Zahnarzt und Staulisten und andere Freuden

Jacaré, 30.11.2008

Ganz langsam werden wir fertig. Soeben (Sonntag!) kommt Philippe, der Marinaeigner und bringt das Paket vorbei, in dem unsere Post und die neue 500 GB-Festplatte stecken, Sachen, die uns Traudl aus Deutschland nach Brasilien geschleppt hat. Mit dem Tracking von Postsendungen ham wa’s ja hier – das Päckchen ist sicher seit Freitag hier, aber im Tracking steht es seit 24.11. auf „encaminhado, Em trà¢nsito para CTE RECIFE“. Na, wenn es auch ohne Tracking ankommt, soll es uns ja egal sein. Blue Songs Ankerwinde ist auch da, so sind alle zufrieden; außer mir, ich hätte gleich zwei solche fetten Festplatten bestellen sollen.
Andreas berauscht sich während ich die Platte füttere (und Blog schreibe) an Rechnungen der Energiewerke Isernhagen und neuen Steuernummern. Aufwühlende Post, wie er sagt…

Seit Freitag nimmt die Aufbruchstimmung zu – ich habe Proviant gekauft, mal wieder nur mit einem peripheren Plan, aber voll sind die Schapps jetzt definitiv. Tomaten in Dosen gibt es nicht, und dabei schreibt Bernd aus Trinidad, dass Tomaten in French Guyana 15 ‚¬ pro Kilo kosten. Wir werden auf Papaya-Gemüse umsteigen müssen. Der Einkauf verlief ein bisschen kompliziert: mit dem Bus zum Carrefour, nur dort gibt es das Steviapulver für eben jenen Bernd, der eine Jahresdosis nach Trinidad geordert hat. Bei der Gelegenheit fiel mir auf, dass die Preise im Carrefour eigentlich ein bisschen hoch sind; also doch kein Provisioning beim Carrefour, sondern zurück nach Intermares! Und so ging dann der Maximalumsatz des Tages an den örtlichen Litoral-Supermarkt. Da kriegt man auf die billigen Preise auch noch Rabatt auf Barzahlung und eine Taxifahrt mit dem ganzen Gerödel „on top“. Es grinst die Bordfrau zufrieden. Brasilianischer Kaffee ist nun im Übermaß an Bord; wir erinnern uns an die verzweifelte Suche nach nicht-Instantkaffee in der Karibik – wahrscheinlich können wir dort mittlerweile in gemahlenem Kaffee baden, die Globalisierung hat bestimmt vor Grenada und Co. nicht Halt gemacht. Dennoch – die gebunkerten 50 Pakete werden ein Weilchen reichen. Verschiedene Mehlsorten für anheimelnde Brote, und „die Sache mit dem Konus“ wurde auch wieder belebt, alle PETflaschen sind wieder voller Fettucine und Spaghetti. Hatte ich dazu schon mal gesagt, dass ich das eigentlich ausgesprochen praktisch finde? Es kommt immer eine Portion Nudeln aus der Öffnung! Das Prinzip bleibt bestehen…
Seit Freitag sind wir auch mit unseren Zahnbehandlungen fertig – sehr nettes Gefühl, wir haben nämlich einen englisch sprechenden Argentinier ausgegraben, der hier ganz in der Nähe seit 4 Monaten eine Praxis betreibt und Verständnis dafür hatte, dass wir „mal ganz rasch“ alles durchgeguckt haben wollten. Guillermo Gutierrez und Frau Kenia, der Doctora der Parodontologia. Mit Andreas hat er sich ganze 10 Stunden beschäftigt, samt Extraktion und was allem dazu gehört; ich hatte an die 3 Stunden auf der Uhr – was aber auch daran liegt, dass die Praxis eine one-man-show ist, sprich: keine Helferin mal einen Bohrer wechselt. Und dann geht ein Teil der Zeit auch noch auf Kosten der Tatsache, dass wir Kurzabrisse in brasilianischer und argentinischer Geschichte erhielten, über Kultur und Unkultur in Brasilien berichtet oder Lebensgewohnheiten im Allgemeinen geschildert wurden; Karneval, Kriminalität und Eitelkeiten, Lula, Chavez und Morales. Hatten wir alles. Das alles auf englisch-portugiesisch-spanisch, und dem Patienten bleibt nichts anderes übrig als ein nasales „…ngngnng! Gaa, gaaaa!“ von sich zu geben, abwehrend oder bestätigend, ganz nach Wahl. Gefallen hat es uns allemal – erschwingliche Leistungen, beruhigende Ergebnisse und unterhaltsamer Aufenthalt. Und nun lächeln wir mit dem brasilianischsten aller Lächeln in die Welt – ein ganz breites mit polierten Zähnen. Einer der Kernunterschiede zwischen den Brasilianern und den Argenitniern: letztere halten sich nämlich eher die Hand vor den Mund. Sagt Guillermo.

Zähne wollen wir dann demnächst auch dem Atlantik zeigen. Wenn wir den täglichen Funkrunden mit der Present Glauben schenken dürfen, wird es zeitweise ganz schön windig. Und Welle hat’s auch. Aber nur zeitweise.

Drum ist jetzt Schluss – ich muss unsere Seebeine raussuchen. Wo hatte ich die noch mal gelagert?? Beim Roggenmehl?

Die einen kommen, die anderen gehen…

Es fing heute leicht emotional an: Tröten und Winken für die PRESENT. Fort sind sie, auf dem Weg zu den Guyanas. „We will miss you“ hatten wir schon gestern abend ausgetauscht und dabei ein Glas Champagner geschlürft; ich hatte dazu extra meine geheime Plastikkiste mit den Mundgeblasenen herausgekramt. Wat man nich‘ alles so mitschleppt – aber dies war ja auch ein würdiger Anlass. Zur Niedrigwasserzeit und nach dem Funk-Sked mit der Petite Fleur, denen es in den Iles de Salut vor französisch Guyana nur allzu gut zu gefallen scheint, kamen sie herübergerudert. Schon am Samstag waren die beiden im Fluss vor Anker gegangen, eine Art kleine Abreise, bei der wir die Leinen bedient hatten, und die bei mir schon dieses ganz leichte „bald geht es los“-Kribbeln erzeugte; aber Len und Janna waren eben schon ein Stück weiter, die Schapps gut gefüllt, alles gecheckt – los! Ein letztes Mal Klönen im Cockpit, das letzte Glas, die letzten „kleinen Mundvoll“, der versprochene „big hug“ auf dem Steg und dann „…auf Wiedersehen!“. Wir wollen es hoffen; geschlagene 7 Monaten haben wir jetzt in Sichtweite in Jacaré gelegen (naja, wir waren mal kurz 3 Monaten in den Anden, aber sonst…), 2 Wochen Transäquatorreise immer in Funk- wenn schon nicht Sichtweite hinter uns gebracht, gemeinsam Gambia River bereist und Dakars Dreckwasser genossen. So wie wir uns in Cascais kennengelernt hatten, verschwanden die beiden im Dunkeln: rudernd in ihrem Portabot.
Vielen Dank, Ihr beiden, für viel nette Gesellschaft, für noch mehr gute Tipps, Gespräche und Motivation, für gemeinsame Schwimmengehen und andere Späße mit Janna, für’s Verbinden eines abgerissenen Zehennagels, Funkberatung in Sachen Computer, Berge von Movies… Und nicht zu vergessen das viele Gelächter.
Vielleicht klappt es ja irgendwann mit der gemeinsamen Durchquerung des Panamakanals … Wir wünschen Euch jedenfalls eine gute Reise nach Suriname!

Wir basteln nun weiter an unserer Abreise – einen kleinen Schreck zuvor gab es gestern: die erste Schabe dieser Reise IM Schiff; draußen hatte es schon einmal eine gegeben, aber drinnen, nee… Jetzt wird gegraben und Goliathgel verteilt. Noch jemand ist angekommen – eine wunderschöne Grabwespe, die an meinem „Großen Liederbuch“ ihr Nest bauen musste. Ich dachte, sie raspelt sich Papier vom Umschlag ab und ließ sie gewähren; als ich heute vom Stadtgang mit Sabine/AIKANE und einer Runde Kartenkopieren zurück komme, hat Andreas den Niedergang zugehängt und das Buch steht draußen. Nix „Material abtragen“ – Material hinzufügen war angesagt: die Wespen-Laube war schon fertig. Und wie man sehen kann, fand die Wespe auch am „Schiffbruch mit Tiger“ Gefallen.

Was nun noch kommen muss, ist das Paket mit der neuen Festplatte und der Post – ist aber schon auf dem Wege. Und dann sind wir auch bald reisebereit. Wie schon gesagt: es kribbelt schon, ein zwischen angenehm und sehr gespannt angesiedeltes Kribbeln. Die Strecke ist mittellang, fast so lang wie die Äquatorreise. Erste Etappe: Kourou – wir müssen doch Ariane gucken. Aber bis dahin….

Der Winter ist vergangen…

… wir seh’n des Novembers Schein. Ganz klar: die Brasilianer kommen hier im Nordosten aus ihren Winterlöchern – wie mag das nur da sein, wo es wirklich (ein bisschen ) kühl wird während der Wintermonate, in Santa Caterina und Co.? Pedi fragt per Mail, ob denn der Weihnachtsmann auf der AKKA auch durch den
Schornstein kommt. Wir wissen es nicht, wir haben gar keinen Schornstein, wir brauchen keinen und werden den Nachweis so nicht führen können, es sei denn, der W’mann quetscht sich durch den Auspuff.
Die Stimmungsänderung, die mit dem Temperaturanstieg um geschätzte 3 ° einhergeht, zeigt sich an verschiedenen Stellen: Die Straßenverkäufer in Joao Pessoa haben sich seltsam vermehrt – mehr Cocoswasser, mehr Süßigkeiten, mehr Zigarettenbauchläden. Die Madels legen richtig los mit den freien Hautstellen! Am Wochenende ist das Leben auf AKKA unruhig; ab Freitagnachmittag wird fahrbaren Untersätze mit den vielen PS aus dem Bootslager geholt, und dann geht es ganz langsam an unserem Steg vorbei, die Bässe wummern dazu. Denn sie wissen nicht was sie tun, kann man da nur sagen – Verdrängerfahrt von „meiner ist länger“ ist so schlimm wie mit dem kleinen Spaßbötchen und „volle Granate“ über den Fluss brausen. Achtungsabstand hin oder her, wir tanzen in den Leinen. Ochsen, oder genauer geschildert, ein befreundeter Co-Segler springt des Abends an Deck und schreit schon mal „…you buggers!“. Nein, nicht die Present…
Zur Entspannung gehen wir sonntags da hin, wo alle nicht-Bootsfahrer hingehen – ins Manaà­ra Shopping Center, Computerfragen lösen. Der Konsumpalast ist nochmals um ein paar Grad weiter runtergekühlt, wunderbar; JETZT wäre es an der Zeit, die Eisbahn zu aktivieren, die uns im Juni/Juli hier erfreut hat. Aber nein, die musste der Weihnachtslandsc aft weichen, und alle Kindlein in Hot Pants und Flipflops müssen zwischen Polyethylen-Watteschnee beim weiß gekleideten Weihnachtsmann und seiner Frau (?!?) auf den Knien hocken und schöne Fotos machen lassen. Es glitzert und blinkt und natürlich tönt es auch. „Fröhöhöliche Weihnacht überahall“, Rudy the rednosed reindeer ist unterwegs und lässt seine Glöckchen klingeln. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir das so erleben, aber es bleibt merkürdig. Das Weihnachtssaisonbild in uns ist eben doch schwer in Winterstimmung betoniert. Entsprechende Mails kommen aus D’land. Aber wir vermissen die „wahre Adventsstimmung“ nicht wirklich. Vielleicht den einen oder anderen freundlichen Leser hier, aber Weihnachten in Südamerika geht auch sehr gut, und bis dahin sind wir sowieso in Guyana. Noch ein bisschen näher am Äquator. Was singen wir dazu?
„Summertime“…

Nein! Es geht noch nicht los…

… auch wenn ich mal vorsichtig in den Positionsreport geschrieben habe, dass wir uns langsam vorbereiten, nach Norden abzureisen. Aber da muss erst noch das Postpäckchen von Traudl aus Sao Paulo angekommen sein, oder wo immer das herkommen wird, und wir müssen „fertig“ sein. Und das kann bekanntlich dauern.
Aber es stimmt schon – wir werden langsam zappelig, die AKKA auch, die Reihen am Steg lichten sich zusehends. Gestern früh um 5 fuhr unser Nachbar los, der vor ein paar Wochen den Platz der IMAGINE eingenommen hatte. Mit 82 Fuß nicht ganz doppelt so groß wie die AKKA, und die fühlt sich jetzt ganz nackt an der Steuerbordseite. Schönes Ablegemanöver übrigens; völlig cool trotz hakendem Anker. Da haben wir hier schon ganz andere Kunststücke gesehen, das ist nämlich eine Spezialität hier: Du liegst innen am Steg, guckst über die Reling und sagst: „… kein Tidenstrom mehr. Leinen los!“ und so schnell wie Du dann auf der gegenüberliegenden Seite auf den anderen Schiffen hängst, kannst Du gar nicht gucken. Wir werden definitiv Stillwasser abpassen, dieses Schauspiel samt der Kollateralaktionen und -schäden ist vermeidbar. PRESENT macht sich auch langsam auf den Weg nach Suriname, und so muss ich vorher noch versuchen möglichst viel Computer- und Funkwissen herüberzusaugen. Glücklicherweise läuft wenigstens nach dem Ausfall meines Laptops der alte „neue Rechner “ mit Airmail, also kriege ich Wetter unterwegs und kann schöne nächtliche Mails mit den Lieben austauschen.
Ansonsten ist es heiß und wir basteln – Steuersäule neu streichen, Ankerkette mal wieder säubern und prüfen, Vorschiffs-Sonnensegel konzipieren und das große Sonnensegel optimieren; nur 3 kleine Scheuerstellen hat es gegeben – es steht doch immerhin seit 6 Monaten ununterbrochen, auch in unserer Abwesenheit; ich bin stolz auf mich als Näherin und auf das geballte Gehirnschmalz von uns beiden, das zu dieser Konstruktion geführt hat. Dafür muss ich was anderes reparieren… Ich zeig es mal im Bild – auch dieses 6 Monate unter der Saling. Der Stoff vom „Kilo San Bernardo“ in Las Palmas, wo ich Stoffe in allen Farben für viele selbst zu fertigende Gastlandflaggen rund um die Welt gekauft hatte, ist so einem langen Zeitraum unter tropischer Sonne einfach nicht gewachsen.

Übrigens gibt es keine Smilies 😉 mehr – mein Mann, der Eigner, meckert berechtigterweise, dass ich meine Pointen nicht mit einem Karnevalstusch begleiten müsse. Mal gucken!

Erst urrgs, nun uff …

Bisschen anders sieht der Blog ja nun aus, aber nur ein kleines bisschen. Freund Wolfgang hat sich gestern und heute die Mühe gemacht, den Spam-Verursacher im Quelltext dingfest zu machen, und diesen ins Jenseits verbannt und dabei gleich die Gelegenheit genutzt, den Blog auf eine neue WordPress-Version zu hieven. Will sagen: alle 150 Beiträge fein rüberkopiert und die allermeisten Umlaute schon wieder in lesbare Formate gebracht. Der Rest liegt nun an mir, und da will ich ja dann auch fleißig sein.

Allerdings wird uns das nicht ganz so leicht fallen, weil leider nur noch ein Rechner zur Verfügung steht, also müssen wir die Nutzung generalstabsmäßig planen. Jetzt, 00:07 am Morgen, ist die Zeit gut für mich. Ach, der Rechner – zunächst war ich ja noch hoffnungsfroh, dass ich die alte externe Festplatte zur neuen internen umwidmen kann, hatte eine Einkaufstour gemacht um eine neue externe zu holen, hatte mich dabei auch schon weitgehend über das weitere Vorgehen schlau gemacht (soweit  das überhaupt möglich ist) und mich froh ans Werk gemacht. Dieses Werk endete dann heute in einer Erkundungsexpedition in Sachen „neuer Rechner“ im Maneira-Shoppingcenter; das mögen wir beide sehr gern besuchen, weil es dort zum Schluss immer ein rituelles Sushi-Essen für kleines Geld gibt… Kurz: der Rechner scheint kaum zu retten, denn nicht nur die Festplatte, nee, auch das CD-Laufwerk tut es nicht mehr; glücklicherweise gibt es ja SKype, und Wolfgang war passenderweise online, um mir beim rätseln zu helfen. Ein bisschen kannte ich die Macke ja schon, aber nun ist dieses Laufwerk die einzige verbliebene Chance, den Rechner mal wieder ans Laufen zu kriegen. Es sei denn, ich schaffe noch schnell ein altes Floppy-Laufwerk an – aber nun ist das Ende der Investitionsfahnenstange erreicht. Sagt der Eigner. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, aber es sieht schlecht aus. Oder auch gut: der alte Rechner gibt ja noch ein feines Ersatzteillager ab. Nur die Daten, die scheinen nun endgültig hinüber, es sei denn, die für morgen geplante Fahrt zur Tankstelle – Laufwerk ausblasen! – erweist sich als Weg zur Wunderkur.

Ansonsten: im Osten nichts Neues. Jacaré ist unverändert, die Kollegen reisen peu à  peu ab, die meisten Richtung Norden, Bluesongs sind mit dem Flieger Richtung Argentinien unterwegs, Presents bereiten sich auf den Ritt nach Suriname vor. Und wir? Keine Ahnung! Bilder von der Andenreise in die Website einstellen – das ist mein Projekt. Und das Deck schrubben. Ein Sonnensegel für das Vorschiff fertigen. Belüftung für die Eignerkammer verbessern. Und irgendwann irgendwohin weiterreisen.

Urrgs…

Der Alltag hat uns wieder. Kaum bin ich dabei, Bilder auszulesen und schon mal für den Blog und die Website vorzubereiten, gibt es einen „blue screen“, und das war es dann nun mit meinem alten Rechner. Ganz schön behindert ist man so „ohne“, zumal der Chef auch nach der Reise gern stundenlang umhersurft. Und eine neue IDE-Festplatte kriegt man hier nicht so einfach, und dann stellt sich auch noch die Frage, ob man die Daten irgendwie retten kann oder nicht. Mist. Das ist ein nervöses Kaugummikauen wert. Wieso ich das erwähne? Na, weil da dann gleich ein Stiftzahn mit dranhängt, kann man sich doch denken. Die Zahnärztin war 100% brasilianisch, aber sehr nett, und wir werden ihr noch einmal einen Besuch abstatten, zur allgemeinen Kontrolle.

Jetzt wird weiter gerätselt, wie das mit dem Rechner weitergeht. Übrigens, Obama hat gewonnen, sagt die Tagesschau!

Home, sweet home…

Es war ein denkwürdiger Moment: Das Niedergangsschott aufschließen, einen tiefen Atemzug nehmen und das Gefühl haben, zuhause angekommen zu sein. Wir sind wieder da, kleine AKKA, große AKKA! Ein bisschen staubig war das Deck, aber sonst war alles in Ordnung, und wir scheinen auch noch den rechten Zeitpunkt für die lange Reise gefunden zu haben: mit Ende der Regenzeit ist die Luftfeuchtigkeit so weit reduziert, dass wir nicht mal große Schimmelattacken reiten mussten. Jetzt heißt es aufräumen, Rumpf schrubben, Anoden prüfen – und neue Pläne machen.

BLUE SONG, Jochen und Traudl, deren Spuren wir ja teilweise gefolgt waren, bereiteten uns abends einen Klasse Empfang mit der ersten Caipirinha; eine Wohltat nach den 43 Stunden Busreise. Und tags drauf gab es ein langes Quatschen und Weintrinken und Würstchenessen mit der PRESENT – wie schön, zusammensitzen zu können… PETITE FLEUR war auf dem Funk zu hören, 750 Meilen von hier auf dem Weg nach Norden – wir wünschen Euch eine gute Reise!

Natürlich waren wir alle voll von unseren individuellen Erlebnissen – Hollandbesuch, Iguazu, Pantanal auf der einen Seite, aus uns quollen die ganzen Anden-, Peru- und Bolivienerzählungen hervor. Und da steht ja auch hier noch der „Rest der Reise“ aus.

Um in Campo Grande anzufangen: Das mit den dicken Füßen klappt bei 24 Stunden Busreise ganz gut, und der Bus ist auch nur ein ganz kleines bisschen zusammengebrochen. Nein, eigentlich ist wohl der Fahrer zusammengebrochen, weil er einen Wassertemperatur-Warnton nicht ertragen konnte und sich weigerte, mit 85 ° C Kühlwassertemperatur weiterzufahren. Bis Uberlandia hat er es dann doch noch geschafft, und die restilichen 10 Stunden war dann ein anderer Fahrer am Lenkrad, wahrscheinlich einer mit Hörschaden genau auf der Warntonfrequenz ;).
Um 20:00 abends dann BRASILIA. Ich hatte eine kurzen „ich will sofort weiter“-Impuls, kein Schwein versteht mein Spanisch, und ich habe jegliche Fähigkeit, Portugiesisch zu sprechen auf 4000 m Höhe in den Anden verloren. Oder im Amazonas versenkt. Und beide haben wir einen massiven „merkwürdige-Stadt“-Eindruck. Der Taxifahrer fuhr uns vom weit draußen gelegenen Busbahnhof – in jeder Hinsicht „jwd“! – nach kurzer Diskussion brav zum gewünschten Ziel (703 ASA Sul, Bloco N, casa 34; allein das soll schon mal jemand Unbedarftes und übermüdetes verstehen!), wo dann auch prompt KEINE Pousada Dom Bosco zu finden war, er schaffte uns aber zu einer anderen, auf der Nordseite der Haupt-Straßenachse, wo ich dann nochmals kurz zusammenbrach wegen der ungewohnten 120 Reais (knapp 50 ‚¬) für die Übernachtung. Der Chef guckte mich nur komisch an: „… das ist doch normal hier!“, und dann war es auch gut. Dann „Finanzkrise“ – Brasilien ist nicht sehr gut mit Geldautomatenversorgt, längst nicht so wie die anderen Länder, und so gab es kein Geld vom HSCB-Automaten. Lesefehler, Systemfehler, was weiß ich. Die Sparkassenkarte tat es dann aber im Hotel, so dass wir wenigstens Zahlungsfähigkeit demonstrieren konnten. Zimmer im Keller, naja – ach, nein, eigentlich in Ordnung… Über bröckelige Gehwege trugen uns die schon abschwellenden Beine zur Pizzeria. Wirklich, merkwürdige Hauptstadt. Aber mit viel Pizza im Bauch (2 zum Preis von 1! 80% der Zweitpizza verschlang dann unser Hotelnachtwächter, jeden Tag eine gute Tat!) schlief es sich dann doch gut, der Bus am nächsten Morgen zum stödtischen Busbahnhof war dann schon eine Erleuchtung – Felipe Massa ist nix dagegen und die Straßenführung kann man getrost als weitsichtig und futuristisch bezeichnen und verträgt auch eine zügige Fahrweise. Die Rucksäcke dann wieder draußen am Überlandbahnhof abgekippt und dann… Tja. BRASILIA! Ich fand es einfach umwerfend.

Wir gucken uns die Dom Bosco-Kirche an – eine Kombination aus grauen Betonstelen, die innen weiß und mit dunkelblauem Muranoglas gefüllt sind.

Die Kathedrale – ein Beton-Tipi, glasklar und hell. Wir latschen durch die Botschaftsviertel und freuen uns an der größten aller Botschaften, der päpstlichen Nuntiatur ;). Und treten Aspalt und treten Asphalt und treten… Die ganze Stadt ist perfekt durchgeplant und m�gen die Gebäude auch teilweise klotzig sein – alles hat durch die großräumige Anordnung eine gewisse Leichtigkeit. Die lange Reihe der Ministerien – eine Bannmeile scheint es nicht zu geben, vor jedem Eingang gro�e Gewerkschaftsplakate mit Aufforderungen der Beamten an die Minister und den Präsidenten, dazu Musik und ein bisschen Demo. Das Außenministerium sticht architektonisch heraus – weitläufiges Gebäude, drumherum ein weiter Wassergraben. Als Original Landpomeranzen kommen wir gar nicht auf die Idee, dass man das Gebäude besichtigen könnte; dass wir das verpasst haben, werden wir erst von der Blue Song erfahren. Diese ganze Achse der Regierungsgebäude führt geradlinig auf die Praca de 3 Poderes zu, den Platz der 3 Mächte, dort hinten, wo man eine kleine Nationalflagge wehen sieht ;). 287 qm knattern da im Wind, monatlich einmal unter tschingderassa-bumm gewechselt. Mittig auf der Achse liegt das Parlament, auf der Nordseite das Präsidialgebäude und nach Süden der oberste Gerichtshof. Der alte Herr Niemeyer hat sich das gigantisch ausgedacht. Eine Weile sitzen wir unter der Flagge, auch die übrigens hochsymbolisch, und ich schäme mich ein bisschen meiner selbst genähten Gastlandflagge… Den Leitspruch „Ordem e Progresso“ auf dem gelben Äquator habe ich durch schwarze Krakel ersetzt, und das Sternbild – der Morgenhimmel über Rio am Tag der Verfassungslegung 1904 – sind willkürlich gesetzte Pünktchen, die bei mir die verschiedenen Stofflagen zusammenhalten. Ignorantin.
Ich denke mir, dass es einfach Spaß machen muss, in so einem Gesamtkunstwerk zu leben und zu arbeiten. Und Andreas findet das auch. Nur… Der alte Architekt („… tragen und lasten!“) kommt durch: „… dass das nun alles gleichzeitig zerbröckeln wird. Wie schade!“ Stimmt. Es bröckelt schon, aber es bleibt beim Gesamturteil: Fantastisch.
Als es dunkel wird, kehren wir noch auf einen Kaffee ohne Zucker (das gibt es in Brasilien, man sollte es nicht glauben!) ein und um 21:40 rollt der Bus Richtung Recife an. Vor mir für 40 geschlagene Stunden ein Mann, der alle 2 Minuten aus den Tiefen seiner Neben- und anderen Höhlen hübsch den Rotz hochholt. Vor mir? Dank klappbarer Rückenlehne auf meinem Schoß… Andreas bittet nachzutragen, dass er das nur gemacht hat, wenn er nicht schlief, und er schlief glücklicherweise häufig… Zwei Paar Ohrenstöpsel gehen so drauf von Brasilia bis Recife, aber ich hatte wenigstens meine (Seelen-)Ruhe. Man lernt sich zurückzunehmen auf so einer Reise. Als wir das unseren Kollegen von PRESENT und BLUE SONG erzählen, können alle das gleiche Lied singen. Na also, da sind wir ja auf was typisch Brasilianisches gestoßen ;).
Alle paar Stunden hält der Bus zwecks Piesel-Pause oder Abendessen, Frühstück, Lunch, so kriegt man die Zeit rum, wie auch mit Lesen und Pennen, in Maceio leert sich der Bus bis auf ein paar Gestalten, die wie wir Ziel Recife ansteuern. Noch eine kleine Panne – ein Gelenkkopf bricht an einem Hydraulikzylinder für die Gashebelbetätigung – die zu Andreas Verwunderung mit Bordmitteln, sprich: einer Rolle Draht, behoben wird, („… das KANN einfach nicht funktionieren! Der wird mich doch nicht Lügen strafen…“), aber der Bus tut’s wieder und um 12:30 sind wir da. Wir schultern die Rucksäcke, traben zum Fahrkartenschalter für Joao Pessoa und sitzen schon 15 Minuten später im Bus zum endgültigen Zielanflug. Joao Pessoa. Hier sind wir schon fast zu Hause. Und der Rest, der steht ja dann oben. Home, sweet home!