenden Schweine vom benachbarten Big Mayor Cay). Das Kurzprogramm sieht vor : an Land waten. Salatblatt. Foto. Haken an die Box „Leguansichtung“. Bemerkenswert fand ich gestern die Gäste einer großen Motoryacht, die parallel zu uns ankerte und auch über Nacht blieb (und zum Sonnenuntergang einen echten Pistolenschuss abgaben. Die haben einen Knall, im wahrsten Sinne des Wortes). Diese Gäste zeichnen sich dadurch aus, dass sie zu sechst im hüfttiefen Wasser sitzen, Bierdosen im Neoprencooler in der Hand halten und quatschen. Mit dem Rücken zum Strand, wo gerade 3 Mio. Jahre Naturwunder an ihnen vorbeimarschieren. Vielleicht haben sie die Leguane mit ihrem rückwärtigen Scheitelauge betrachtet, in diesem Fall bitte ich um Verzeihung. Es macht mich verrückt. Der Hammer ist ein Dinghy, das samt Hund (!) angefahren kommt – glücklicherweise sind die Leute aufmerksam genug, um das Tier zurück ins Boot zu bugsieren, nachdem es schon zur Jagd angesetzt und eine Panikattacke in der Leguangemeinde verursacht hatte. Die. Sind. Vom. Aussterben. Bedroht. Ihr. Heiopeis! Ich finde es derweil nett, bäuchlings im Sand zu liegen und einfach nur zu gucken. Galapagos‘ Meerechsen kommen uns in den Sinn. Und Komodowarane. Aber ich denke, wir Menschlinge kriegen das schon hin mit dem Aussterben.
Hier ist so ein freundliches Exemplar – übrigens sind die schon so an Menschen gewöhnt, dass sie im Silikonbeutel für meine Kamera Fresschen vermuten. Nicht so toll.
Sonst? Exumas Land&Sea Park war schön wie immer. Wir vertrödeln die Zeit. Zeit bis zu einer irgendwie gearteten Abreise. Dover? Klintholm? Oder doch lieber der Kreidefelsen von Bitter Guana? Im Moment lockt uns Europa nicht so sehr, und auf den Azoren fürchten sich die Leute vor einem Vulkanausbruch. Wollen wir dort hin? Hm. Vorstellbar wäre eine letzte Wirbelsturmsaison in den USA. Aber dann! Wir diskutieren das noch ein paar Tage.
Ein launiger Titel…
… fällt mir gerade nicht ein.
Nassau/Bahamas, 4.3.2022
2. Woche Ukraine-Krieg. Was für ein Wahnsinn. Wozu? Wir waren wohl ein bisschen naiv, als wir bis zuletzt gedacht haben, das werde sich friedlich(er) richten, und uns auf ein gewisses Unbehagen beschränkten. Mich erinnert das alles an die 60er/70er/80er – und die akute Situation an die Fassungslosigkeit, mit der ich im ersten Golfkrieg die „Live-Berichterstattung“ zum Frühstück serviert bekam. So auch jetzt, am Anker in den Bahamas. Dabei könnte es ungeteilt schön sein.
Interessiert da irgendwen noch, wie wir die USA hinter uns gelassen haben? Vielleicht.
Zwei Tage braucht es von St. Augustin nach West Palm Beach oder genauer: zwei Nächte. Ich habe gerade wieder das gute alte Stutgeron (aka Stugeron oder Cinnarizine, ein Zufallsfund aus Suriname anno 17) als Initialpille neu erfunden, macht sich gut – und so richtig schaukelig wurde es auch nicht. Merkt man am Seetagsritual: üppiges Frühstück mit Ei. Leider ist der Vorrat – ich hatte die Hälfte weitergegeben, ohne je Ersatz zu bekommen – mit 3 Tabletten eher knapp bemessen, aber als Seebein-Findungsmittel sollte es bis zu den Azoren reichen. Die Fahrt verläuft dicht unter der Küste, damit der aufmerksame Segler nicht in den Golfstrom gerät , sondern auf einen nach Süd setzenden Gegenstrom hoffen darf. Das mit dem Gegenstrom geht dieses Mal nicht ganz auf, aber was macht schon ein halber Knoten gegenan. Prima. In Höhe Canaveral gibt es einen kleinen Umweg ums Kap: temporäres Sperrgebiet wegen Raketenstarts – irgendein kleines Forschungsding, das dann im Endeffekt doch nicht fliegt; wir lesen später „gezündet, aber nicht abgehoben“. Dumm gelaufen. West Palm Beach empfängt uns mit zwei windreichen Tagen, an denen jegliche Dinghyfahrt „Dauerdusche“ bedeutet, aber wir liegen vor den Superyachten der Rybovich-Werft/Marina vor Anker und haben als Freizeitprogramm zumindest „oh“ und „ah“-Momente, wenn einer der Ochsen einläuft; Freizeit mit Bastulatur – Hecklicht ausgefallen, AP Navigator läuft nach der Relingsmontage nicht mehr, der Motor startet nicht so frisch-fröhlich wie sonst. Kurz: das ganz normale „irgendwas ist immer“-Programm. Und alles lässt sich lösen. Auch das Wetter beruhigt sich, und es dauert nicht lang, bis sich ein Wetterfenster über den Golfstrom auftut – schnell noch etwas einkaufen, kleiner Ausflug zum Wassermacherbetrieb für Filternachschub, das war’s auch schon. Tschüss USA! Halt! Nein… Covid gibt es ja auch noch, und neben der Tatsache, dass für die Einreise ein Antigenschnelltest zu absolvieren ist, möchten die Bahamas gern ihr neues, unausgegorenes Online-Einklarierungssystem namens „Click2Clear“ genutzt haben. Da ist Facebook gefordert – die jeweiligen Reisezielgruppen sind uns lieb und teuer geworden, und dies ist ein schönes Beispiel, wie nützlich das sein kann. Der moderne Internetnutzer ist geneigt, sich als erstes irgendwo zu registrieren, wenn die Option angeboten wird. Also wühlt sich frau durch die Registrierungsformulare (das hatte sie schon in St. Augustine vergeblich getan und dank steter Selbstzweifel gibt es einen neuen Versuch….) – das Ende der Fahnenstange ist wie schon zuvor „country of residence“. Da gibt es nur eine Möglichkeit: Bahamas. Isernhagen/Bahamas. Interessante Kombination. Nachfrage bei Facebooks „Bahamas Land & Sea“; „…ach, Du musst Dich nicht registrieren, einfach auf Permit Request klicken“. Siehe oben, unausgegoren. Danach zieht es sich dennoch bis zum letzten Schritt, dem Ausdruck der Zahlungsquittung. Dazu schreibt der Gruppenguru auf meine Frage Tröstliches: „…you are not blind. The system is not intuitive. Be prepared for a face-palm or two.“ Danke, ich bin doch nicht doof. Zum Abschluss noch der Rapid Antigen-Test – danach hat man 72 Stunden Zeit, die Bahamas zu erreichen. Den lassen wir in Radelreichweite bei einem Pop-Up-Testcenter im Park machen, sehr praktisch und kostenfrei.
Kurzes Nasebohren, nach 15 Minuten das (gewünschte) Testergebnis, das allerdings auf meinen zweiten Nachnamen lautet: Deutsch. Arrgh, passiert doch immer wieder, doofes Pass-Layout. Zurück, nachbessern, dann passt alles. Noch zwei Schritte: die Ergebnisse bei der Bahamas Gesundheitsbehörde hochladen, die Health Visa kommen innerhalb von Minuten; die Health Visa wiederum im Antrag auf Cruising Permit hochladen, fummel, fummel, fummel – zahlen, fertig. Der Lohn der Mühe? Am Folgetag rutschen wir über den Golfstrom nach West End auf Grand Bahama. Einklarieren? Was im Jahr zuvor mehr als 1 1/2 Stunden gedauert hatte, ist jetzt in 5 Minuten erledigt. So macht Einklarieren Spaß. Und alles ohne Papierkrieg. Womit wir wieder beim Thema wären.
Gruß aus den Bahamas. Nassau. (…wer will denn da hin? Wir! Immerhin 100 Meilen weiter südlich – das Wetter verlangt dieser Tage kleine Schritte). Direkt an der Hafeneinfahrt liegt Akka noch für ein paar windreiche Tage, bis es in die westlichen oder südlichen Inseln weitergeht – und Nassau stellt sich nicht so grässlich dar wie häufig kolportiert. Ja – am Ankunftstag 6 Cruiseliner, gestern nur 2, aber das verteilt sich in einer Stadt wie dieser besser als auf kleinen Karibikinselchen. Und die Kreuzfahrer machen sich spätestens abends auf die Socken – und drehen dazu vor unserer Nase im Hafenbecken. Spannend. Wir genießen Sonne und türkisfarbenes Wasser, ab und zu kommt selbst hier im Hafen eine Schildkröte vorbei.
Es ist gut, auch wenn es politisch gesehen besser sein könnte. Seid nett zueinander!
Ferien in Sankt Augustin
St. Augustine/Florida, 5.2.2022
Ferien auf Saltkrokan wäre ähnlich kühl, und vielleicht auch so wechselhaft. In meinem Gedächtnis spuken Tjorven und Bootsmann zwar immer auf einer sommerlichen Schäreninsel umher, aber Ostseewetter ist
Ostseewetter. Und Winter im nördlichen Florida ist eben Winter. Gerade heute wieder ist, nach 3 wärmlichen Tagen, Sockenalarm. Gutes Thema: gestern habe ich die von mir benutzten Waschmaschinen in der Marina abgesucht. Ich fand schon lustig, dass ich zuletzt 2 mit „links“ markierte Laufsocken hatte, die rechten scheinen schon zuvor den Weg aller Marinawäschereisocken gegangen zu sein: aufgefressen von Waschmaschinen oder Trocknern. Aber seit gestern nun habe ich nur noch eine einzige linke Socke. Ich finde das link.
Unser Landaufenthalt ist irgendwo zwischen holperig und „alles glatt“ anzusiedeln. Das Problem Stevenrohr/Wellenlagergehäuse ließ sich schon beim Herausheben leicht erkennen, wir konnten sogar das Gehäuse von Hand einschrauben. Der holperige Teil?
Lee, der sehr freundliche, junge Boss vom St. Augustine Marine Center, sagt zum Empfang: „… in a couple of days you’ll be splashed again!“ Wie bitte? Ein paar Tage? Wir rechnen mit raus und rein, ganz fix. Aber wenn das Tempo erst einmal vorgegeben ist, passen wir uns an. Wir sind relativ sicher, dass man uns in Deltaville das falsche Schraubensicherungsmittel heiß empfohlen hatte, also suchen wir uns das richtige. Alles gut. Zum Abschluss eine Portion Dichtmasse, und die stellt sich beim zweiten Blick als langsam aushärtend heraus, nochmal von vorn… so geht unser erneuter Werftaufenthalt seinen Gang. Schon ist Freitag und die erste Arbeitswoche zu Ende – und wir müssen ja auch noch die Schmarre behandeln. Die sieht wirklich bedrohlich aus, jedenfalls von ferne betrachtet; vielleicht sollten wir doch lieber einen Fachmann befragen, der bei diesen miesen Temperaturen eine Gelcoatreparatur ausführen kann. Gesagt, getan, der Mensch kommt, stellt schon mal ein Gerüst an, dann kommt der Regen (die zweite Woche läuft!). 2 Tage später ist die Temperatur gerade so eben geeignet für das Gelcoat. Gleich früh morgens hören wir es draußen an der Bordwand schrubbeln. Dann braust eine Poliermaschine. Fertig! Fertig? Wir sind echte Blindfische: was so übel aussah, war reiner Gummiabrieb vom Coast Guard-Dock. Fertig heißt allerdings nicht „ab ins Wasser“, dazu braucht es ja einen verfügbaren Travellift. Wir stehen kurz für den Freitag auf der Warteliste, aber miesestes Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung, und… am Wochenende ist in ganz Florida „Fallende Leguane“-Alarm: die Temperaturen sinken nahe an die Frostgrenze, nachts auch darunter, und dann fallen wechselwarme Tiere eben kältestarr von den Bäumen – wir loben uns unseren Landplatz und die Verfügbarkeit von Elektrizität, um unseren Heizlüfter zu betreiben. Termin: Montag. Als am Sonntag die Sonne wieder scheint – es ist immer noch bitter kalt! – knüpft der Eigner den großen Kugelfender ans Heck (der Fender belegt seit 15 Jahren die Hälfte der Badeplattform, geht aber nicht baden). „Guck mal hier! Am Heckkorb ist ein kleiner Riss im Rohr! Das müssen wir schweißen lassen!“ Oh, Mann… Die Aktion verläuft gleich am Montag ruck-zuck, aber unser Travelift ist dennoch abgefahren. Nächster Wassertermin: Donnerstag.
Einige Zeit um ein bisschen St. Augustine zu erkunden. Das ist in der so genannten Altstadt eher auf Tourismus ausgelegt, es schieben sich auch reichlich Besucher durch die zwei parallel gelegenen Sträßchen und ihre Nebengassen, vieles ist ein bisschen auf „extra spanisch“ getrimmt, Piratenstimmung, alte Karacken, Schifflaternen und so…, aber dahinter sieht man doch Spuren der alten Architektur, und das nicht nur an den protzigen Kolonialbauten der Spanierzeit. Besonders augenfällig: Balkone statt der in Nordamerika üblichen Veranden vor dem Haus.
Auffällig noch etwas anderes: die Vielzahl Obdachloser. Wir nehmen an, auch die ziehen den Winter im Süden vor, selbst wenn es mal kalt wird. Wir dagegen haben uns das Café „Chocolatte“ auserkoren, um im Sonnenschein und Windschatten der Hintergassen übergroße Tortenstücke zu verschlingen und heiße Schokolade zu schlürfen. Wiederholungsbesuche finden ohne die mächtigen Torten statt, aber wir sind nicht weniger zufrieden.
Ein kleines Technikparadies stellt der „Sailor’s Exchange“ dar – was auch immer es an Gebrauchtteilen geben mag, hier findet es der interessierte Besucher; mit Betonung auf „interessiert“ und das Maskulinum – ich konzentriere mich auf Sachaufgaben wie „such mal ein neues Scharnier für unsere achtere Backskistenklappe“ . Längeres Staunen lege ich lediglich vor den Sunbrellaresten ein, von denen ich selbst einige verkaufen könnte (vielleicht sollte ich ihnen
meine unangetasteten 2 Meter rotes Kunstleder aus Trinidad andrehen?!). Die Schipperin hat halt einen kleinen Horizont, für den Rest, also träumerisch durch Regale mit uralten Ankerwinschen oder pekigen Bilgepumpen zu streifen, fehlt mir die Fantasie. Aber die riesige Schraubenkiste, durch die der Käufer mit einer Gartenharke fahren kann, finde ich imposant. Und nebenan gibt es vorm Coffeeshop „Buena Onda“ einen guten Entspannungskaffee (Zitat: „…almond, oat, soy or milk milk?“). „Sailor’s Exchange“? Immer einen (Kaffee)besuch wert.
Das weitere leibliche Wohl wird hier dank „Winn Dixie“ befriedigt, 4 km Radtour; wäre nicht Sumpfland dazwischen, wäre man mit dem Dinghy über den Sebastian River schneller dort. Weiter weg den US Highway #1 entlang sind Walmart, Publix und auch ein eher chaotischer ALDI, der dafür aber Moser-Roth-Schokolade führt. Da lohnen sich die paar Extrakilometer Radelstress im sausenden Verkehr gleich wieder – alternativ zu bewältigen auf einem so verschlungenen wie holperigen Betonplattengehweg. Kein Wunder, dass hier kaum jemand zu Fuß geht.
Akka mag ihren Ferienort – sie meint, dass sie von hier stamme, weil ihr Heimathafen bis 2003 auch „Sankt Augustin“ war. Im Rhein-Sieg-Kreis – man sieht, im Alter werden auch Schiffe etwas tüdelig. Wir mögen St. Augustine auch, irgendwie, es ist eine teils ansehnliche, zumindest interessante Mischung aus spanisch- und britisch-kolonialer Anmutung mit dem, was die USA sonst so ausmacht: weniger ansehnliche Strip Malls an breiten Straßen. Maritimes wie der Leuchtturm auf Anastasia Island macht das wieder wett. Oder das große Castillo de San Marcos. Ein gut sichtbares Stück frühe Kolonisationsgeschichte Nordamerikas: als im 16. Jahrhundert St. Augustine von den Spaniern gegründet wird, geht es bei dessen Verteidigung erst einmal um Piraten, die man von 9 kleinen hölzernen Befestigungsanlagen abzuwehren versucht, bis man sich entschließt, ein steinernes Fort zu errichten, das erste und damit älteste in den USA. Nur wenige Jahrzehnte danach, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, beginnen die Briten, sich auch für Florida zu interessieren, das riecht nach kriegerischer Auseinandersetzung, und so ist es dann auch, mit mehreren Belagerungen und wechselndem Ausgang. Der Pariser Friede beendet den 7jährigen Krieg, in dem sich alle europäischen Mächte unter anderem über ihre Überseebesitztümer an die Köppe gekriegt hatten. Die Briten und Preussen obsiegen, mit dem Ergebnis: Florida geht an die Briten, dafür kriegen die Spanier Havanna und … die Philippinen. Aus dem Castillo de San Marcos wird „Fort St. Mark“, dann unter den Amerikanern Fort Marion (letzteres keine Amerikanisierung von „Mark“, sondern nach einem General Francis Marion), bis es in den 1940er Jahren unter Denkmalschutz gestellt wird, inklusive dem alten Namen.
Das ist mal richtig alte Geschichte. Nicht so häufig hier!
Und jetzt? Warten wir aufs Wetterfenster, die alte Leier.
Bis bald!
Surprise, surprise!
St. Augustine/Florida, 17.1.2022
Ist ja schon gut!
„… es hat sich seit 3.1. nichts im Blog geändert!“. Stimmt. War ja auch – rein seglerisch gesehen – nichts Aufregendes zu berichten. Ist es eigentlich immer noch nicht, außer, dass es draußen fast so frisch ist wie zuvor. Das ist nicht ganz wahr, es ist frühlingshaft frisch, wenn es nicht wie gestern
gerade aus allen Knopflöchern bläst – da geraten die Facebook-Gruppen von den Bahamas und vom Intracoastal Waterway schon mal in Wallung und suchen oder vergeben gute Tipps, wo man sich verstecken kann. Tags drauf gibte es die Rekordmeldungen in Sachen Windgeschwindigkeit und slippenden Ankern. Wir dagegen… machen es uns gemütlich und verziehen uns, da St. Augustines Ankerplätze im kräftig strombeaufschlagten Fluss liegen
und Rentner ungern Ankerwache schieben, zunächst mal an einer Mooring der „St. Augustine Municipal Marina“ . Als am Martin-Luther-King-Feiertag die Moorings alle ausgebucht sind, verholen wir uns noch für 2 Nächte an einen Marinaliegeplatz. Hat immer was. Warme, sauberere Duschen, Waschmaschine… Es gibt Hafenkino (viel Strom!) und auch nette Schwätzchen mit den Nachbarn und deren netten Hündinnen, und bei den Waschmaschinen wird die Welt ganz klein. Es kann so lustig sein, sich mit Amerikanern zu unterhalten! Oh, Du bist Deutsche? Und aus Nordeutschland. Das ist bei Hamburg? Kennst Du vielleicht „Ralph and Vicky?“ Umm. Nee, das tut mir leid – ich kann ja nicht immer sagen, dass wir eigentlich niemanden kennen, aber dafür rechtfertige ich mich vollmundig „… wir haben 82 Mio. Deutsche und 2 Mio. Hamburger…“. Peinlich. Hallo, Flora, aufgepasst – das war Polaris, mit der Ihr In Charleston „Marika’s“ Geburtstag gefeiert habe, Vicky ist natürlich Wiebke, und, Marika ist nicht so weit von Mareike. Es kamen noch mehr Bewohner des deutschen Dorfes vorbei, zum Beispiel Helena und Klaus von der LuSea. Sehr witzig, sehr kurzweilig, so ein Waschmaschinentermin.
Aber… Wäschereigespräche wolltet Ihr nicht hören und fragt: was macht Ihr da eigentlich, wenn es doch weiter südlich wärmer ist? Nun, wir warten darauf, dass uns ein freundlicher Travelliftfahrer aus dem Wasser hebt! Warum?
Drum:
Am 4.1. verabschieden wir uns aus Beaufort und machen uns auf die Socken nach Charleston, jedenfalls ist das der Plan: die Wetterfenster sind ein bisschen klapprig, so dass wir auch Georgetown in Erwägung ziehen. Klappt gut (kurze nächtliche Episode aus der Story „Frau Fuchs, Cape Fear und der Seegang“ inklusive), am Nachmittag des zweiten Tages laufen wir den langen Fairway Richtung Charleston entlang und lassen vor dem Fort Sumter den Anker fallen. Telefongespräch mit der städtischen Marina, ob sie uns vielleicht zwecks Wetterabwartens 2 oder 3 Nächte unterbringen können. Sie können, wir hätten Strom fürs Heizlüfterchen, und Charleston ist ja immer nett. Beim Frühstück tags drauf – in der Marina läuft man möglichst bei Stillwasser ein, wir haben Zeit bis mittags – noch ein Blick aufs Wetter: … hmh. Vielleicht nach ein paar Stunden Segelei ein bisschen schwachwindig, aber bis Fernandina würden wir es gut schaffen, wenn wir jetzt gleich den Anker ziehen?! Wir sagen der Marina Bescheid, und los geht’s. Alles gut. In der Nacht geht uns erwartungsgemäß der Wind aus. Motor an. Und plötzlich ein neues Geräusch aus der Kategorie „unangenehm“. Wir schwärmen aus – was klappert da so? Wo? Das Geräusch pflanzt sich durch das ganze Schiff fort, da vibriert nichts in irgendeinem Schapp oder unter einem Bodenbrett. Das kann nur aus dem Bereich Propeller/Welle kommen. Oh, Schei…
Fernandina ist eigentlich ein schöner Pausenplatz mit Gürteltieren auf der nahegelegenen Insel Cumberland, aber danach ist uns gerade nicht. Die Stadt empfängt uns mit einem gewissen industriellen Charme: rauchende Schornsteine und süßlich-saurer Geruch von großen Bergen Holzmehl. Wir haben eine Wellpappenfabrik vor der Nase. Fernandina liegt im St. Mary’s River, auch hier reichlich Strom – und als der am Nachmittag nachlässt, gibt es nur eines: Neoprenanzug hervorkramen und nett schnorcheln gehen. Die Sichtweite unter Wasser ist mehr als bescheiden, und so kann ich nur sehen, dass der Prop sich frei dreht, es hängt nichts herum, ich erkenne auch eine helle Stelle am Eingang ins Stevenrohr, die hat der Eigner mit heller Dichtpaste abgedichtet. Es scheint alles am Platz zu sein… Eine Zeit des Grübelns beginnt. Den Sonntag verbringen wir mit einem Spaziergang in der Stadt, die sich als überraschend nett und im Stil des 19. Jahrhunderts entpuppt. Alte Autos rollen durch die Straßen, Motorradler auf dicken Hondas und Harleys freuen sich an der frühlingshaften Sonne, die Sozia standesgemäß hinter dem Fahrer „aufgebockt“. Das Fuß-Publikum scheint eher älter zu sein – kein Wunder: Amelia Island, dessen Hauptort Fernandina Beach ist, bietet den Snowbirds (das sind die Winterflüchtlinge aus Kanada und dem Mittleren Westen) ein moderates Winterquartier, nicht zu warm, nicht zu kalt, mit Betonung auf „zu“, denn wenn es hier, wie so oft im Winter, aus Nord bläst, dann wird es doch recht frisch… Amelia Island ist auf der Atlantikseite voller Apartmentblocks.
Montag ist schlechtes Wetter, aber eine gute Gelegenheit, mit dem Dinghy ums Eck zu tuckern. 2 Meilen von hier gibt es eine kleine Werft, den Tiger Point, wo wir leider abschlägig beschieden werden, denn aus dem Wasser können wir als Notfall frühestens in 3 Wochen geholt werden. Alternativadressen: zum Beispiel in Jacksonville. Wir fühlen vor. Da freuen sich die einen schon auf unseren Besuch, bis wir merken, dass wir unter der letzten, entscheidenden Brücke nicht hindurchpassen. Eine weitere Alternative sähe uns an der Mündung des St. Johns River (wie praktisch, rein/raus schnell gemacht), jedoch gleichzeitig am Ende der Welt (wie unpraktisch. Amerika ist halt Autoland, und wer weiß, wie lange die Reparatur dauert). Also: St. Augustine. Wir übernachten kurz im St. John’s River und müssen für die 30 Meilen nochmal den Motor zu Hilfe nehmen, aber immerhin hat sich ein Boatyard gefunden, das St. Augustine Marine Center.
Die Stadt ist hübsch – Floridas älteste befestigte Stadt, sehr spanisch! – , wir holen uns am Freitag in der CVS Pharmacy unseren Boostershot, können eine neue Starterbatterie kaufen, lauter solch schöne Sachen.
Und seit gestern steht Akka an Land; es bewahrheitet sich, was sich als Idee in des Eigners Kopf schon länger verfestigt hat: die Verschraubung zwischen Wellenlager und Stevenrohr hat sich gelöst. Nichts wirklich Schlimmers also – nun harren wir der Dinge. Hoffentlich ist der große Drehmomentschlüssel leichter zu finden als in Stingray Point… Drückt die Daumen, dass es bald weitergeht.
Ach ja. Eine Schmarre haben wir auszupolieren – das Dockingmanöver gestern war keines, das rühmlich in die Annalen eingehen wird. Bei sehr viel Wind von querab und noch mehr Strom machen wir „ganz kurz“ am Ponton der benachbarten Coast Guard fest, wo wir (ich höre die Panik in der Stimme der Boatyardsekretärin Erica am Telefon) KEI.NES.FALLS liegen bleiben können, bis der Travellift bereit ist. Einer meiner „scheiße-scheiße-scheiße“-Momente. Man könnte auch sagen: ein unkoordinierter Abgang. Zum Schluss verhakt sich noch die letzte Landverbindung, in die wir eigentlich eindampfen wollten. Ich schmeiße sie an Land und hole sie mir später zu Fuß wieder, übers Coast Guardgelände trappelnd (so ist das sicher nicht gewollt). Die Tasche vom LifeSling muss ich wohl reparieren und der dicke Kugelfender zum Eindampfen braucht einen neuen Überzug… siehe oben. Hatte ich über Hafenkino gelästert? Wir hatten glücklicherweise kein Publikum, aber… hat jemand den Mantel des Schweigens gesehen?
Sonst ist alles gut. Wenn denn die Helfer bald auftauchen!