Brasilien

Campo Grande, 27.10.2008

… naja, die 1000 km aus dem letzten Beitrag waren nur 650, der Urwald „ur“-eigenes Agrargebiet von Europaeern und merkwuerdig gekleideten Sektenangehoerigen: Latzhosen, schwarze Kleider, jedoch mit fast durchsichtigen Nylonstruempfen / pfui! – , Strohhuete mit Satinbaendern?? Einer der kleinen Jungen hiess „Egon“… Was war das ?? Ja, na klar – Mennoniten!

ie 19 Stunden waren dann 20, aber der Zug – war ein Zug… Und ueberhaupt nicht scheusslich ; Klo benutzbar, es gab Vollversorgung durch eine nie nachlassende Schar von Ladies, die mit irgendwelchen Empanadas und Fischen und Huehnern und Gallonen von Erfrischungsgetraenken durch die Reihen gingen. Wir trafen an der bolivianischen Grenze zwar ein paar Deutsche, die auf dem Herweg die Zugfahrt als graesslich empfunden hatten und nun voellig genervt waren von der BUS-Fahrt nach Corumbà¡; unsere 20 Stunden Geschaukel und Gehopse (ja!!) eines uralten Schienenwaggons waren eine gute Wahl – die anderen hatten 50 ungewisse Stunden auf schlechtesten Strassen in einem nicht minder betagen Bus. Klimaanlage brauchte man im Zug nicht, die Fenster waren stets weit geoeffnet (und am sich verteilenden Spuelwasser-Aerosol konnte man auch wahrnehmen, wenn das Klo mal wieder frei war)… Morgens um 8 waren wir dann in Quijarro, improvisiertes Fruehstueck, Taxifahrt zur Grenze, Formalitaeten etwas laenglich, Taxifahrt nach Corumbà¡. Brasilien, wir sind wieder da! Gewoehnungsbeduerftig und Kulturschock „andersherum“ ; nach 2 Monaten in Peru und Bolivien hat man sich an die Loecher im Asphalt genauso gewoehnt wie an die doch sehr moderaten Preise, das geringe Verkehrsaufkommen und die freundlichen Leute. Hier ist wieder ein bisschen mehr Hektik und eine ganze Stange mehr Geld im Spiel, wir sind naemlich gleich noch 6 Stunden weitergefahren bis Campo Grande, im Pantanal. Da sassen wir dann abends auf dem Buergersteig an der Busstation und kriegten unser erstes Churrasco auf den Teller gesaebelt.. Fast wie „daheim“ bei AKKA.

Aber eben weil es doch alles ein bisschen teurer ist und wir irgendwie auch gesaettigt, geht es noch heute weiter nach Brasilia. Dicke Fuesse holen -24 Stunden Busreise… Immerhin können wir doch noch Brasilia betrachten und werden dann den Rest der Reise ausknobeln. Bis dann!

The Old Bolivian Express

Santa Cruz de la Sierra, 24.10.2008

Paul Theroux und sein „Old Patagonian Express“ – das war ja auch nicht immer ganz einfach. Morgen um 12 geht es los, nur fahren wir nicht mit dem Zug durch die Amerikas, sondern nur ein ganz kleines Stueck durch Bolivien. Allerdings: Bluesong war vor ein paar Wochen hier und schrieb, dass die Zugfahrt „viel ungemuetlicher als alle Busfahrten“ gewesen sei. Na und? Nun ja, wir haben halt nicht den Ferrobus am Sonntag gekriegt, mit Klimaanlage und Bettchen und Fresschen, so wie wir gewuenscht hatten; der ist naemlich rappelvoll. Und der „Express Oriental“ heute ist es ebenso – da haette es ein paar Abstriche bei der Sitzqualitaet gegeben, aber das haetten wir schon hingenommen. Was bleibt? Auf den Spuren von Paul Theroux – der Regionalzug morgen mittag. 19 Stunden durch den Urwald – ich sammele schon mal Plastiktueten, falls man das Klo nicht benutzen kann ;). Wie sagte der Fahrkartenverkaeufer mit einem leicht zweifelnden Blick? „…muy feo!“ Sehr scheusslich. Wir werden berichten!

Aber schön anzuschauen ist Santa Cruz – und hat dann auch noch eine ganz besondere Oase: Das Goetheinstitut, in dem man unbehelligt in SPIEGEL und ZEIT blättern kann, bis einem die Augen tränen…

Abends gehen wir tatsächlich noch einmal zu „La Casona“, selbst WENN der heute Oktoberfest hat, das Essen gestern abend war ausgezeichnet. Ich hatte einen regionsneutralen Feldsalat mit Speck und Croutons, und Andreas… Rinderleber Berliner Art! Ich bin gerade noch so an den schwaebischen Maultaschen vorbeigekommen. Das Publikum in der kleinen Casona, das sind die Kolonialhaeuser mit dem Innenhof, auf dem wir Platz genommen hatten, ganz gemischt; Japaner auf Exotik-Trip (und schliesslich waren wir ja in La Paz Sashimi essen!), europaeische Zuwanderer, deutsche Touristen, „echte Einheimische“. Dazu ein bisschen Live-Musik, drei Bolivianer schmettern Halbschmalziges zu Gitarrenklaengen. Wir eignen uns eindeutig zum „colonial bastard“. Schon gar, wenn alles so kostenguenstig ist. Andreas sammelt schon Zahlen fuer eine „pro Bolivia“-Preisliste. Hotel? 12 Euro, Pool, heisse Dusche und Glotze inklusive; man kann aber nicht immer alles haben: wir hoeren die Deutsche Welle zum Bild des Sensationssenders „Epicentro“. Naja. Auf dem Zug wird es morgen dann dafuer „live entertainment“ geben. Wir freuen uns schon 😉

Café Alexander und Oktoberfest und so…

Santa Cruz, 23.10.2008

Falls jemand sich Sorgen gemacht haben sollte: wir sind heile in Santa Cruz angekommen, und es hat nicht einmal die versprochenen 17 Stunden gedauert. Der Schlafsitz war geeignet, tatsaechlich zu schlafen, denn ich habe augenscheinlich den langen Tankstellenstopp um 4 Uhr morgens verpennt – und das waere die einzige Moeglichkeit zur Blasenentleerung bis um 9 Uhr gewesen… Dafuer fand die dann an einer Polizeikontrolle statt, an der mit „Ba�o Publico“ fuer nur 50 Centesimo geworben wurde, das beruehmte Loch im Betonboden, aber durchaus zweckmaessig. Nur die Brasilianerin nebenan – man schaut sich ueber die Trennwand in die Augen (wenn man steht 😉 ) – fand es „strange, very strange“, aber offensichtlich sind wir doch schwer abgehaertet.

Als wir heute frueh dann durch den Nieselregen am Abhang der Anden fuhren – die Eustachischen Roehren lassen die Ohren gehoerig knacken und quietschen, der Hoehenunterschied von 3.600 m fordert sein Tribut! – ist alles anders. Aussentemperatur, dicke Vegetation am Strassenrand, Felder von europaeischen Ausmassen. Die Leute tragen T-Shirt und Shorts. Die steten Begleiter auf den Mauern: „Evo, si!“ und „Evo – el cambio avanza!“ werden durch ein vorsichtiges „Santa Cruz�braucht �Evo!“ abgeloest und dann wird es doch ein bisschen deutlicher. Es fallen die Worte „Moerder“ und „genug Tote“ und ziemlich unverbluemte Aufforderungen, zu den Waffen zu greifen und sich des Praesidenten zu entledigen. Insgesamt ist der Eindruck vom derzeit ganz ruhigen Santa Cruz: Viel reicher als im Hochland, viel weisser, viel europaeisierter. Claudia, bayerische Masseurin und seit langem hier wohnhaft, erzaehlt dazu ein paar Fakten, als sie uns vorhin im Caf� Alexander anspricht, und wir tauschen uns ein Weilchen aus. . Es ist wirklich gut, verschiedene Meinungen zu hoeren, und das Verstaendnis fuer die prekaere Situation der armen Bevoelkerung in grossen Teilen Boliviens teilen wir ganz eindeutig. Uebrigens – deutsche Aerztebuerokratie-Fluechtlinge scheinen hier auch ihr Auskommen zu haben; Claudia sitzt hier mit ihrer Freundin aus einer deutschen Arztpraxis zusamman… Kleiner Tipp in die Runde 😉 (ich weiss, „…die Hygieeeeene!“).

Egal, ich muss jetzt die Bahnverbindungen nach Brasilien raussuchen und wir hoffen, dass wir das morgen stattfindende „Okotoberfest“ unbeschadet ueberstehen um dann bald die Weiterreise anzutreten.

AKKA, scheint es gut zu gehen. Len und Janna, frisch auf ihre Present zurueckgekehrt (mit unserer Post!), schicken eine Mail, die uns wirklich freut. Len hat eine ausgiebige Runde gedreht und alles, aber auch alles fuer in Ordnung befunden. Selbst mein Sonnensegel, das Riesen-Trumm, sitzt noch am alten Platz, nach drei Monaten. Puuh! Vielen Dank, Ihr Presenter fuer die beruhigenden Nachrichten und die Botendienste. Wir freuen uns jetzt doch sehr auf unsere alte Gans. Also nix wie rueber ueber die Grenze. Sind ja nur 1000 km…

Kurznachricht…

La Paz, 22.10.

Zurueck in La Paz – das hatten wir am Freitag erreicht und 2 Tage lang Abgase geschnueffelt und uns durch dunkle Gassen gedrueckt, mit Hunderten Kindern auf dem Mirador, der eigentlich ein Riesen-Spielplatz ist, Spass erlebt und danach gleich wieder Abwasserkanal genossen. Nicht 100%ig was fuer uns, und so fiel uns die Weiter- oder besser Rueckfahrt nach Sorata nicht schwer. 4 Stunden Collectivoreise nach Norden liegen naemlich unglaubliche Schneeberge, und da mussten wir doch noch einmal naeher dran. Gluecklicherweise verhob sich Andreas am Rucksack, so dass die ganz anstrengenden Bergtouren unterblieben, aber es war auch so schoen und hoch und steil. Und atemberaubend, wieder mal – bergab und auf der Ebene geht’s ja, aber bergauf… ;)Immerhin ist der Illampu 6.300 m hoch; so etwas sparen wir uns dann fuer das naechste Mal auf. Wir haben uns auf rentnerfreundliche Kleinstwanderungen ohne Gepaeck�beschraenkt, aber es unglaublich genossen, dass morgens Illampu und Ancohuma (noch ein paar Meter hoeher!) ueber die Daecher dieses zumindest derzeit verschlafenen Nestes guckten. Im Herbst, also von April bis Juni ist dort der Wander-Baer los, und ein paar vereinzelte Gringos mit Mulis und Fuehrer begegneten uns auch jetzt. Es gibt tagelange und wochenlange Trekkingtouren auf dem „Camino de Oro“ und anderen Pfaden. Wir haben uns auf die 4000er beschraenkt. Gipfelsturm fuer Kurzatmige…

Internet gab es leider keines und daher auch noch keine Bilder – aber es sind schoene dabei. Und da Evo seine Massen derzeit wohl einigermassen im Griff hat (ein paar Tausend kamen uns am Sonntag auf dem Marsch nach La Paz entgegen!) springen wir heute abend auf den Bus nach Santa Cruz – wir hoffen, dass beide Seiten zufrieden sind mit dem Kompromiss um das Referendum zu Verfassungsaenderung und Autonomiebestrebungen, und bis zum 26. Januar sollten wir die brasiliansiche Grenze dann auch erreicht haben ;). Gut von Present zu hoeren, dass AKKA friedlich vor sich hin schwimmt. Im Ernst – wir reisen jetzt wirklich langsam zurueck…

Puno

… das war erst einmal ein bisschen: Puh – noeee! Von Cusco ueber den staubigen Altiplano, der halbe Bus entschlummert sanft in den Hoehen, die wir ueberqueren, wir auch. Sieht nicht besonders einladend aus von oben – braune Lehmhaueser ueberall, wenig Vegetation. Der Caf� con Leche auf dem Balkon des Restaurant Mojsa (Aymara fuer „suess, lecker“) stimmt uns aber versoehnlich, und da gab es dann abends auch ein sensationell gutes Essen, Taboul� aus Quinoa – zum Nachahmen gut! – und hinterher Rind fuer den Chef und Alpaka vom Grill fuer mich. Mmmmh.

Und der Eindruck heute frueh um 6 Uhr war dann so einer: Ich stehe vor dem Klohaeuschen und habe mich gerade mit kaltem Wasser aus dem Eimer gewaschen, hinter mir schreit ein Esel erbaermlich, tief unter uns glitzert die Ostsee durch die Baueme, es scheint ein kalter Herbsttag zu sein. Wo kommen nur die Eukalyptusbaeume her? Und die schneebedeckten Berge? Ist wohl doch nicht die Ostsee – die Hoehe laesst einen halluzinieren. 3800 m liegt der Titicacasee hoch, und wir waschen uns gerade ein kleines bisschen hoher, in einem kleinen Dorf auf der Insel Amantani. Titicaca, auf Aymara „grauer Puma“ und auf Qechua „Puma aus Stein“ – aber der Anblick laesst einen an die AKKA denken, und dran, dass wir vielleicht jetzt doch ein bisschen Geschwindigkeit in diese Richtung aufnehmen wollen.

Was wir dort getan haben? Das, was alle Toruisten hier machen – einen Ausflug zu den schwimmenden Inseln der Uros (die mittlerweile auch mehr Aymara als Uro sind) und die der eine oder andere Reisefuehrer richtigerweise als „schwimmende Souvenierstaende“ bezeichnet. Es war trotzdem interessant anzuschauen – und immerhin traegt jeder Besucher dazu bei, dass die Kunst, die Inseln aus Schilf zu anzufertigen und zu erhalten, ueberhaupt ueberleben kann.
Danach kamen 3 Stunden Schaukelfahrt zum eigentlich Ziel der Fahrt, eben Amantani, wo wir – eine Gruppe von vielleicht 20 Gringos – von einer Reihe traditionell gekleideter Frauen (hier: kein Hut sondern ein grosses, besticktes schwarzes Tuch zu den vielen Roecken!) in Empfang genommen und auf die Familien des Dorfes verteilt wurden. Spannung pur. Wir waren gleich die ersten, eine kleine, junge Frau stellt sich vor: „Gladis“ und springt ziegenmaessig vor uns den Berg hinauf – wir schnaufen hinterher, durch Gaerten und an Aeckern vorbei. Ein klitzekleines Gehoeft, aus Lehm gebaut, ist der Endpunkt der Muehen – Gladis zeigt uns ein picobello hergerichtetes Gastzimmer mit blanken Dielen und drei grossen Betten und drueckt uns fuer das Gaesteklo jenseits des Ackers einen Eimer Spuelwasser in die Hand, waehrend sie schnell das offene Holzfeuer anschmeisst – es kokelt ein bisschen durch das Kochhaus.

Auf einem Tonoefchen wird in ebensolchem Geschirr eine Kartoffelsuppe bereitet, mit einem Gewuerz, das sie auf dem Weg herauf schnell gepflueckt hat, wie auch das Monia-Kraut, das ins heisse Wasser kommt und einen wirklich leckeren Tee ergibt. Monia – kennen wir doch?! Ach ja, das war der Tee, der in Ayacucho vor der Busabfahrt als gut fuer „estomaco“ gepriesen wurde. Kann man sich dran gewoehnen! Wir sitzen mit Gladis in der kleinen Kueche mit dem Lehmfussboden, Lisbet kommt aus der Schule, eine niedliche, rundliche, strahlende 5.-Klaesslerin.

Mutter und Tochter sprechen Qechua miteinander, aber Spanisch geht ebensogut und so erzaehlen wir ein bisschen hin und her. Lisbet will nicht glauben, dass wir auf einem Schiff wohnen, und wir werden im Gegenzug doch ein bisschen kleinlaut, als wir den ganzen Umfang dieser kleinen Welt wahrnehmen. Gladis lebt hier mit der Tochter allein – irgendein Verwandter, Grossmutter oder -vater vielleicht scheint noch mit auf dem Gehoeft zu leben, tritt aber nicht in Erscheinung – und die beiden leben von dem, was Gladis auf dem Acker anbaut (Kartoffeln, Oka und verschiedene andere Gemuese) und von ihren Handarbeiten. Und eben von gelegentlichen Gaesten. Klar dass wir jetzt im Besitz von zwei Original-Alpakamuetzen sind… Die Stimmung ist herzlich und als wir am Abend bezahlen (je 25 Soles fuer „Vollpension“, das sind 6 �!) haben wir den Eindruck, dass wir dem beiden eine echte Freude bereiten. Nach der Nacht unter 4 Lamadecken und nach einem Pfannkuchen�mit Monia-Tee zum Fruehstueck kriegen wir jedenfalls noch ein Geleit zurueck zum Boot – und da wir fuer Lisbet noch ein kleines Taschengeld beigesteuert haben, ist heute ein besonderer Tag fuer sie, denn sie darf sich unten am Markt ein warmes Getraenk kaufen und strahlt wie das bekannte Honigkuchenpferd.

Wir sind beglueckt und beschaemt zugleich von so viel Bescheidenheit und Freundlichkeit. Das ist Peru. Das WAR Peru fuer uns – ein (denk)wuerdiger Abschluss. Morgen geht’s weiter nach Bolivien – ein bisschen Peru bleibt noch, denn zurueck in Puno herrscht wieder der ganz normale peruanische Alltag: Parade der Universitaet Puno, seit geschlagenen 5 Stunden eine tanzende „Karnevalsgruppe“ nach der anderen. Wird sogar im Fernsehen uebertragen. Es wuerde ja auch all unsere Vorurteile ueber den Haufen werfen, wenn mal ein Tag ohne Umzug (und Sperrung der Plaza de Armas 😉 ) stattfinden wuerde.

Bis bald! Wir fangen mal mit dem Bogen Richtung AKKA an…

… dit kannste jlatt verjessen!

Cuzco, 12.10.2008

Tja, so ist das, wenn man frueh um kurz vor 6 am Einlasstor fuer die Inka-Anlage in Machu Picchu steht: „… dit kannste jlatt verjessen hier!“ Ist auch zu dumm: man kauft die Tickets am Tag zuvor, kriegt einen grossen Flyer mit allen Anweisungen bezueglich Essen (keines!), Wanderstoecke (nur fuer Alte und Behinderte!) und Groesse des Rucksackes (nicht ueber 20 l), und dann kommt man mit seiner lauthalsen Reisegruppe dort an mit seinen Leki-Stoecke und dem dicken Rucksack voller Fresschen… Nee, echt! Unmoeglich 😉 ! Bester Kommentar darueber hinaus war noch: „… icke – kenn sowieso keene Highlights in mein‘ Leben wofuer ick um 5 uffstehen muesste!“

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Dieser Blogbeitrag waere auch gern noch ein paar andere Titel wert gewesen. „Machu Picchu“ mit vielen Ausrufezeichen vielleicht. „…schnauf!“. „Schlappe Beine!“. „Obelix was here!“. Oder „… die spinnen, die Inkas“. Seit Tagen ist Architekturspaeher Andreas im Steine-Wahn.

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Cuszos Innenstadt hat VIELE Inka-Mauerreste, schlichte und beeindruckende, manchmal, wie man hier scherzt direkt nebeneinander „Inka“ und „inca-pable“, wenn die Spanier oder wer auch immer versucht haben, diese Kuenste nachzuahmen. In Lauf- bzw. Schleichentfernung ueber der Stadt liegt die Inka-Festung Saqsayhuaman. Es pisst wie verrueckt, aber es ist unglaublich beeindruckend: bis zu 300 Tonnen schwere Bloecke wurden hier fugenlos zu Mauern zusammengefuegt…

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Und dann schliesslich die Zugfahrt nach Machu Picchu…

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Nach einer Nacht in Aguas Calientes, und nachdem wir die Situation am Eingang zur Inkastadt ueberlebt haben, koennen wir Machu Picchu geniessen, staunen und phantasieren. Es ist einfach unglaublich. Inkabaeder werden abgelichtet und feinste Dachdetails, Tempelreste, die Wasseranlage, Steinhauerei – grob und fein.
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An manchen Stellen koennen wir ein bisschen den Fuehrern zuhoeren; selbst wenn jeder seine eigenen Theorien zu vertreten scheint – wir haben ja auch keinen Schimmer, wie das alles gemacht und angefertigt wurde, wie diese Leute gelebt haben, wie man ueberhaupt in dieser unwirtlichen Umwelt hat eine Stadt anlegen moegen. Die Terassen, manchmal handtuchschmal, auf denen geackert wurde, und deren Mauerung noch heute haelt. Der Ackerboden, der mit Guano geduengt wurde – was dazu fuehrte, dass in dieser extrem disziplinierten Welt Personen, die einen Guano-produzierenden Vogel toeteten, mit dem Tode bestraft wurden. Und so vieles mehr – es wird einfach einen separaten Inka-Bericht geben muessen, wenn wir zurueck auf der AKKA sind und Zeit ist, die Bilder auszuwerten.

Als es ganz schlimm wird mit dem Besucherstrom – um 11:30 treffen die Gaeste ein, die direkt mit dem Zug aus Cusco kommen und nicht wie wir eine Nacht in Aguas Calientes geblieben sind! – machen wir uns auf den Inka-Pfad.

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Nicht wirklich – das sind im Original 4-5 fuerchterliche und fuerchterlich teure Tage, die man auf Schusters Rappen auf den alten Botenpfaden der Inkas von Cusco nach Machu Picchu zubringt, etwas fuer die ganz hippen und nebenbei sehr fitten… „Inkapfad fuer Eilige“ gibt es auch. Man kann, wenn man frueh ansteht, innerhalb der Anlage auf den Wayna Picchu aufsteigen, 400 Personen pro Tag duerfen das. Allein der Anblick  der Treppen raubt uns den Atem; nur unser Freund Milou, der franzoesische Reisemaniac („…if you come to China, go right to Yunnan“), rennt nicht nur um 4 Uhr morgens zunaechst mal tausende Stufen bis zum Gate hinauf, um gleich als erster dort zu sein, noch vor den Bussen, die wir faulerweise benutzen – nein, er sprintet dann auch noch auf diesen Berg. So fit sind wir nicht, eindeutig, und so pusten wir den Inkapfad von der Stadt Machu Picchu zum Sonnentor hinauf (Milou kommt natuerlich hinterher gejoggt…). Intipunku ist das Ziel, und das reicht uns auch schon. Da sitzt man dann, blickt auf diese phantastische Bergwelt hinauf und hinueber und hinunter, schneebedeckte Gipfel, Urwald auf den Haengen, tief unten fliesst der Urubamba, oder sollte man sagen: der Amazonas. Schoener Gedanke, dass wir auf diesem Wasser gewissermassen eine Riesenstrecke diesem unserem Wendepunkt der Reise entgegengeschippert sind.

Wir halten es bis zum spaeten Nachmittag aus in der Anlage; fuer viele der Besucher voellig hirnrissig, aber wir sind einfach fasziniert.

Tags drauf wachen wir vom Regengetrommel auf – und entscheiden, das Zugticket umzutauschen und Aguas Calientes ohne Bad im heissen Schwefelwasser zu verlassen. Gute Entscheidung! In Ollantaytambo muessen wir ohnehin in den Bus umsteigen und so entsteht noch ein unvorhergesehenes Nebenprodukt des Machu Picchu-Ausfluges: Inka-Ruinen, naechster Teil.

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Jetzt sind wir zurueck in Cuzco und geschafft – in einem anderen Blog las ich: Nie wieder Treppenstufen! Nachvollziehbar!
Gesamturteil aber: Unvergleichlich – und, siehe Titel: Unvergesslich!

Gringissimo!

Cusco, 7.10.2008

Da sind wir nun – die Stadt auf die wir doch eine ganze Weile schon hingefiebert hatten. Und sie ist, wie der Titel schon sagt, „gringissimo“… So viele unseresgleichen haben wir schon lange nicht mehr gesehen, und das aendert natuerlich den gesamten Eindruck gewaltig. Es gibt viele „amiga/amigo“-Fluesterer, die einem eine schoene Alpakamuetze oder eine handgemachte Puppe aufs Auge druecken wollen, Postkartenstapel, Wandgemaelde, Massage – you name it, they offer it.

Bis wir aber hier waren, gingen zwei spannende Tage dahin, und eigentlich sollte schon aus Andahuaylas ein Blog kommen, aber wir waren so kalt und durchgefroren wie -geschuettelt, dass es mit dem Aufenthalt in einem kuehl-feuchten Internetcafé einfach nichts wurde – wir mussten ja auch schon wieder, wie am Morgen zuvor, „mitten in der Nacht“ aufstehen….

Also, am Sonntag um 05:00 klingelt der Wecker, letzte Dusche in unserem Dachterrassenzimmer in Ayacucho. Herzliche Verabschiedung vom Nacht-Hotelier (schliesslich waren wir ueberdurchschnittlich lang zu Gast!) , der auch noch einen Taxifahrer herbeiruft und uns so das Rucksackschleppen zur Station von Los Chankas erspart. Heisses Wasser hatten wir in der Thermoskanne mitgeschleift, also gibt es Fruehstueck im Gewusel um den frisch angekommenen Bus aus Cusco und die Vorbereitungen fuer die Abfahrt. Draussen heult ein Anreisser „Andahuaylas – Andahuaylas!“ (ob da wirklich Kurzentschlossene vorbeikommen, die sich entscheiden, mal die 11 Stunden Fahrt nach A. auf sich zu nehmen?!) und konkurriert mit den Agua de Maracuja-Anbieterinnen, die auch noch irgendetwas unverstaendliches im Programm haben, das aber gut fuer „el stomaco“ sein soll – das wird doch wohl keine Kotzfahrt??
Schicker, neuer Mercedes „Apple Glass“-Reisebus (mit SICHERHEITSGURTEN, die allerdings nur wir nutzen werden 😉 ), Rucksaecke verstauen, Einsteigen , Abfahren, in Zockelfahrt durch die Vororte von Ayacucho, ungewoehnlich belebt an diesem Sonntagmorgen; der Strassenhandel ist schon im vollen Schwange. Und wieder schraubt sich der Bus in die Anden hinauf, das hatten wir ja schon: Staedtisches, Doerfliches, Agrarlandschaft… Was wir SO noch nicht hatten, ist dass meine halbe Familie wahrscheinlich tausend Tode gestorben waere. Die Strasse ist in gutem Zustand, aber einspurig und unbefestigt. Und kurvig… Da muss dann bei Gegenverkehr schon mal zurueckgesetzt werden, oder man haengt so halb ueber dem Abgrund. Ich mag gar nicht hingucken. Mein Mann, der am Fenster die Photographenposition haelt, erklaert mir aber in gewohnt kuehler Weise, dass  man eigentlich an keiner Stelle hier eine Chance haette, wenn das Fahrzeug die Fahrbahn verliesse. Obwohl er selbst enmerken muss: „… da gibt es Stellen, da moechte ich ungern mit dem Bus runterfallen!“ Eben. Ich auch nicht. Halb- und Mittagszeit in Chumbes – es gibt Hammelsuppe und andere Sachen, auf die wir wenig Lust haben, also macht der spastisch gelaehmte Kioskbesitzer ein Geschaeft mit mir: 10 Bananen = 1 Sol. Bisschen schwierig zu verstehen, Sprech- bzw. Sprachschwierigkeiten auf beiden Seiten, aber wir kriegen es hin und landen auch noch beim ueblichen „… de que país?“. Und irgendwie sind solche Gelegenheiten immer was Nettes zum Lachen; jedenfalls wird gewinkt, als wir abfahren. Schoen. Hatte ich zuvor gedacht, dass es irgendwie steil runtergeht, werde ich jetzt eines noch steileren belehrt, sozusagen. Haarstraeubend – und doch sehenswert. Nach einer Weile sind wir im Apurimac-Tal, die Fenster gehen auf, wir sind in den Tropen angelangt: Palmen, Avocado, Zitrusfruechte und Schweiss auf der Stirn. Nicht nur von der engen Holzbruecke ueber den zur Zeit nicht allzu reissenden Fluss. Ich bin sicher: das Tal muss unter 1000 m liegen, anders kann die Temperatur nicht zustande kommen. Falsch, wie ich heute im Museum feststellte – 2000 m waren es. Gigantisch. Hinter der Bruecke geht es noch eine Weile am Rande des alten Flussbettes weiter – der Canyon, den der Apurimac da gegraben hat, ist gigantisch und ebenso muss der Fluss mal gewesen sein! Und dann – naja, wir muessen halt den Abhang wieder hoch. Nur 1 1/2 Stunden zischen Avocado und Alpaka. 4000 m sind gar nix. Durchgeruettelt, geschafft und mit droehnenden Ohren kommen wir im „Terminal Terrestre“ von Andahuaylas an. Immerhin hat das Hotel Palacio Real eine heisse Dusche, die ihren Namen verdient und dann: schnarch…

Naechste Portion: Andahuaylas – Cusco, Abfahrt am Montagmorgen um 06:30, alles etwas eilig, denn der Bus (Bus?! Karre!) kommt spaet, „Cusco terminal!“…  jaja, alte Frau ist kein D-Zug. Zack, rein mit den Rucksaecken, nee, nix mehr aussteigen und pinkeln – und dann stehen wir da, und warten auf die Abfahrt. „Vamos, vamos“-Rufe werden laut und „la hora es la hora!“, aber was hilft’s, jedenfalls wissen wir dass wir im richtigen peruanischen Alltag gelandet sind. Und soo spaet ist es dann mit knapp 7 Uhr dann auch nicht, und die naechste Lektion „Peru“ folgt sogleich: wenn der Bus schon auf den ersten Metern hupt, dann hat man einen hupomanen Rennfahrer gewonnen, der jede Verspaetung wettzumachen versteht. Ein- und Aussteiger werden mit lautem „suben, suben, suben“ oder „pasen, rapido!“-Geschrei zur Eile getrieben, das alte Muetterchen, das irgendwo im Nebel aussteigen will, schmeisst vor Entsetzen ihre Hacke weit von sich und hat kaum den Absatz von der Stufe geloest als der Bus schon wieder anruckt und „pffft!“ die Tuer sich schliesst. Immerhin kommt die Lehrerin von einer Landschule FAST puenktlich zur Schule, waere der Fahrer in seinem Geschwindigkeitswahn nicht einen halben Kilometer dran vorbeigeflogen… Gut, dass es voellilg neblig ist – so sieht man nicht ganz so deutlich, wo es lang geht. 1 Stunde vor Abancay sehen wir allerdings ein paar hundert Meter unter uns auf eine Ansammlung von LKWs in einer Haarnadelkurve. Das schaut nicht wirklich gut aus, und tatsaechlich: Ende Gelaende. Ein Schotter-Transporter hat in der Kurve einen Gasflaschen-LKW umgeschmissen. Das kann dauern. Prima Schauspiel fuer alle Haengenbleiber. Eine Bauersfrau kann geschwind ihre Mango- und Mandarinenvorraete absetzen und ansonsten ist Pause. 4 lange Stunde, bis geschaetzte 2000 Gasflaschen umgeladen, das Zugfahrzeug wie der Auflieger aufgerichtet sind und das ganze Ungluecks-Gespann noch auf Zentimeterabstand passiert ist. Wir kommen dran vorbei – wir fahren in der alten Karre! Der dicke neue Reisebus hinter uns von der Konkurrenzfirma trifft eine lockere Stunde nach uns in Abancay ein. Kurze Pause, und weiter, weiter, weiter. Es sind schon betraechtliche Strecken, die man hier im Zickzack durch die Anden faehrt.

Um 20:00 sind wir in Cusco. Die Reservierung im Hostal Royal Frankenstein hat geklappt. Bruno, der Hund, oeffnet die Tuer, Ludwig, der Hotelier huellt uns in Informationsschwaelle ein, nur Martin, den Leguan treffen wir erst am Morgen. Aber das ist dann schon wieder eine andere Geschichte. Eine ueber Cusco, deren gringissimo-Seiten wir aber auch Positiva abgewinnen koennen. Dazu dann spaeter mehr…

Der Honig

So richtig viel gibt es nicht zu erzaehlen aus Ayacucho – erst hat der Chef eine Erkaeltung, dann sattele ich mir dieselbe oben auf meinen gluecklicherweise abgeklungenen Husten drauf – schnief. Also verbringen wir die Zeit zu einem Grossteil auf unserer Dachterrasse, empfangen Besuch, wie den von einem deutsch-belgischen Noname-Paar, die uns halt als deutschsprachige Abendesser identifiziert und scheusslich bildhaft ueber die Reise von Andahuaylas nach Ayacucho berichten koennen; das wollen wir bald in der anderen Richtung erledigen. Rafael kommt zum Schnacken, hessischer Zungenschlag aus Berlin; Nat und Anita, aus Belgien und zuletzt in Iquitos getroffen, haben Tipps fuer Bolivien bereit. Ich hole „Nonnenfuerzchen“ aus dem Kloster gegenueber, wie ICH finde sehr leckere Pecan-Kekse, dem Gatten sind sie zu trocken; wir haben den Haushaltsgeraetebestand (bisher: 1 Satz Besteck, jeweils 2 Becher und Trinkflaschen sowie 2 Pucallpa-Faehren-Fressnaepfe!) um eine Thermosflasche und einen elektrischen Wasserkocher erweitert und koennen so Tee und Kaffee grenzenlos geniessen. Eine Waschmaschine kommt mir allerdings nicht mehr in den Rucksack und mit dem Kocher werden wir spaetestens in Cusco jemanden begluecken (wenn man denn kein Wasser zum Inhalieren mehr erhitzen muss).

Zwischenzeitlich gibt es auch schon mal einen Wolkenbruch, das kennen die Leute von der Hosteria Crillonesa wohl schon gut, denn kaum hat es aufgehoert zu regnen (und ist das Wasser unter den Betten an der Badezimmertuer angelangt 😉 ), kommt der Wischservice. Andreas‘ Einwand, man koenne vielleicht doch einen kleine Schwelle…, stoesst auf Unverstaendnis. Also auch weiterhin: bei Zimmer 42, immerhin das beste des Hotels, ist Vorsicht in der Regenzeit angesagt ;).

Natuerlich gehen wir auch spazieren – die Stadt ist wirklich sehenswert, nicht nur die praechtige Plaza Mayor umstanden von so genannten „Casonas“, dickmauerigen spanischen Kolonialgebaeuden, jeweils mit Innenhof, sondern die gesamte Innenstadt ist so erhalten. Teils normal bewohnt , teils mit Geschaeften oder Anwaltsbueros belebt, oder gar renoviert und mit Restaurants besetzt, in denen man „non-pollo“-Food in Form von Salaten geniessen kann; „cuy“ gibt es zwar auch, aber irgendwie habe ich eine Meerschweinchen-Esshemmung, zumal Heiner mit weismachen wollte, dass man sich das Schwein vor dem Essen aussuchen kann. Erinnert mich fatal an Tierversuchszeiten in der Pharmakologie… Dagenen ist das Lokal „El Monasterio“ mit dem gleichnamigen Salat besonders lecker und einen Zweitbesuch wert – gestern abend allerdings etwas laut, denn es finden im Patio eine Musik-und Tanzveranstaltung statt; Andenatmosphaere pur, wirklich schoen anzuschauen und zu hoeren. Zuschauerschaft: peruanisch, Gringos koennen wir nicht entdecken.
Ayacucho hat eine ziemlich bewegte Geschichte – nicht nur als Platz fuer Befreiungsheroen. Simon Bolivar hatte die Stadt Huamanga nach der entscheidenden Schlacht (schrieb ich das etwa schon??) in „Stadt des Blutes“, Ayacucho, umbenennen lassen. So weit so gut, aber der Name Huamanga begegnet einem allenthalben, und das hat seinen Grund – viele Buerger wollen den alten Namen wieder haben, um die Geschichte der juengsten Vergangenheit vergessen zu machen: hier nahmen die terroristischen Aktionen des Sendero Luminoso, des „Leuchtenden Pfades“ ihren Ausgang, die im Peru der 80er und 90er Jahre bis zu 70.000 Menschen, vor allem Indios, das Leben gekostet haben sollen, und besonders in den Bergen hier um die Stadt haben ganze Dorfbevoelkerungen ihr Leben gelassen.

Wir wuerden gern mehr darueber wissen, aber das ist halt der Nachteil an so eine „Durchreise“ – fuer lange Internetsitzungen reicht die Zeit nicht, fuer lange Gespraeche fehlen die Spanischkenntnisse. Dieses klein-klein-Wirtschaftssystem, in dem eine Schuhreparatur 1 Sol kostet, in dem Frauen mit Bergen von Muetzen und Fleece-Hosen unter unserem Balkon sitzen und so gut wie nichts absetzen; selbst die gut gehenden Geschaefte mit den Saft-Karren, den Churro-Anbieterinnen oder dem Obst (heute: das Kilo Erdbeeren fuer 1,5 Soles, wir werden gleich noch zuschlagen!) – wie ernaehrt das eine Person, geschweige denn eine Familie? Es sind ja eben nicht zig Leute taeglich, die sich eine Schuhsohle ankleben lassen. Broetchen kosten – dankenswerterweise natuerlich – 60 Centesimos; fuer die ganze Tuete fuer zwei verfressene Gringos, wohlgemerkt. Nur: wenn wirklich die Lebensmittelpreise steigen, wie schon in Mexico oder Bolivien, dann wird es knapp mit der Ernaehrungslage fuer eben alle diese Strassenverkaeufer. Obwohl doch die eine oder andere mal ein Schnaeppchen machen kann, mit Gringos. Was kostet der kleine Napf Honig? Schweigen. Denken. „1 sol!“ Wir grinsen und bezahlen gern. Mehr noch allerdings lachen wir alle zusammen gleich im Anschluss, denn Andreas guckt der naechsten Kundin ueber die Schulter, um den wahren Wert des Honigs zu ergruenden: 50 Centesimos. 100% Gringoaufschlag. Gut so!

4 Aliens in einem Auto…

… sind manchmal einfach zu viel.
Da steigen 3 junge Indiofrauen in ein Collectivo nach Ayacucho, und Verwunderung  bis Erschrecken  ueber je 2 Deutsche und 2 Franzosen ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Wir sitzen gequetscht und definitiv nicht in „inca-size“ in der zweiten und dritten Reihe. Eine der Frauen lacht dann schon mal scheu, eine guckt eher streng nach vorn und die dritte kriegt die Hand nicht vom Mund – einfach furchterregend, dieses Gringos… Diese drei sprachen wohl nur Q’echua; es gab beim Aussteigen auch eine Diskussion wegen des Wechselgeldes – sie wollten ausschliesslich 1-Sol-Stuecke, sicherheitshalber? – aber dass die Lachende zum Schluss vor dem Bus, der noch ein paar Mal haelt, herrennt, den Hut mit einer Hand festhalten muss,�und dabei immer noch lacht und lacht und winkt, das troestet dann ein bisschen. Ganz so schlimm koennen wir wohl doch nicht gewesen sein, aber vielleicht war es auch nur ihre Erleichterung, noch einmal davon gekommmen zu sein.

Nun ja, wir sahen halt aus wie staubige Gringos – Wanderkleidung, bisschen Dreck und MUEDE! Um 4 Uhr morgens mussten wir am Bus sein, zuvor noch mit den schweren Rucksaecken durch (das gar nicht mehr so schlaefrige) Huancavelica stapfen. Ein Taxifahrer macht fuer die letzten Hundert Meter dann noch ein Gringo-Schnaeppchen, aber der Euro war es uns wert, denn es waere noch einmal knackig bergauf gegangen. Wir laden die Rucksaecke (verpackt in unsere peruanischen Gemuesesack-Huellen) auf’s Dach des Busses, ein 30 Sitzer, wir haben die Plaetze 20 und 21. Und bis es um halb fuenf losgeht, ist die Kiste mehr als voll – man hatte es uns prophezeit. Die Fuenferbank hinter uns beziehen zwei Paare mit 6 Kindern aller Altersstufen. Bis die rechtmaessigen Besitzer zweier der Sitze eintreffen. Da sind es dann eben 6 Erwachsene und 6 Kinder – ein ganz kleines bisschen schaeme ich mich, dass wir Touristen da einfach 2 Plaetze fuer unser „Vergnuegen“ abzweigen.

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Allerdings sitzt auf meiner Armlehne und manchmal dem Ellbogen ein Peruaner, vor uns im Gang die beiden Franzosen, denen man die nicht existierenden Plaetze 31 und 32 verkauft hatte. Der Bus ist uebrigens gerade knapp unter Stehhoehe hoch. Indiomass eben, hatten wir ja schon. Zum Sitzen im Gang, was auch manchmal vorkommt, reicht heute der Platz uebrigens nicht, so gesteckt voll ist es …

Und dann wuehlt die Kiste sich die Serpentinen hinter Huancavelica hoch, durch’s Dunkel. Nach einem Weilchen dann ein Stopp, von hinten kommt ein PKW mit weiteren Fahrgaesten. Und das soll jeden Tag so sein – unglaublich. Ueber 150 km�werden �wir jetzt gar nicht unter die 4.000 m-Grenze fahren. Die Strasse ist unbefestigt, aber in gutem Zustand und als es hell wird, haben wir schon fast die hoechste bewohnbare Hochebene der Welt erreicht: 4.500 m ueber dem Meer. Und bewohnt ist die Ebene, wir sehen es: Kinder werden schulfertig gemacht! Keines der wenigen Haeuser�Haus, die wir passieren, hat einen Schornstein – da ist wohl das Zwiebelprinzip der Kleidungsstandard.

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Lamas stehen in Einfriedungen, verfallene Lehmhaueser wechseln sich mit neueren Ziegelhauesern ab, ein, zwei „Zentren“ durchfahren wir, erkennbar an Mauern mit „Restaurante“-Beschriftung, vielleicht einem Schulgebaeude oder einem „posto de salud“. Kurz vor Santa Ines erreichen wir den See von Chiclococha.

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Hier ist dann auch der hoechste Pass erreicht, 4.850 m – nur wenige Kilometer von hier gibt es den hoechsten ueberhaupt befahrbaren Pass der Welt, so um die 5.100 m hoch.

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Atemberaubend. Sauerstoffmaessig sicher auch, wenn wir denn hier aussteigen wuerden, aber der Gringo geniesst die Aussicht und klebt ansonsten am Sitz ;). Dann schraubt sich der Bus wieder nach unten, die Stopps werden haeufiger, der Bus leert sich etwas, wobei natuerlich der 12-Personentransport von der letzten Sitzbank zur Fahrertuer (samt Entladen des Gepaecks) seine eigene Dynamik entwickelt. Einen Reifenschaden und 4 Stunden nach Abfahrt sind wir an der asphaltierten Hauptstrasse Pisco-Ayacucho. Rumichaca. Jetzt wird es alles easy…

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Naja, was man so easy nennt: der Reisefuehrer erwaehnt „some food stalls and a few filthy toilets“ in Rumichaca, und dass man (es ist 9 Uhr!) auf den 15-Uhr-Bus warten soll.

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Nee, das bitte nicht, so lange kann ich die Toiletten auch nicht aushalten und der Erkaeltung und der Trockenheit wegen kaufen wir uns doch den einen oder anderen Tee… Also Collectivo, einer der Toyota-Minibusse, der uns um 11:30 auflaedt. Auch hier ist der Innenraum nach Indios bemessen; ausser dass ich einen Feuerloescher im Gesicht habe,�produziere �ich mit den Knien Loecher in die Vorderlehne (und wahrscheinlich blaue Flecken in franzoesische Ruecken). Das kennen wir ja schon, aber nur fuer kurze Strecken, nicht fuer 3 Stunden. Leute steigen aus und ein, Minibus-Rennen um die Fahrgaeste bergauf, bergab, Gletscherreste hier, Vulkanisches dort, wir steigen immer so zwischen 3800 und 4300 m hin und her. Die Sitznachbarn sind abwechselnd Bergbauern, Minenarbeiter oder westlich gekleidete Frauen (aber mit einem Holzbuendel im Gepaeck!). Und dann eben unsere Alien-Gringo-Nummer.

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Weit unter uns kommt Ayacucho in Sicht; �wir haben kaum Augen fuer die praechtige Plaza�Mayor mit dem Simon-Bolivar-Denkmal in der Mitte – hier hat naemlich die amerikanische Unabhaengigkeit seinen Ausgang genommen. So staubig wie muede kippen wir in unsere Betten in der „Hosteria Crillonesa“.

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Immerhin: Dachterrasse, wir gucken wie im Crillon in Paris ueber die Daecher des Klosters Santa Clara, Triumphbogen und diverse weitere San Francescos auf die ferne Andenkette im Osten, und haben dazu 2 mal am Tag heisses Wasser. 40 Soles pro Nacht – so teuer haben wir lange nicht gewohnt, 10 �. Der schiere Luxus…